Droht das Ende des Bargelds?Eine Milliarde weniger Einkäufe mit Münzen und Scheinen
Köln – 2020 werden in Deutschland voraussichtlich rund eine Milliarde Einkäufe weniger in bar bezahlt als noch im Vorjahr. Der Umsatzanteil ist seit Jahren rückläufig. Droht das Ende des Bargelds, wenn sich der Trend fortsetzt? Die Corona-Pandemie hat der Entwicklung immerhin einen Schub gegeben.
Laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts EHI geht der Umsatzanteil der Bargeld-Käufe im Einzelhandel damit um 5,3 Prozentpunkte zurück. Dieses Jahr werde „als das wachstumsstärkste Jahr für unbares Bezahlen in Deutschland seit Beginn der regelmäßigen Erhebungen durch das EHI im Jahr 1994 eingehen“, sagt Horst Rüter, Leiter des Forschungsbereichs Zahlungssysteme am EHI. Mit einem Umsatzanteil von 46 Prozent übertrifft die Girocard-Nutzung erstmals – und dann auch noch deutlich – das Bargeld. Auf Kreditkarten entfallen 8,4 Prozent der Umsätze.
Entwicklung soll nachhaltig sein
Eine Rolle spielt dabei die Corona-Pandemie. In der Krise weisen Händler verstärkt auf Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlens hin, um den Kontakt zwischen Kassierer und Kunden zu reduzieren. Vor allem im Lebensmitteleinzelhandel verliert das Bargeld deutlich Umsätze: Bei den Discountern sinken sie um mehr als zehn Prozentpunkte von 56,2 auf 46 Prozent.
Laut EHI sind die Umsatzverschiebungen aus der Hochphase der Pandemie im Frühjahr dabei auch Sommer erhalten geblieben. Seit Herbst legten die nicht-baren Zahlungen weiter zu. Die Handelsexperten gehen daher davon aus, dass die Entwicklung nachhaltig sein wird. Getrieben durch kontaktloses Bezahlen, das bei Kunden und Handel hoch in der Gunst steht, werde die Kartenzahlung auch in den kommenden Jahren um drei Prozentpunkte zunehmen.
Skepsis gegenüber Handyzahlung
Auch wenn das bargeldlose Bezahlen weiter stark an Bedeutung gewinnt: Dem mobilen Bezahlen stehen viele Kunden noch skeptisch gegenüber. Einer EHI-Umfrage zufolge haben 62 Prozent der Befragten Bedenken, entsprechende Service zu nutzen – zum Beispiel mit Blick auf Sicherheit und Datenschutz.
Dennoch nimmt auch hier der Anteil der Nutzer deutlich zu. Von 2018 auf 2020 wuchs er von sieben auf 17 Prozent. Die am häufigsten zur Zahlung genutzten Apps waren Apple Pay, Paybal, Payback Pay und Google Pay. (elb)
Viele fürchten nun, dass wenn man diese Trends weiterdenkt, Bargeld in wenigen Jahren abgeschafft werden könnte. Die Vorteile: Weniger Kosten für den Handel, kein Falschgeld, Erschwerung von Schwarzhandel und -arbeit. In Schweden ist man bei der Abschaffung weit fortgeschritten. Nicht einmal das Taschengeld wird dort noch von Eltern ausgezahlt. Nur noch 16 Prozent der Kinder erhalten nach einer Umfrage ihre wöchentliche oder monatliche Ration in Scheinen und Münzen. 84 Prozent besitzen so etwas wie ein digitales Sparschwein. In der Generation zwischen 18 und 34 Jahren gaben in der Umfrage 75 Prozent an, selten oder nie mit Bargeld zu bezahlen. Alle Münzen und Scheine, die in Schweden noch im Umlauf sind, machen nur ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, in der Eurozone sind es zehn Prozent.
Deutsche hängen an Münzen und Scheinen
Die Diskussion über eine Abschaffung schürt Ängste bei den Deutschen, die mehr als andere an Münzen und Scheinen hängen. Sie lieben es aber nicht primär um bezahlen, sondern um es zu horten, als Geldanlage sozusagen. Das Finanzanalysehaus Barkow Consulting ermittelt wöchentlich, wie viel Bargeld die Deutschen besitzen. 338 Milliarden sind es aktuell. Binnen einer Woche stieg die Bargeldmenge um eine weitere Milliarde, gegenüber Januar wuchsen die Barbestände der Deutschen um fast 20 Milliarden.
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Für Finanzanalyst Peter Barkow gibt es dafür zwei Gründe. „Zum Einen ist es für die Deutschen typisch in Krisenzeiten Bargeld zu horten“, sagt Barkow. Außerdem besteht wegen der Nullzinsen kein Anreiz, sein Geld zur Bank zu bringen. Andererseits ist Bargeld aber auch ein Weg, Strafzinsen zu umgehen“, so der Analyst. Er geht aus diesen Gründen davon aus, dass Bargeld in den nächsten zwei Jahrzehnten sicher nicht abgeschafft wird, vielleicht sogar nie.