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1966 von Deutz gebautWenn die große Liebe ein kleiner grüner Traktor aus Köln ist

Lesezeit 5 Minuten
Thorsten Breitkopf, Ressortleiter Wirtschaft Kölner Stadt-Anzeiger, mit seinem Deutz-Traktor

Autor Thorsten Breitkopf mit seinem Deutz-Traktor

Unseres Autors große Liebe kommt aus Köln – ein Traktor von Deutz mit 22 PS, Patina, neuem Tüv und lachendem Gesicht. Eine Liebeserklärung.

Wie das so ist mit „Alten Liebschaften“ – als ich, Jahrgang 1977, meine das erste Mal sah, war ich hin und weg. Es muss in den frühen 1980er Jahren gewesen sein. Mein älterer Bruder hatte ein Pferd. Es lebte mit anderen Pferden, wo Pferde damals halt lebten, auf einem Bauernhof in Hückeswagen, meiner Heimatstadt.

Doch mir waren die Pferde egal. Auf dem Bauernhof gab es etwas, das viel stärker und auch deutlich weniger störrisch war. Konkret war es genau 22 Mal so stark wie ein Pferd. Außerdem hatte es im Vergleich zu einem handelsüblichen Pferd ein viel freundlicheres Gesicht. Wie das bei kölschen Mädchen halt so ist.

Es war ein Deutz, ein Traktor „Made in Cologne“. Mit einer niedlichen runden Motorhaube und Lampen rechts und links davon, die durchaus an Augen erinnern konnten. Niedlich fand ich diesen Traktor damals noch nicht. Er war eher faszinierend. Ich sah ihn mähen, rangieren, Planwagen und Pferdeanhänger ziehen.

Der Deutz ist so stark wie 22 Gäule

Sein Besitzer, ein in meinen Augen sehr alter Bauer namens Willi, zeigte sich über die 1980er-Jahre-Gewohnheiten höchst erstaunt. „Früher, da haben die Pferde die Menschen gezogen, heute ziehen die Menschen die Pferde“, sagte er oft, ungefragt und kopfschüttelnd.

Genauer gesagt zog allerdings der Deutz die Pferde in ihrem Hänger, und nicht der Mensch namens Willi. Gelegentlich durfte ich mitfahren, er hatte zwei Sitze nur für Kinder über dem gigantischen Hinterreifen des Traktors, die so groß waren, dass ich mich reinstellen konnte.

In meiner Erinnerung war der Deutz schnell, sehr schnell. Ein heutiger Blick in den Fahrzeugschein unter der Rubrik „T“ sagt mir: Es waren rasante 25,9 Kilometer pro Stunde. Bei bergischem Fahrtwind mindestens gefühlte 26, vielleicht aber auch einer Bergab-Fahrt geschuldet, nicht selten in dieser Gegend. Irgendwann wurde das Pferd verkauft. Die Besuche beim Deutz wurden rar.

Der D 2505 ist mit Abstand das Mickrigste, was bei Deutz Mitte der 1960er Jahre im Köln vom Band lief
Besitzer Thorsten Breitkopf

Aber in bergischen Grundschulen hat man immer auch zwei, drei Klassenkameraden, die vom Bauernhof kommen. Und ich kann mich an keinen erinnern, auf dem nicht irgendwo genau so ein Deutz noch für die leichteren Arbeiten im Einsatz war oder herumstand.

Heute nennt man es Feinstaub und möchte den Diesel verdrängen

Regelrecht bejubelt wurden der Deutz und etliche Brüder und Schwestern ähnlichen Typs beim jährlichen Rosenmontagszug von Hückeswagen. Der muss sich vor dem Kölner Rosenmontagszug keineswegs verstecken. Die Ähnlichkeiten sind überwältigend. Menschen sind verkleidet, trinken Kölsch und rufen Alaaf. Es werden Kamelle geworfen. Und die Karnevalswagen werden von Traktoren gezogen.

Thorsten Breitkopf, Ressortleiter Wirtschaft Kölner Stadt-Anzeiger, mit seinem Deutz-Traktor

Der Traktor wird heute nur noch zum Spazierenfahren genutzt.

Heute nennt man es Feinstaub und möchte den Diesel am liebsten aus den Städten verdrängen. Aber auf dem Bauernhof und beim Karnevalszoch liebe ich den Dieselgeruch der stampfenden und qualmenden Deutze. Großstadt hin, Kleinstadt her: Ein Besuch des Kölner Rosenmontagszuges riecht genauso nach Diesel und Bier wie der Hückeswagener.


Thorsten Breitkopf, Autor dieses Textes, ist Leiter des Wirtschaftsressorts beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der gebürtige Wipperfürther bewegt seinen Deutz-Traktor fast ausschließlich zum Spazierenfahren.


Vor wenigen Jahren brüstete sich die Mendener Firma HJS Emission Technologie, sieben Deutz-Traktoren des Festkomitees mit Diesel-Partikelfiltern ausgerüstet zu haben. Eine Karnevalsreform, die ihren Ursprung nur im eher wenig jecken Sauerland haben kann. Mit dem Erwachsenwerden, erster Freundin, Lehre, Studium und Co., vergaß ich die große Liebe zum kleinen grünen Traktoren aus Köln. Sie verschwanden aus dem Straßenbild, und tun es immer mehr.

Rückblende: Deutz ist ein Kölner Konzern bis zum heutigen Tage. Kein Geringerer als Nicolaus Otto (ja, das ist der Erfinder des Otto-Motors) und der Kölner Zuckerfabrikant Eugen Langen (Pfeifer & Langen) kamen in den 1860er Jahren auf die Idee, Verbrennungsmotoren zu bauen. Das neu gegründete Unternehmen kaufte 7500 Quadratmeter Land an der Deutz-Mülheimer Chaussee. Im November 1869 wurde der Firmensitz mit damals modernen Fabrikhallen von Köln über den Rhein in die noch selbstständige Stadt Deutz verlegt.

1919 wurde der erste Deutz-Trecker gebaut

1919 wurde mit dem der ganzen Gattung einen Namen gebenden „Deutz Trecker“ der erste Traktor gebaut. In den Wiederaufbaujahren nach 1945 wurde Deutz zum Volkswagen, zum Marktführer unter den Traktorenherstellern.

Werbung für einen Deutz-Traktor von 1966

Zeitgenössische Werbung der 1960er Jahre mit dem Slogan „Ein starker Schlepper, mit dem sich besonders gut arbeiten läßt.

1965 bis 1967 schließlich baute man im Kölner Stadtteil Deutz den Deutz 2505 – meine große Liebe. 1996 endete die Produktion von Traktoren in Köln endgültig – Deutz verkaufte die Sparte zuvor. Ob es das exakt das gleiche Modell war, damals auf dem Hof, kann ich heute nicht recherchieren, der Bauernhof ist abgerissen, an seiner Stelle soll eine Feuerwache entstehen.

Die große Liebe stand in Waldbröl

Nach 40 Jahren ohne eigenen Traktor jedenfalls traf ich schließlich meine große Liebe in Waldbröl. Ein Freund hatte einen solchen Traktor lange gesucht und seinen Schwiegervater ebenfalls mit der Suche beauftragt. Und ohne sich erneut abzusprechen, kauften beide gleichzeitig einen. Meine Chance. Ohne groß zu überlegen oder meine Frau zu fragen, schlug ich zu.

Mein eigener Deutz. 1966 erblickte er, Typ D 2505, in Köln am Rhein das Licht der Welt. Seine Jugend- und Erwachsenenzeit verbrachte er in einem Weinberg an der Mosel, sagt der Fahrzeugbrief. Mit seiner Seilwinde zog er vielleicht Wein die steilen Hänge hoch, glaube ich jedenfalls, eine schöne Vorstellung.

1,55 Meter breit ist der „Koloss“, 3,30 lang, 1,7 Liter Hubraum, luftgekühlter Diesel. Ein Oldtimer, keine Frage, aber kein Jaguar oder Mercedes unter den Traktoren jener Zeit, eher ein Fiat Panda. Seine Vorderachse würde es ermöglichen, in einer Kölner Ein-Zimmer-Wohnung zu drehen – Wenderadius: 3,25 Meter.

„Spar Diesel, fahr Deutz!“ Die Werbung ist aus den späten 1960er oder frühen 1970er Jahren. Der Deutz unseres Autors verbraucht 1,5 Liter Diesel pro Stunde.

„Spar Diesel, fahr Deutz!“ Die Werbung ist aus den späten 1960er oder frühen 1970er Jahren. Der Deutz unseres Autors verbraucht 1,5 Liter Diesel pro Stunde.

Neun Typen von der D-05er-Reihe wurden angeboten, mein 2505 ist – mit Abstand – der mickrigste. Er wurde nur 9200 Mal gebaut. Er wiegt 1600 Kilo, so viel wie zwei Smart. 2019 habe ich zuletzt getankt, dank 1,5 Liter Verbrauch pro Stunde und 63-Liter-Tank.

SUVs sind ja im Kommen. Ich liebe es, sie alle mit meinem Deutz von Waldwegen oder einer nassen Wiese aus festgefahrener Situation zu befreien. Beim Schalten muss man sich übrigens überlegen, wie schnell man später fahren möchte. Der Deutz fährt in jedem seiner zehn Gänge an. Gangwechsel während der Fahrt gibt es dagegen nicht.

Mein Deutz ist weder restauriert noch neu lackiert oder anderweitig geschminkt. Er altert uneitel in Würde. Nur sein Verdeck ist kaputt, ein dringend zu lösendes Ärgernis, für das ich Hilfe suche. Aber viele fast 60-Jährige sind oben ja auch kahl.