Die Landwirte im Kölner Umland fürchten Mehrkosten im fünfstelligen Bereich. Ökobauern besonders stark betroffen.
Streit um AgrardieselRheinische Bauern fürchten Sterben ihrer Höfe, wenn die Subventionen enden
In Berlin demonstrieren die Bauern am Montag mit Tausenden Traktoren vor dem Brandenburger Tor. Die Bundesregierung will bei den Hilfen für Bauern etwa 900 Millionen Euro jährlich einsparen. Die teilweise Steuer-Rückerstattung beim Agrar-Diesel und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge sollen fallen. Während seine Kollegen in der Hauptstadt gegen die Sparideen protestieren, ärgert sich Franz Bellinghausen auf seinem Hof.
Hof in Engelskirchen mit 250 Rindern
Er und viele andere Bauern im Rheinland sind in brennender Sorge vor dem drohenden Wegfall der Subventionen. Franz Bellinghausen ist Landwirt und bewirtschaftet mit seiner Familie den Hof Haus Ley in Engelskirchen im Oberbergischen Kreis. Bellinghausens haben 130 Milchkühe und 120 Jungtiere. Der malerisch gelegene Bauernhof war im 14. Jahrhundert eine Wasserburg. Heute gehören zum Betrieb 135 Hektar Land, zwölf davon zum Maisanbau, der Rest wie im Bergischen üblich als Grünland.
Bellinghausen, der auch Vorsitzender der Kreisbauernschaft im Oberbergischen Kreis ist, hat bereits gerechnet, nach der Hiobsbotschaft von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Ihn würden Wegfall der Diesel-Steuererstattung und Steuerbefreiung teuer zu stehen kommen.
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Fünf Traktoren sind auf dem Engelskirchener Hof im Einsatz, hinzu kommen sechs Anhänger oder ähnliche Gerätschaften. Noch haben sie das für landwirtschaftliche Fahrzeuge charakteristische grüne Nummernschild.
Die „Grüne Nummer“ erhalten bislang steuerbefreite Autos, etwa von Hilfsorganisationen, Anhänger für Pferde und Boote oder eben die Fahrzeuge der Bauern. Fahrzeuge mit grünen Kennzeichen zu anderen Zwecken zu verwenden, ist ein Vergehen gegen das Steuergesetz.
Diesem grünen Bauernkennzeichen will Lindner an den Kragen. „Ungefähr 11.000 Euro pro Jahr würde uns die Streichung der beiden Privilegien kosten“, sagt Franz Bellinghausen im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf seinem Hof.
Der Landwirt schätzt, dass die Summe ein durchschnittlicher Wert für einen typischen deutschen Hof ist, manche würden auch noch härter getroffen, etwa weil sie einen höheren Maschineneinsatz haben. „Wir hoffen inständig, dass diese Belastung am Ende doch nicht kommen“, sagt Bellinghausen.
Wie er diese Mehrbelastung stemmen soll, weiß Bellinghausen heute noch nicht. „Theoretisch müssten wir die Preise erhöhen“, sagt Bellinghausen. Die Macht auf dem Milchmarkt habe der Lebensmitteleinzelhandel, nicht die Bauern. Die Preise würden zwischen Molkerei und Handel vereinbart, Landwirte hätten keinen Einfluss.
Sorge vor schnellerem Höfesterben
In Coronazeiten war der Preis für Milch stark angestiegen, inzwischen habe er sich zum Nachteil der Bauern wieder auf dem niedrigen Vor-Corona-Niveau eingependelt. Gleichzeitig seien aber die Kosten wie in vielen anderen Wirtschaftssektoren auf dem hohen Niveau verharrt, auch als Folge von Energiekrise und Inflation.
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich im Rheinland in den vergangenen 25 Jahren bereits halbiert. „Ich bin überzeugt, dass durch die aktuellen Kürzungen weitere Bauern aufgeben werden, uns droht ein erneutes Höfesterben“, sagt Bellinghausen.
Besonders die Geschwindigkeit, in der die Mehrbelastungen auf die Bauern zukommen, verärgert Peter Lautz, Vorsitzender der Kreisbauernschaft im Rheinisch-Bergischen Kreis. Lautz hat einen Hof mit 95 Pferden in Bergisch Gladbach. Er rechnet mit Mehrkosten von 500 bis 800 Euro pro Fahrzeug. Das aber sei nicht das Schimmste.
„Die Regelung kommt quasi von heute auf morgen, ab Januar haben wir diese Mehrkosten, das ist keinerlei Planungssicherheit“, sagt Lautz. Mit dem Wetter und vielen Kapriolen hätten die Bauern umzugehen gelernt. Mit solchen spontanen Einschlägen gelinge dies nicht. Auch er hofft, dass die Bauernproteste noch Gehör finden. „Das Spiel ist noch nicht zu Ende“, sagt Lautz.
Die Argumentation mit der Abschaffung von CO₂-Ausstoß förderlichen Subventionen hält Landwirt Lautz für absurd. „Es gibt keine Alternative zu Diesel-betriebenen landwirtschaftlichen Maschinen. Traktoren fahren nun mal nicht mit Strom, außer vielleicht kleinere Fahrzeuge auf dem Hof“, so Lautz. Die Streichung der Rückerstattung beim Agrar-Diesel habe also keinen Effekt auf den CO₂-Ausstoß.
Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen
Lautz und Bellinghausen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. „Wir sind ja auch Landschaftspfleger. Heute schon liegen Flächen brach und verbuschen. Das wird durch die Maßnahmen beschleunigt“, sagt Bellinghausen.
Eines bringen die Aktionen der Berliner Politik in den Reihen der Bauernschaft: Sie führen zu einer Geschlossenheit, die die vorher teils zerstrittene Lobby so lange nicht mehr hatte. Denn erstmals seit langem ziehen die Landwirte wieder an einem Strang.
Bislang lag oft ein ideologischer Graben zwischen konventionellen Landwirten und Biobauern. Nun sind sie geeint, denn beide sind von den Subventionsstreichungen betroffen. Ökobetriebe in dem Fall sogar etwas stärker, weil bei ihnen der Maschineneinsatz pro Hektar sogar noch höher ist als bei Konventionellen.