Ford steckt in der Krise. Autoexperte Stefan Bratzel sieht große Risiken und eine Selbstverschuldung bei dem Autobauer.
Autoexperte Bratzel„Das ist ein weiterer Schlag für Ford und den Standort Köln“
Der Autobauer Ford führt ab der kommenden Woche Kurzarbeit ein. Im Kölner Werk, wo derzeit die beiden neuen Elektromodelle Explorer und Capri gebaut werden, soll die Arbeit insgesamt drei Wochen ruhen. Bis zu den Weihnachtsferien soll im Wechsel jeweils eine Woche produziert und eine Woche ausgesetzt werden, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag berichtete.
„Für Ford und den Standort Köln ist die Nachricht ein weiterer Schlag, und für Fords Elektrostrategie auch“, Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Die beiden Elektro-Modelle aus dem Hause Ford seien zu spät in den Markt gekommen. „Außerdem kam Ford mit seinen E-Fahrzeugen in den Markt in einer Phase der großen Schwäche, die maßgeblich politisch verursacht ist, eine schwierige Situation für Ford“, sagt der Professor für Betriebswirtschaftslehre.
Teile der Probleme von Ford seien aber hausgemacht. „Ford versucht sich in einem höheren Segment als bisher aufzustellen, und das ist nicht einfach“, sagt Bratzel. Bislang hat Ford vor allem auf Fahrzeuge gesetzt, die sich im unteren und mittleren Preissegment positionierten. Zuletzt wurde in Köln ausschließlich der Ford Fiesta gebaut. Das Fahrzeug war bekannt und beliebt als typisches Einsteiger- und Fahranfänger-Auto im unteren Preissegment, auch unter dem des Konkurrenten VW Polo. Der erste Fiesta 1976 kostete unter 9000 Mark. Die letzten Modelle 2023 waren mit Preisen zwischen 15.000 und 20.000 Euro immer noch vergleichsweise preiswert.
Ford in der Krise
Der Ford Explorer Elektro startet bei einem Preis von 45.000 Euro. Der Capri bewegt sich in ähnlichen Preisgefilden.„ Die Verbraucher vergleichen die Modelle preislich mit herkömmlichen Verbrennern. Mit diesen Preisen spricht man ganz andere Käufergruppen als bisher an“, sagt Bratzel.
Fords Weg, allein auf E-Autos ab Köln zu setzen, hält der Autoexperte zumindest für problematisch. „Alles auf ein Pferd zu setzen ist halt riskant, besonders in einem sich verlangsamendem Markt für Elektroautos“, sagt Bratzel. Hätte Ford besser noch parallel am Fiesta mit Verbrennermotor festhalten sollen? „Auch da ist Bratzel skeptisch. Der betagte Fiesta hätte eines Updates bedurft, und das wäre teuer geworden“, ist sich der Experte sicher. Ford bewegt sich da aber in einer Problemzone, die viele Autobauer haben. Laut Stefan Bratzel wird es für alle Hersteller zunehmend schwierig, im niedrigen Preissegment überhaupt noch Geld zu verdienen.
Teil des Problems ist es auch, dass Ford, um überhaupt auf dem E-Auto-Markt bestehen zu können, auf Baugruppen des VW-Konzern zurückgegriffen hat. Fords Elektroautos basieren auf der MEB-Architektur der Wolfsburger. Das schmälert die Marge und kratzt am Image. Eine eigene E-Plattform wäre gemäß dem Autoexperten für Ford sicherlich sinnvoller gewesen.
Teilweise sind die Probleme von Ford bei seiner E-Auto-Strategie aber eben nicht hausgemacht, sondern durch verschiedene fehlende Rahmenbedingungen verursacht. „Angesichts der strukturellen Probleme an vielen deutschen Automobil-Standorten bedarf jetzt eines starken Signals des Bundes, mit zielgerichteten, jedoch langfristig wirksamen Maßnahmen die aktuelle Nachfrageschwäche nach Elektroautos zu bekämpfen“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Dazu gehörten vor allem der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur, verlässliche Rahmenbedingungen für die Industrie, der Abbau klimaschädlicher Subventionen bis hin zu einer Senkung der Stromsteuer. In Nordrhein-Westfalen führen bundesweit die meisten Elektrofahrzeuge. „Wir machen bei der Ladeinfrastruktur weiter Tempo und haben die Verfahren beschleunigt: Das Land hat 5.300 öffentliche Ladepunkte gefördert und zählt auch hier mit insgesamt rund 27.000 öffentlichen Ladepunkten zur Spitzengruppe“, so Neubaur. Hinzu kämen mehr als 100.000 geförderte Ladepunkte im privaten und betrieblichen Umfeld.
Eine Strategie von Ford hätte es sein können, wieder auf preiswerte Fahrzeuge auch im Elektrosegment zu setzen. Die Renault-Tochter Dacia macht das vor, der viertürige Elektro-Kleinwagen Spring etwa kostet unter 17.000 Euro. Für Köln wäre das aber auch keine gute Nachricht gewesen, denn Bratzel vermutet, dass man ein solches Billigfahrzeug wohl eher in einem Fordwerk in der Türkei oder Rumänien mit niedrigen Löhnen vom Band laufen würde und nicht in Köln.
Hoffen auf Hochlauf wegen steigender CO2-Flottengrenzwerte
Ist Ford in Europa nun existenziell gefährdet? „Im Moment findet zumindest auf dem europäischen Automarkt eine darwinisierende Auslese statt“, sagt Bratzel. Ford muss sich sehr gut positionieren, um nicht unterzugehen. Der amerikanische Autoriese General Motors hatte sich vor einigen Jahren komplett vom europäischen Markt verabschiedet und seine Töchter Opel und Vauxhall an den Konkurrenten Stellantis verkauft. Ein ähnliches Vorgehen von Ford hält Bratzel für nicht wahrscheinlich, weil der US-Konzern ja in Europa mit dem eigenen Markennamen antritt. „Insgesamt aber haben sich die US-Autobauer zu sehr von Europa wegbewegt, sie brauchen aber auch die Wertschöpfung aus dem europäischen Markt“, sagt Bratzel. Die europäischen Märkte seien im Zweifel für die Amerikaner nur schwer zurückzuerobern.
Aktuell stehen die Zeichen bei Ford Köln noch nicht auf Erholung. „Wir produzieren mehr als wir verkaufen können“, heißt es in einem internen Schreiben, dass dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Auch im ersten Quartal 2025 werde es noch Tage ohne Produktion geben. Statt wie bislang 630 sollen ab kommendem Jahr künftig nur noch 480 Fahrzeuge pro Tag gebaut werden.
Dennoch ist der Blick des Autoexperten auf Ford und sein Kölner Werk nicht völlig düster. „Die Lage wird sich im nächsten Jahr verbessern, es wird einen starken Hochlauf geben wegen der anstehenden CO2-Flottengrenzwerte“, sagt Bratzel weiter.