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BGH kippt Klauseln für MinuszinsWas das für Kunden in Köln und der Region bedeutet

Lesezeit 5 Minuten
ARCHIV - 09.04.2021, Bayern, Nürnberg: «Zinsen» steht auf einem Kontoauszug. (zu dpa: «BGH beurteilt Negativzinsen auf Geldeinlagen») Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Negativ-Zinsen auf Erspartes sind rechtswidrig, sagt der BGH.

Banken und Sparkassen auch in der Region kassierten zu Unrecht Negativ für Guthaben. Viele Kunden können jetzt Geld zurückfordern.

Wer in den Jahren der Niedrigzinsphase mit seinem Ersparten auch nur etwas Rendite erwirtschaften wollte, hatte es schwer. Viele Bundesbürger parkten deshalb ihr Geld vermehrt auf Spar- und Tagesgeldkonten oder ihrem Girokonto.

Doch über Jahre berechneten viele Geldhäuser ihren Kundinnen und Kunden negative Zinsen für deren Guthaben. Nun hat der BGH in Karlsruhe entschieden, dass das in vielen Fällen rechtswidrig war. Die klagenden Verbraucherzentralen feiern das zwar als Erfolg, automatische Rückzahlungen wird es aber nicht geben. Was das konkret bedeutet und wie die großen Banken und Sparkassen der Region darauf reagieren.

Was sind Negativzinsen?

Negativzinsen, oft auch als „Verwahrentgelte“ bezeichnet, bedeuten, dass Kunden für ihre Guthaben auf Bankkonten Gebühren zahlen müssen, statt Zinsen zu erhalten. In der Niedrigzinsphase zwischen Juni 2014 und Juli 2022 erhoben zahlreiche Banken Verwahrentgelte, weil sie wiederum Strafzinsen für Einlagen bei der EZB zahlen mussten. In der Hochphase waren dies bis zu 0,5 Prozent.

Wer ist betroffen?

Mit der Zeit gaben immer mehr Institute diese Kosten an Inhaber von Giro- und zum Teil auch Tagesgeldkonten weiter. Meist galt die Gebühr erst bei hohen Beträgen, teilweise wurde sie aber auch schon ab 5000 Euro auf dem Konto kassiert. Nach Angaben des Vermittlungsportals Verivox verlangten 2022 rund 450 Banken und Sparkassen in irgendeiner Form Negativzinsen. Allerdings schlossen sie dafür oft Einzelvereinbarungen mit Kundinnen und Kunden, während sich der BGH mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen befasst hat.

Was hat der Bundesgerichtshof genau entschieden?

Der BGH hat klargestellt: Für Guthaben auf Spar-, Fest- und Tagesgeldkonten dürfen Banken und Sparkassen keine Verwahrentgelte erheben. Das würde nämlich den Charakter der Einlagen, die neben einer Verwahrung auch Anlage- und Sparzwecke verfolgen, verändern. Verbraucher würden dadurch unangemessen benachteiligt.

Anders sieht es das Gericht mit Blick auf Girokonten. Die Verwahrung des Geldes stelle hier eine von der Bank erbrachte Hauptleistung dar. Somit dürften die Geldinstitute auf diese Einlagen grundsätzlich Negativzinsen erheben.

Das große Aber: Die Vertragsklauseln zu den Verwahrentgelten müssen transparent sein, betont der Karlsruher Senat. Kunden müssen etwa verstehen können, auf Grundlage welches Guthabens die Entgelte berechnet werden. Sonst sind auch hier die Strafzinsen unzulässig.

Worum ging es konkret in Karlsruhe?

Der für Bankenrecht zuständige 11. Zivilsenat entschied konkret zu Klagen der Verbraucherzentrale Sachsen und Hamburg, sowie des Verbraucherzentrale-Bundesverbands. Sie waren gegen die Commerzbank, die Volksbank Rhein-Lippe, Sparda-Bank Berlin sowie die Sparkasse Vogtland vor Gericht gezogen, die von Verbrauchern Entgelte für die Verwahrung von Einlagen berechneten. Die Entgelte lagen bei 0,5 und in einem Fall bei 0,7 Prozent im Jahr, die Freibeträge reichten von 5000 bis 750.000 Euro.

Wie reagieren die Verbraucherverbände?

„Das ist ein großer Erfolg für die Bankkunden in Deutschland“, sagt Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Das Gericht hat klargestellt, dass Negativzinsen in den allermeisten Fällen unzulässig sind.“ Das Urteil sei vor allem deshalb so wichtig, weil während der Niedrigzinsphase fast alle Banken Negativzinsen erhoben. „Es waren sehr viele Verbraucher betroffen und diese Beträge sind nun rückzahlbar durch die Banken“, so Hummel.

Wie reagieren die Banken und Sparkassen in Köln und der Region?

Von der Commerzbank heißt es auf Anfrage dieser Zeitung: „Wir haben das Urteil zur Kenntnis genommen. Wir werden nun zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und analysieren“, sagt eine Sprecherin. Das Bankhaus bittet um Verständnis, sich vorher nicht äußern zu können.

Ein Sprecher der Deutschen Bank sagt zur Entscheidung aus Karlsruhe: „Wir haben das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis genommen und prüfen es nun. Wir erwarten keine wesentliche finanzielle Auswirkung für die Deutsche Bank.“

Deutsche Bank rechnet mit geringen Auswirkungen

Im Gegensatz zu anderen Banken hat Deutschlands größtes Geldinstitut ebenso wie ihre Tochter Postbank bei Festgeldkonten und Sparbüchern nie Verwahrentgelte erhoben. Bei Girokonten seien die Bestandskunden transparent und umfassend informiert worden, heißt es. Deshalb gehe man davon aus, dass die Vereinbarungen Bestand haben. Im Fall der Tagesgeldkonten hatte die Bank Verwahrentgelte erhoben, die nach dem Urteil des BGH nicht zulässig sind. Nach Informationen dieser Zeitung sollen sich betroffene Kunden für eine Erstattung an die Deutsche Bank wenden. Dem Vernehmen nach erwartet man – wenn überhaupt – nur minimale Auswirkungen, allenfalls im einstelligen Millionenbereich.

Die Sparkasse Köln-Bonn hatte zeitweise Verwahrentgelte auf Tagesgelder und Girokonten erhoben. „Dies betraf nur einen geringen Bruchteil unserer Privatkundschaft — in einem einstelligen Prozentbereich.“ Man habe mit den Anlegern individuelle Vereinbarungen getroffen, mit jeweiligen Freibeträgen in mindestens mittlerer fünfstelliger Höhe, sagt Sprecher Jörg Wehner. An wie viele Kunden die Sparkasse nun Rückzahlungen in welcher Höhe leisten muss, dazu seien jetzt noch keine Aussagen möglich, da die Entscheidungsgründe der BGH-Urteile noch nicht vorliegen, sagt Wehner.

KSK will Urteils-Begründung abwarten

Von der Kreissparkasse Köln heißt es bislang lediglich: „Eine weitergehende inhaltliche Bewertung der Urteile wird erst nach einer Auswertung der Entscheidungsgründe möglich sein, die voraussichtlich in einigen Wochen verfügbar sein werden.“

Was heißt das für betroffene Verbraucher?

„Betroffene Bankkunden müssen jetzt aktiv werden“, sagt Hummel. Eine automatische Rückzahlung an betroffene Verbraucher hatte der BGH abgelehnt. „Das heißt, wer Negativzinsen gezahlt hat in der Vergangenheit, der sollte sich schnellstmöglich rechtliche Beratung suchen und bei seiner Bank die Beträge zurückfordern.“ Beratung gebe es bei den Verbraucherzentralen, aber auch bei spezialisierten Anwälten.

Gibt es eine Verjährungsfrist?

„Die Standardverjährung in Deutschland beträgt drei Jahre“, erklärt Hummel. Aber auch ältere Ansprüche könnten noch geltend gemacht werden, wenn sogenannte verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen wurden. „Wenn sie mit der Bank gestritten haben über diesen Zins, wenn es ein Gerichtsverfahren oder Ähnliches gab“, so Hummel.