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Arbeitgeberverband NRW zur Rentenreform„Die Zeche dürften die 20- bis 50-Jährigen zahlen“

Lesezeit 4 Minuten
Johannes Pöttering ist Hauptgeschäftsführer von Unternehmer NRW

Johannes Pöttering ist Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Unternehmer NRW.

Der Hauptgeschäftsführer der NRW-Arbeitgeber, Johannes Pöttering, kritisiert die Rentenpolitik der Ampel und fordert ein Ende der Rente mit 63 Jahren.

Herr Pöttering, die Rente ist ein großes Streitthema in der Ampelkoalition. Wie blicken die nordrhein-westfälischen Arbeitgeberverbände auf den Konflikt?

Pöttering: Der Druck wird immer größer. In Zukunft finanzieren immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner. Das IW Köln hat ausgerechnet, dass schon in sechs Jahren auf zwei Beitragszahler fast 1,5 Rentner kommen – heute liegt das Verhältnis noch bei Zwei zu Eins. Das liegt an den Babyboomern, die in großer Zahl in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig machen viele Facharbeiter und andere Leistungsträger von der Rente mit 63 Gebrauch und verschärfen so auch noch den Fachkräftemangel.

Ist das von der Ampelregierung vorgeschlagene Rentenpaket II nun eine Lösung aus Ihrer Sicht? Damit will die Ampel das Rentenniveau bis zum Jahr 2039 auf 48 Prozent festschreiben.

Statt auf die genannte Problematik entschlossen zu reagieren und gegenzusteuern, präsentiert die Bundesregierung mit dem Rentenpaket II eine große Mogelpackung. Der Rentenversicherung droht in den kommenden zwanzig Jahren eine Mehrbelastung von insgesamt rund 500 Milliarden Euro. Doch damit nicht genug: Die Ampel suggeriert den Beitragszahlern sogar eine Rentensicherheit, die es in Wahrheit nicht gibt.

Ist das von Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene „Rentenbollwerk“ in Ihrem Sinne?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat ein Dogma: Er will das Rentenniveau von 48 Prozent gleich bis zum Jahr 2039 zementieren. Arbeitnehmer, die aktuell in die Regelaltersrente gehen, werden dann 80 Jahre alt sein. Damit ist die Zielgruppe definiert. Dass der Rentenversicherung so milliardenschwere Zusatzlasten bevorstehen – und das über Jahrzehnte hinweg – ist ihm anscheinend völlig egal. Realisieren will er dies mit satten Beitragssteigerungen, von derzeit 18,6 auf 22,3 Prozent im Jahr 2035.


Johannes Pöttering ist seit 2020 Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmerverbände NRW (Unternehmer NRW), die als Arbeitgeberverband agiert. Der in Flensburg geborene Jurist war von 2007 bis 2008 für die CDU als Referent für Wahlkampfführung in Niedersachsen tätig, bevor er auf Verbandsseite wechselte. Seit 2022 leitet er auch den Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW.


Wer sind aus Ihrer Sicht also die Leidtragenden?

Die Zeche dürften insbesondere die 20- bis 50-Jährigen zahlen. Denn ihnen droht, die Renten-Haltelinie gleich dreifach bezahlen zu müssen: als Beitragszahler, als Steuerzahler und – in ferner Zukunft – dereinst als Empfänger von möglicherweise doch geringeren Leistungen. Und natürlich ist das Rentenpaket zudem ein schwerer Rucksack für den ohnehin derzeit schwer gebeutelten Wirtschaftsstandort Deutschland. Schließlich haben die Unternehmen die andere Hälfte der Beitragslast zu schultern. Statt die Lohnzusatzkosten endlich wieder auf 40 Prozent zu begrenzen, werden sie sogar weiter in die Höhe getrieben.

Was halten Sie von Heils Vorschlag in Sachen Rentenanpassungsformel, die ja die jährliche Rate der Rentenerhöhung festlegt?

Nichts. Weil er das Rentenniveau von 48 Prozent garantieren will, kassiert Minister Heil jetzt den Nachhaltigkeitsfaktor wieder ein. Dieser Faktor ist aber für die Stabilität des Systems total wichtig. Denn er sorgt bei einem ungünstigen Verhältnis von Rentenbeziehern und Beitragszahlern dafür, dass künftige Rentenzuwächse leicht unterhalb der allgemeinen Lohnentwicklung verlaufen. Das entlastet die Beitragszahler. Doch ausgerechnet jetzt, wo der demografische Kipppunkt in Sichtweite ist, will Hubertus Heil die richtige Entscheidung von einst revidieren. Das ist ein schwerer rentenpolitischer Sündenfall. Noch deutlicher könnte die Kündigung des Generationenvertrages wohl kaum ausfallen.

Damit das Rentenleck nicht zu groß wird, hat sich die Ampel einen zusätzlichen kapitalgedeckten Finanzierungsbaustein ausgedacht, eigentlich eine Position, die Ihrem Lager entgegenkommen müsste …

Dieser grundsätzlich richtige Ansatz ist in der nun geplanten konkreten Ausgestaltung aber leider alles andere als ein überzeugender Problemlöser. Denn die „Aktienrente“ ist nicht nur viel zu gering bemessen, sie soll obendrein auch noch ganz überwiegend über Schulden finanziert werden. Selbst wenn die optimistischen Renditeziele erreicht werden, fällt der Finanzierungsbeitrag eher marginal aus. Hinter vorgehaltener Hand räumen das selbst Teile der Ampel ein. Schon heute ist absehbar, dass die Erträge der Aktienrente deutlich hinter den Mehrausgaben durch das Rentenpaket II zurückbleiben. Ein schlechtes Geschäft.

Heißt das, dass wir aus Ihrer Sicht am Ende alle länger arbeiten müssen?

Die Verweigerung insbesondere der SPD, jegliche Debatte über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu führen, wird einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Sozialpolitik nicht gerecht. Wer angesichts eines im Durchschnitt stetig steigenden Lebensalters, das im Schnitt auch mehr Menschen immer gesünder erreichen, das Rentenniveau möglichst stabil halten möchte, darf dieses Thema nicht zum Tabu erklären. Und natürlich ist es völlig richtig, dass die FDP dabei zuallererst über ein Ende der Rente mit 63 sowie über Anreize für einen freiwilligen Renteneintritt weit über 67 Jahre hinaus nachdenkt. Saskia Esken geißelt die Vorschläge als „Angriff auf bisherige Errungenschaften des Sozialstaates“. Das Gegenteil ist aber richtig. Wer unseren Sozialstaat langfristig erhalten will, muss die Kraft haben, sich den Realitäten zu stellen.