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Deutschlands oberster Steuerberater„Die massive Kritik an Banken ist gerechtfertigt“

Lesezeit 6 Minuten
Steuerberater Symbolbild

In NRW ist der Beruf des Steuerberaters mittlerweile als systemrelevant eingestuft worden.

Köln – Der Chef des Deutschen Steuerberaterverbandes, Harald Elster, spricht im Interview über die Not der Unternehmen. „Der zweite Lockdown ist dramatisch und für viele Firmen eine Katastrophe“, sagt Elster. Harte Kritik übt er an den Banken, die vor allem dem Mittelstand überlebenswichtige Kredite verweigerten. „Bei den großen Konzernen werden die Hilfen einfach durchgewunken“, sagt Deutschlands oberster Steuerberater und erklärt, welche Rolle seine Branche im Wirecard-Skandal spielte.

Herr Elster, die Corona-Pandemie belastet die Unternehmen schwer. Wie kommen die Steuerberater durch die Krise?

Das Arbeitsaufkommen ist deutlich gestiegen. Wir kommen eigentlich kaum noch zu unserem Tagesgeschäft, wie das Erstellen von Jahresabschlüssen oder die Bearbeitung von Steuererklärungen. Die Unternehmen brauchen jetzt vor allem die Hilfe der steuerberatenden Berufe, um durch diese schwere Zeit zu kommen.

Zur Person

Harald Elster, geboren 1952, ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit Kanzleisitz in Reichshof und Lüdenscheid im Bergischen Land.

Seit 2013 ist er Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes (DStV). 2017 wurde er für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt. Zudem ist Harald Elster seit 2008 Präsident des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln, eines der größten Regionalverbände unter dem Dach des DStV.

Harald Elster ist verheiratet und hat zwei Kinder. (cos)

Gelten die Steuerberater eigentlich mittlerweile als systemrelevant?

In NRW ist der Beruf des Steuerberaters mittlerweile als systemrelevant eingestuft worden. In Hessen aber lehnt der Ministerpräsident das ab. Es ist also bundesweit gesehen weiterhin ein föderaler Flickenteppich. Aus der Systemrelevanz ergibt sich die besondere Stellung der Steuerberater in der Betreuung der Mandanten in der Pandemie. Ohne die Steuerberater kann zum Beispiel die Überbrückungshilfe nicht beantragt werden. Gleichzeitig ergibt sich hieraus auch eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl.

Wie schwierig erleben die Steuerberater die Lage vieler ihrer Mandanten?

Viele haben bislang ohnehin enorme Ausfälle. Der zweite Lockdown ist vor diesem Hintergrund natürlich dramatisch, gerade wenn man auf die Gastronomie, die Hotellerie und die Veranstaltungsbranche blickt. Es wurden umfangreiche Hygienekonzepte entwickeln, in deren Folge etwa die Restaurants ohnehin nur mit 50 Prozent ausgelastet werden konnten. Wirtschaftlich schafften viele nur eine schwarze Null. Die erneute Schließung ist da eine Katastrophe.

Wo werden die Steuerberater derzeit am meisten gebraucht?

Vor allem bei der Beantragung der Überbrückungshilfen, wo wir wie auch Rechtsanwälte mittlerweile eingebunden sind. Durch den Missbrauch bei den Soforthilfen ist man mittlerweile dazu übergegangen, dass die Hilfen nicht mehr von den Unternehmern selbst beantragt werden können. Auch die Unterstützung bei Anträgen von Kfw-Krediten und anderen öffentlichen Hilfen macht mittlerweile einen Großteil unserer Arbeit aus.

Sind die Hilfen ausreichend?

Der Staat hat schon zu Beginn der Krise schnell reagiert. Deshalb an dieser Stelle erstmal ein Lob an die Politik. In welcher Geschwindigkeit Maßnahmen ergriffen und umgesetzt worden sind, das ist schon beispielhaft. Da muss man dankbar sein. Dank des Kurzarbeitergeldes können viele Arbeitsplätze erhalten werden. Die Soforthilfe hat vielen Unternehmen sehr geholfen. Der Staat hat Steuern und Vorauszahlungen gestundet – die müssen natürlich später zurückgezahlt werden. Ob das alles ausreicht, kann man jetzt aber noch nicht sagen. Das hängt vor allem vom weiteren Verlauf der Pandemie ab, die uns wohl länger belasten wird, als viele anfangs erwartet hatten. Man muss sich weiter herantasten.

Wo sehen Sie Schwächen bei der Konzeption der Hilfsprogramme?

Im Vergleich zu den ersten Programmen ist in der zweiten Runde an einigen Stellen nachgebessert worden. Der Fördertopf wurde deutlich ausgeweitet, weil man festgestellt hat, dass viele Unternehmen nicht in die ersten Programme passten. So wurde bei den neuen Überbrückungshilfen der Umsatzrückgang, den ein Unternehmen hinnehmen musste, verringert. Es gibt zudem keine Deckelung mehr, das heißt es kann nachträglich zu Rückzahlungen aber auch weiteren Erstattungen kommen. Die Fördersätze wurden erhöht, ebenso wie die Personalkostenpauschale. Das sind richtige Ansätze. Aber trotzdem wissen viele Unternehmer nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen, weil bislang kein Unternehmerlohn gezahlt wird, egal welcher Größenordnung.

Warum hat sich die Politik dagegen entschieden?

Ich habe das in meiner Funktion sowohl in Runden mit dem Bundeswirtschafts- als auch mit dem Bundesfinanzministerium diskutiert. Dort ist man aber nach wie vor der Auffassung, dass es Instrumente wie Hartz IV gibt, die in Anspruch genommen werden können.

Seit Beginn der Krise gibt es Klagen, dass die Banken bei der Vermittlung von KfW-Krediten nicht mitziehen. Sehen Sie hier eine Verbesserung?

Nein, ich sehe gar keine Verbesserung. Die massive Kritik an Banken ist nach wie vor gerechtfertigt. Bei den großen Konzernen werden die Hilfen einfach durchgewunken. Bei kleinen und mittleren Unternehmen hingegen fordern die Banken immer wieder Unterlagen und Belege an, die zeigen sollen, ob das Unternehmen noch eine Existenzberechtigung hat. Das gilt auch für langjährige Kunden, die über Jahrzehnte gut gewirtschaftet haben. Es wird bei der Kreditvergabe gezögert, obwohl das Haus lichterloh brennt und den Unternehmen Liquidität fehlt.

Die Banken wollen am Ende der Krise aber auch nicht auf einem Haufen fauler Kredite sitzenbleiben?

Das Risiko wird dadurch gemildert, dass von Seiten des Staates eine Haftungsfreistellung von 90 Prozent zugestanden wird. Es ist also überschaubar.

Das Insolvenzrecht ist vorübergehend deutlich gelockert worden. Sie sehen das kritisch, warum?

Sicherlich hilft das vielen Unternehmen und hält sie während der Krise am Leben. Aber auch die, die vor der Krise schon Schlagseite hatten, werden erhalten. Das birgt die Gefahr eines noch größeren Schadens für die Allgemeinheit.

Inwiefern?

Der Schaden besteht darin, dass die Verbindlichkeiten deutlich höher werden als wenn das Unternehmen Insolvenz anmelden muss oder hätte machen müssen. Wenn dann die Forderungen der Gläubiger abgeschrieben werden müssen, ist das negativ für das Steueraufkommen. Muss man sich also genau ansehen, wer von der Regelung profitiert und ob dies sinnvoll ist.

Deutschland hatte zehn Jahre eine Phase der Hochkonjunktur. Warum ist die Kapitaldecke bei vielen Firmen trotzdem so gering?

Der deutsche Mittelstand hat in weiten Teilen einen hohen Eigenkapitalanteil. Diese Unternehmen werden mit eigener Kraft aus der Krise kommen. Aber in den schwer betroffenen Branchen sind viele dazu nicht mehr in der Lage. Es gibt aber auch Fälle, in denen Inhaber hohe Summen aus dem Unternehmen entnommen haben für das private Konto. Dieses Geld müsste nun wieder an das Unternehmen zurückfließen oder unbelastete Immobilien belastet werden, um die Liquidität der Firma zu sichern. Aber es wurde vielfach über die Verhältnisse gelebt. Ich kritisiere schon lange, dass das Entnahmeverhalten bei der Gewährung der Hilfen bislang nicht berücksichtigt wird.

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Das Image der Steuerberater hat im Zuge des Wirecard-Skandals aber auch nach der Cum-Ex-Affäre deutlich gelitten. Spüren Sie das?

Schauen wir zuerst auf Wirecard: Aktuell liegen aufgrund der Verschwiegenheitspflichten überhaupt keine gesicherten Erkenntnisse vor, was genau passiert ist. Bislang gibt es nur Mutmaßungen. Auch deshalb habe ich mich für einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages ausgesprochen. Bei Cum Ex war ich von Anfang an der Auffassung, dass dies keine Steuerverkürzung ist, sondern eindeutig Steuerhinterziehung. Man muss aber auch wissen, dass es nur einen Steuerberater gab, der bei Cum-Ex eingebunden war. Es waren vor allem die Banken und großen Kanzleien federführend. 99 Prozent der steuerberatenden Berufe wenden so etwas nicht an. Wir sind dem Gemeinwohl verpflichtet.