Kampf gegen PlastikmüllSo originell lösen zwei deutsche Firmen das Problem
- Creapaper und Bio-Lutions haben eines gemeinsam: Die beiden Unternehmen stellen nachhaltige Verpackungen her, mit denen das Plastikmüll-Problem gelöst werden könnte.
- Dabei spielt auch das gemähte Gras von NRW-Golfplätzen dabei eine Rolle.
Köln/Hennef – Glaubt man Eduardo Gordillo, dann wird Einwegplastik bald ein ähnliches Schicksal erleiden wie der Pelzmantel. Ein Produkt, das für die eine Generation noch völlig normal ist, wird für die nächste zum Tabu. „Wir als Gesellschaft verändern unsere Gewohnheiten, die Art, wie wir Dinge beurteilen, immer wieder“, sagt er. „Ich glaube, dass Einwegplastik in zehn Jahren nicht mehr sozial akzeptiert sein wird.“
Für Gordillo wäre das eine gute Nachricht. Nicht nur aus ökologischen, idealistischen Gründen, sondern auch aus wirtschaftlichen: Er hat gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Stefan Dircks ein Start-up gegründet, das nachhaltige Verpackungen aus Agrarresten herstellt. Gerade erst gab es Unterstützung in beachtlicher Höhe aus Köln. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die sich an „Bio-Lutions“ beteiligt, hat 3,9 Millionen Euro Beteiligungskapital bereitgestellt.
Simple Theorie, komplexe Ausführung
Die Idee hinter Bio-Lutions ist in der Theorie simpel und in der Ausführung komplex: Agrarreste werden in einem mechanischen Prozess in selbstbindende Fasern verwandelt, aus denen sowohl Verpackungen als auch Einweggeschirr hergestellt werden. Bindemittel und chemische Prozesse, wie sie sonst in der Papierindustrie üblich sind, entfallen. Nach drei bis sechs Monaten zersetzen sich die Bio-Lutions-Produkte im Kompost – Plastikprodukte brauchen etliche Jahre.
Bei der Produktion legen Gordillo und Dircks Wert darauf, dass nicht der Rohstoff zur Fabrik kommt, wie es sonst üblich ist, sondern die Fabrik zum Rohstoff. „Je geringer die Anzahl der Transporte, desto geringer die Menge an CO₂, die ausgestoßen wird“, sagt Gordillo. Im Idealfall heißt das: lokale Rohstoffe aus lokaler Produktion für einen lokalen Markt. Für seine Geschäftsidee gewann Gordillo bereits verschiedene Verpackungs- und Greentechpreise.
Bald im deutschen Supermarkt
Bislang gibt es eine Bio-Lutions-Fabrik in Indien, die für den dortigen Markt produziert. 2020 soll die Produktion in Thailand und dem norddeutschen Brandenburg beginnen, die Fabrik in Indien erweitert werden. Mitte 2020 sollen Bio-Lutions-Verpackungen für Obst und Gemüse in deutschen Supermarktregalen stehen. Das Einweggeschirr wird dann allerdings aus Indien importiert. „Die deutschen Händler kaufen diese Produkte bislang in China“, sagt Gordillo. „Wir können nicht mit ihren Preisen konkurrieren, wenn wir in Deutschland produzieren.“ Die Aufgeschlossenheit gegenüber ökologischen Konzepten wachse zwar, das Ökonomische sei aber immer noch entscheidender. Bio-Lutions muss mit seinen Preisen wettbewerbsfähig bleiben – schon Centbeträge können einen Unterschied machen, wenn die Abnehmer Supermärkte sind, die Verpackungen in millionenfacher Stückzahl ordern.
In Deutschland wird zurzeit viel über Nachhaltigkeit diskutiert. Konkrete Zahlen zur Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle sind aber schwer zu fassen: Es gibt schlicht keine klaren Kriterien dafür, wann etwas nachhaltig ist. Dominik Enste, Professor und Leiter des Kompetenzfeldes Wirtschaftsethik am Institut der deutschen Wirtschaft, bestätigt aber den Trend: „Die Unternehmen reagieren auf die größere Nachfrage der Kunden.“ Sie bieten mehr fair gehandelte und Bioprodukte an – und eben auch nachhaltige Verpackungen.
Politik soll zentrale Rolle spielen
Gordillo sagt, die Politik müsse eine zentrale Rolle beim Weg weg vom Einwegplastik spielen. Er nennt den Anschnallgurt als Beispiel; die Auto-Firmen, die damals bei Einführung der Anschnallpflicht protestierten. Er nennt auch die Gesetze zum Nichtraucherschutz und dass die Leute früher in Flugzeugen und Kinos rauchten. „Man muss diesen Mentalitätswandel gezielt vorantreiben“, sagt er. „Sonst reagiert die Industrie nicht.“
Fragt man Uwe D’Agnone nach der Rolle der Politik in der Debatte um mehr Nachhaltigkeit, dann nutzt der Gründer von „Creapaper“ eine Kegelbahn als Metapher, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. „Wir können nicht alles reglementieren“, sagt er. „Aber wir können die Bahn vorgeben, auf der sich das Ganze bewegt.“ Das Verbot von Plastikstrohhalmen, eine Steuer auf CO2 – beides hält D’Agnone für eine gute Idee.
Verpackungen aus Graspapier
Auch Creapaper stellt nachhaltiges Verpackungsmaterial her – anders als Bio-Lutions aber nicht aus Agrarabfällen, sondern aus Graspapier. Rund 50 Prozent des Papiers, das der Hennefer D’Agnone herstellt, besteht aus Heu.
Möchte man verstehen, wieso seine Wahl ausgerechnet auf diesen Rohstoff gefallen ist, beginnt man am besten bei einem kleinen, harmlosen Wort: Lignin. Es ist einer der Hauptinhaltsstoffe von Holz und, wie D’Agnone so schön sagt, „der Klebstoff der Pflanze“. Dieses Lignin muss aufwendig mittels chemischer Aufarbeitung aus dem Holz herausgelöst werden, wenn man daraus Papier herstellen möchte. Gras hingegen enthält kein Lignin. Gras wird schlicht gemäht, während für den Rohstoff Holz riesige Waldflächen gerodet werden. „Papier ist eigentlich schon sehr nachhaltig, im Gegensatz zu mineralölbasierten Produkten“, sagt D’Agnone. „Aber wir wollten schauen, wie es noch nachhaltiger geht.“
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Bevor er das Graspapier entwickelte, war D’Agnone Industriekaufmann in einer Tiefdruckerei. Nun stellt er in einer Dürener Anlage aus Gras Pellets her, die dann in Papierfabriken zu fertigem Graspapier werden. Das wiederum wird weiterverarbeitet zu Einwegbechern und Obstschalen, zu Eierkartons und Bierhaltern. Creapaper arbeitet mit den großen Supermarktketten und Discountern genauso zusammen wie mit Drogerien, mit Tee Geschwender, Krombacher und Coca Cola. Auch McDonalds wickelte seine Burger in einem Test bereits in Graspapier.
Viel Wasser und Energie gespart
Möchte man von dem Unternehmer Zahlen hören, dann bekommt man diese: Das gemähte Gras aller Golfplätze in NRW würde ausreichen, um die Creapaper-Anlage in Düren ein Jahr lang zu füttern. Um aus Holz Papier herzustellen, braucht es 6000 Liter Wasser und 5000 Kilowattstunden Energie pro Tonne Zellstoff. Bei Graspapier sind es zwei Liter Wasser und 137 Kilowatt.
Das Gras kommt aus der Region, im Idealfall aus Ausgleichsflächen. Die Technologie wurde bereits vom Bundesumweltministerium und der EU-Kommission ausgezeichnet. Er will keinen Krieg gegen die konventionelle Papierindustrie führen, sagt D’Agnone. Er will Brücken bauen. Und: „Unser Ziel ist es, in fünf Jahren an die Börse zu gehen“, sagt D’Agnone. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sollen sich nicht ausschließen.