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Chinesische BilliganbieterDarum sind Plattformen wie Temu für unsere Wirtschaft so gefährlich

Lesezeit 4 Minuten
ILLUSTRATION Eine Person hält ein Telefon mit der App Temu in den Händen. (Gestellte Szene).

Der chinesische Onlinemarktplatz Temu steht immer wieder in der Kritik. (Symbolbild)

Chinesische Anbieter überschwemmen den europäischen Markt mit Billigware. Die günstigen Preise locken Millionen Verbraucher, doch die Folgen für die Wirtschaft sind katastrophal.

Elektroautos, Solarmodule, Billigkleidung: Der europäische Markt wird aktuell von chinesischen Produkten geflutet. Die Ware ist nicht nur günstiger als die der europäischen Konkurrenz, sondern Hersteller nutzen mitunter Steuerschlupflöcher und Grauzonen in der Regulatorik und umgehen so gezielt Bestimmungen in der EU.

Jeder vierte Deutsche hat schon bei Temu gekauft

Besonders die Shopping-Plattform Temu stand zuletzt heftig in der Kritik. Hier gibt es von Elektronik über Bekleidung bis zu Industriematerialien wie Unterlegscheiben und Lenkrollen alles zu kaufen. Temu ist zwar erst seit Frühjahr 2023 in Deutschland am Start, liefert Schätzungen zufolge aber jetzt schon jeden Tag 200.000 Pakete nach Deutschland. Das Marktforschungsunternehmen Appinio hat ermittelt, dass vom Juli bis Dezember 2023 jeder vierte Deutsche bei der Plattform eingekauft hat.

Auf Temu verkaufen chinesische Hersteller ihre Produkte zu Billigpreisen. Perlenarmbänder gibt es beispielsweise für 57 Cent pro Stück statt 6,99 Euro oder eine Trinkflasche für 2,72 Euro statt 12,29 Euro. Wählt der Kunde ein Produkt aus, wird er im Warenkorb daran erinnert schnell zu sein: Es gibt nur noch wenige Stück davon. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte im März die chinesische Plattform genau wegen dieser Praktik abgemahnt, unter anderem wegen irreführender Rabatte und manipulativer Designs.

Die Taktik funktioniert, sie folgt simpler Verkaufspsychologie. „Wer sich keine teuren Produkte leisten kann, kompensiert diese Einschränkung damit, mehr Billigware zu kaufen. Rabattschlachten und Grabbeltische schaffen Kaufanreize in unseren Köpfen“, sagt Richard Geibel, Leiter des E-Commerce-Instituts Köln.

Verbände und Händler gehen auf die Barrikaden

Für die deutsche Wirtschaft sind Plattformen wie Temu und Shein eine Bedrohung, denn chinesische Anbieter beachten häufig nicht die europäischen Anforderungen an Produkte. Das kritisiert beispielsweise der Handelsverband Deutschland (HDE) in einem Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck: 60 Prozent der Produkte seien wegen Verstößen gegen das Chemikalienrecht nicht verkehrsfähig in der EU, heißt es darin. Und: Es gebe gravierende Mängel bei der Produktsicherheit, etwa unzureichende Gebrauchsanleitungen und fehlerhafte Kennzeichnungen.

Das ist nicht nur eine Bedrohung für diejenigen, die bei Temu und Co. einkaufen, sondern benachteiligt auch die Wettbewerber in Deutschland und der EU. „Hiesige Unternehmen müssen immer strengere Auflagen erfüllen, sowohl was Verbraucher- als auch Umweltschutz angeht. Die deutschen Einzelhändler stehen vor großen Herausforderungen bei der Umsetzung dieser vielen neuen regulatorischen Vorgaben“, heißt es im Brief des HDE. „Gleichzeitig beobachten wir mit großer Sorge, dass der Binnenmarkt mit Produkten überschwemmt wird, die diese Anforderungen zu einem großen Teil nicht erfüllen.“

Die Kontrollinstanzen werden geflutet

Doch wie kann es sein, dass Produkte, die hierzulande nicht verkauft werden dürften, trotzdem in Kinderzimmer und Kleiderschränke gelangen? Die Antwort ist simpel: Angesichts der schieren Menge an Paketen werden die Kontrollinstanzen regelrecht überflutet. Jeden Tag landet Schätzungen zufolge ein kompletter Frachtflieger voll mit Temu-Paketen in Belgien. Dabei wird der Flughafen in Lüttich zum Nadelöhr: „Wenn täglich 200.000 Pakete nur von Temu ankommen, haben die Zollbehörden gar keine Chance“, sagt E-Commerce-Experte Geibel.

Immer wieder gibt es Berichte, die Zoll- und Steuertricks entlarven. So melden chinesische Versender beispielsweise Ware mit einem geringeren Wert an, als sie eigentlich kostet - bis 150 Euro Warenwert fällt in Europa kein Einfuhrzoll an. Zudem teilen die Anbieter die Sendungen in mehrere Pakete auf, um unter der 150-Euro-Grenze zu bleiben.

Bevor sich die Pakete überhaupt auf den Weg machen, werden sie von den chinesischen Versendern elektronisch beim Zoll angekündigt. Der macht dann Stichproben: Im Jahr 2023 hat der Zoll so mehr als 5100 verdächtige Warensendungen ausfindig gemacht, die dann bei der Marktüberwachung zur finalen Prüfung gelandet sind. 92 Prozent der Produkte durften nicht in der EU verkauft werden und wurden von der Marktüberwachung gestoppt. Doch dieser Mechanismus greift eben nur punktuell.

Temu äußert sich zur Kritik

Temu weist die Kritik in einem Statement von sich: „Bei Temu wenden wir einen umfassenden Ansatz zur Überprüfung der Verkäufer und Produkte auf unserer Plattform an, um einen hohen Standard der Qualitätskontrolle zu gewährleisten, der mit den Anforderungen der Märkte, in denen wir tätig sind, übereinstimmt“, heißt es. Der Prozess beginne mit einem Onboarding und der Überprüfung von Verkäufern, bei der sie ihre Geschäftslizenzen und rechtlichen Dokumente vorlegen müssen. „Darüber hinaus unterzeichnen sie Vereinbarungen, in denen sie sich zur Produktsicherheit und zur Einhaltung der für ihre Zielmärkte relevanten Vorschriften verpflichten.“ Temu unterstütze diesen Prozess, indem das Unternehmen Leitlinien und Ressourcen zu den Compliance-Anforderungen für verschiedene Märkte bereitstelle.

Sobald die Verkäufer an Bord sind, müssen sie „wichtige Dokumente einreichen, wie zum Beispiel Zertifizierungen, Etiketten, Prüfberichte und Registrierungsunterlagen, um die Produktsicherheit nachzuweisen“, heißt es vom Temu. Das Unternehmen prüfe diese Dokumente, um sicherzustellen, dass die Produkte den Sicherheitsvorschriften entsprechen, bevor die Angebote auf der Plattform freigeschaltet würden. Zur Qualitätskontrolle würden auch Stichproben gehören, ob die physischen Produkte mit ihren Beschreibungen übereinstimmen und die Sicherheitsstandards einhalten. „Wenn der Verdacht besteht, dass ein Produkt nicht den Vorschriften entspricht, ergreift Temu umgehend Maßnahmen, die die Aussetzung der Listung, die Anforderung zusätzlicher Unterlagen oder die vollständige Entfernung des Produkts beinhalten können“, heißt es.