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Nach der BundestagswahlFDP startet mit Abrechnung der Ära Christian Lindner

Lesezeit 3 Minuten
Arbeiter laden nach der Bundestagswahl ein Wahlplakat der FDP mit einer Nahaufnahme von Parteichef Christian Lindner auf einen Lastwagen.

Arbeiter laden nach der Bundestagswahl ein Wahlplakat der FDP mit einer Nahaufnahme von Parteichef Christian Lindner auf einen Lastwagen.

Nach der FDP-Niederlage bei der Bundestagswahl macht eine Parteigruppierung nun die erste Fehleranalyse. Es ist auch eine Abrechnung mit FDP-Chef Christian Lindner.

Die FDP ist diese Woche noch mal zusammengekommen in ihrem Fraktionssaal. Es ist die voraussichtlich vorletzte Sitzung, vor der letzten in der kommenden Woche. Danach ist Schluss, die FDP hat bei der Bundestagswahl so schlecht abgeschnitten, dass sie künftig nicht mehr im Parlament sitzt. Auch FDP-Chef Christian Lindner kam – mit Aktentasche. Man müsse das Wahlergebnis aufarbeiten, hat er am Tag nach der Wahl noch gesagt. Und seinen Rückzug angekündigt. Die Partei sucht nun erst mal nach einem neuen Vorsitzenden, so wie es aussieht, ist die Nennung der weiblichen Form nicht nötig.

Die Aufarbeitung haben jetzt andere schon einmal begonnen. Auf zwei Seiten hat eine Gruppe namens „Liberaler Fortschritt“ das aufgelistet, was sie als „Lehren aus der Bundestagswahl“ bezeichnet. Das Papier liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor.

Zu den 51 Unterzeichnern gehört Ex-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel und Ex-Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenbeger, die Noch-Vize-Fraktionschefin im Bundestag, Gyde Jensen, der außenpolitische Sprecher und Vize-Chef der Bayern-FDP, Ulrich Lechte, der Vize-Chef der Schleswig-Holstein FDP, Helmer Krane, die Vorsitzende der Liberalen Frauen, Anke Hillmann-Richter und zahlreiche Mitglieder von Landesvorständen, sowie Bezirks- und Kreisvorsitzende.

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Eine lange Fehlerliste

Das Papier liest sich wie eine Abrechnung mit der Ära Lindner. Thematische Einseitigkeit, ein zu konfrontativer Stil und eine verfehlte Wahlkampagne werden konstatiert. Die Liste der Fehler, die die Gruppe ausmacht, ist lang.

Da ist zunächst die Arbeit in der Ampelregierung. Statt allein den Koalitionspartnern die Schuld an deren Scheitern zu geben, sieht der „Liberale Fortschritt“ auch Schuld bei der FDP: Es habe „kein Erwartungsmanagement“ dafür gegeben, dass in einer Regierung „auch Kröten geschluckt und Kompromisse geschlossen werden müssen“, heißt es. „Das hat zu enttäuschten Erwartungen geführt.“ Auch der Umgang mit der Ampel wird kritisiert: „Die eigene Regierungsarbeit wurde aus der Partei heraus immer wieder öffentlich angegriffen. So wurden neue Wähler verschreckt, alte Wähler aber nicht wiedergewonnen.“

Insgesamt sei die Kommunikation der Partei in den vergangenen Jahren problematisch gewesen. „Statt auf eigene Stärke, seriösen Stil und Empathie zu setzen, nahm das Bashing des politischen Gegners überhand.“ Und ihre Themen habe die FDP zu abstrakt formuliert. „Aus den Freien Demokraten werden so Freie Technokraten“. Ausgerechnet die Partei, die die Digitalisierung als Kernthema genannt habe, habe zudem „den Anschluss an die Kommunikation in den Sozialen Medien verloren“.

„Erfolge der FDP versteckt“

Und das war noch nicht alles: Die Kampagne für die Bundestagswahl sei schließlich geführt worden, als sei die FDP „drei Jahre in der Opposition gewesen“, kritisiert die Gruppe. Man habe die Erfolge der FDP versteckt, zu sehr die Nähe der Union gesucht, sich thematisch allein auf die Wirtschaftspolitik konzentriert und „andere profilbildende FDP-Themen bewusst ausgeklammert“.

Eine grundlegende Erneuerung der Partei wünscht sich die Gruppe und auch da schimmert noch mal durch, dass unter Lindners Führung Parteiarbeit für manche offenbar nicht besonders angenehm war. Notwendig sei es, „statt interner Herabwürdigung und Ausgrenzung“ die verschiedenen Parteiströmungen zusammenzuführen. „Seriöses Auftreten, empathische Ansprache und optimistisches Herangehen an Herausforderungen“ wird empfohlen, und auch „ein wertschätzender Umgang“. Es liest sich, als habe man das bisher in der FDP vermisst.

Schließlich verweist die Gruppe auf die anstehende Entscheidung über die künftige Parteispitze. Stil, Umgangsformen, Kommunikationsexpertise und breite thematische Orientierung müsste also ein neuer Parteichef liefern, der die FDP bei der nächsten Wahl zurück in den Bundestag führen soll. Bundestagsfraktionschef Christian Dürr aus Niedersachsen ist noch im Rennen sowie der nordrhein-westfälische FDP-Chef Henning Höne.

Aber erst mal hatte Lindner doch noch einen Auftritt: In der Bundestagssondersitzung zum schwarz-roten Finanzpaket wetterte er am Donnerstag gegen das geplante Schuldenpaket. Von seiner Fraktion gab es Applaus.