Der Beruf der Dachdeckerin hat Fabienne Ellermeier viele sexistische Kommentare beschert – aber auch Selbstbewusstsein. Die 23-Jährige berichtet von ihren Erfahrungen als Frau im Handwerk.
Dachdeckerin berichtet„Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich beweisen muss“

Fabienne Ellermeier arbeitet im Familienbetrieb.
Copyright: Andreas Ellermeier
Lange, blonde Haare und braungebrannte Haut: Fabienne Ellermeiers Instagram-Seite könnte einem Model gehören. Doch Ellermeier verdient ihr Geld nicht mit Werbefotos, sondern deckt Dächer. In den sozialen Medien präsentiert sie anstelle ihres Körpers ihren Beruf: um andere junge Menschen fürs Handwerk zu begeistern.
Eine Entscheidung, die der 23-Jährigen aus Ostwestfalen neben viel Zustimmung auch frauenfeindliche Kommentare einbringt – von Anmachsprüchen über Kommentare älterer Männer, die ihr das Handwerk erklären wollen, bis hin zu Nachrichten, die Ellermeier ihre beruflichen Fähigkeiten absprechen. Dabei war sie mit 21 Jahren die jüngste Dachdeckermeisterin Deutschlands.
Frauenfeindliche Kommentare im Beruf
Sexismus musste die junge Dachdeckerin bereits während ihrer Ausbildung ertragen. Damals war sie die einzige Frau unter 20 Mitarbeitenden. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich vor den Männern beweisen muss“, sagt Ellermeier. In der Anfangszeit der Ausbildung sei sie sehr schüchtern gewesen. „Umso höher war der Druck für mich, Leistung zu erbringen und zu überzeugen.“
Gleich in der ersten Woche sei sie von männlichen Kollegen kritisiert worden, ob sie nicht schneller arbeiten könne. Und auch nach der Ausbildung hätten die Kommentare nicht aufgehört. So habe ein Kunde, zu dessen Baustelle sie geschickt werden sollte, gefragt: „Wie, und die kann das, als Frau?“. Doch Ellermeier weiß: Ja, sie kann. 2023 hat sie die Meisterprüfung bestanden und ist jetzt zusammen mit drei anderen Mitarbeitenden fest im Dachdeckerunternehmen des Vaters angestellt. „Der Beruf macht mich glücklich“, sagt die junge Frau.
Von der schüchternen Schülerin zum Vorbild
Durch die Ausbildung habe sich ihr Selbstbewusstsein „extrem“ gesteigert, erzählt sie. Erst vor kurzem hat Ellermeier mit ihrem Freund, ebenfalls Handwerker, in Schulen Vorträge über den Beruf des Spenglers und der Klempnerin gehalten. Zu ihrer eigenen Schulzeit habe sie sich nie getraut, vor der Klasse zu sprechen. Auch ihr Auftritt in den sozialen Medien habe die 23-Jährige selbstsicherer werden lassen, sagt sie.
Ellermeier kommt aus einem ländlichen Umfeld, wo die meisten Frauen, wie sie erzählt, in der Landwirtschaft oder in sozialen Berufen tätig sind. Ihre Mutter arbeitet als Köchin für das nahegelegene Altenheim, hilft danach noch im Büro des Familienbetriebs aus. Die beiden Großmütter waren Putzfrauen. Ellermeier wollte eigentlich ebenfalls im sozialen Bereich arbeiten, doch bald wurde ihr klar, dass etwas Handwerkliches besser zu ihr passte. Ihren Weg ins Handwerk habe die Familie immer unterstützt, beteuert sie.
Ob sie den Familienbetrieb später einmal übernehmen will, weiß die 23-Jährige noch nicht. Sie könnte sich auch eine Selbstständigkeit außerhalb der Familie vorstellen, etwa einen Betrieb mit ihrem Freund. „In jedem Fall“, sagt Ellermeier, „will ich etwas Eigenes haben.“