Im Kölner Stadtteil Marienburg legten Marc, Oliver und Alexander Samwer den Grundstein für ihren großen Erfolg.
Mit Ebay-Klon und Jamba reichDie Geschichte hinter den Milliarden der Kölner Samwer-Brüder
1998. Nur 4,8 von 82 Millionen Deutschen besitzen Zugang zum Internet. Im noblen Kölner Stadtteil Marienburg sitzen die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer mit Geschäftspartnern zusammen und gründen das Unternehmen Alando. Sie sind 27, 26 und 23 Jahre alt. Gut zwei Jahrzehnte später schätzt das „Manager Magazin“ das Vermögen der Samwer-Brüder auf 2,2 Milliarden Euro.
Die Samwers haben Berlin erst zum Gründerbrennpunkt gemacht
Kaum andere Personen haben die deutsche Start-up-Szene so stark geprägt wie die Samwers, die behütet in wohlhabender Familie in Köln aufwachsen und hier das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium besuchen, später aber Berlin zum Gründerbrennpunkt machen, der er heute ist. In einem neuen Podcast der Plattform OMR geht der Journalist Florian Rinke jetzt der Geschichte der Brüder nach, spricht mit Mitgründern, ehemaligen Mitarbeitern und Geldgebern – und versucht, das Dickicht aus Firmen, Beteiligungen, persönlichen Netzwerken und finanziellen Abhängigkeiten der umstrittenen Samwers zu durchdringen.
Schnell wird beim Hören der ersten zwei von geplanten zehn Folgen klar: Der große Treiber des Erfolgs ist der mittlere Bruder Oliver. Er sucht intensiv nach einer zündenden Geschäftsidee – und findet sie. Wobei er keine eigene Idee hat, sondern ein sehr erfolgreiches Unternehmen kopiert: Ebay, damals in Deutschland noch ohne eigenes Geschäft.
Auktion von Alando: Ein Ferrari ab 1 Euro
Also gründen die Samwers mit drei weiteren Geschäftspartnern Alando. Die Seite funktioniert wie Ebay, sieht aus wie Ebay – und macht mit besonderen Auktionen wie einem Ferrari mit einem Startgebot von einem Euro aggressiv Werbung für sich. Alando-Mitgründer Jörg Rheinboldt erzählt von dieser Zeit im Podcast: Das Auto eines Freundes ist deutlich mehr als 100.000 Euro wert, der Preis liegt noch am letzten Tag der Versteigerung bei unter 30.000 Euro. Und die Alando-Gründer haben dem Freund einen bestimmten Preis versprochen. Wird er nicht erzielt, müssen sie das Geld der Investoren dafür verwenden, den Freund auszuzahlen.
Es geht gut aus, auch mit Alando: Ebay-Gründer Pierre Omidyar kommt persönlich nach Berlin, um Alando zu kaufen. Ebay-Aktien im Wert von 90 Millionen D-Mark gehen an die Samwers und ihre Mitgründer. Alando ist da gerade mal ein halbes Jahr alt.
Mit Jamba verdienen die Samwers am Taschengeld von Kindern
Die Samwers gründen Jamba und bringen Klingeltöne wie den Crazy Frog auf den Markt und in die Werbepausen der Musiksender MTV und Viva. Damit brennt sich Jamba leidvoll in die Erinnerungen vieler Millennials. Und gerne greift Oliver Samwer zu Tricks, berichtet ein Ex-Mitarbeiter. Als 2002 die Umstellung auf den Euro ansteht und aus einer D-Mark grob ein halber Euro wird, weist er demnach seine Leute an, den Preis für einen Klingelton von 99 Pfennig auf 1,99 Euro zu vervierfachen – die Leute würden ja eh nicht verstehen, was gerade passiert. Mit Erfolg, der Umsatz verdreifacht sich.
Jamba gilt als gefährlich für Jugendliche, zieht ihnen mit Klingelton-Abos das Geld aus der Tasche. Die Samwers werden als Verbrecher und Betrüger beschimpft. Sie selbst werden noch reicher: Der US-Konzern Verisign kauft Jamba 2004 für 273 Millionen US-Dollar.
Jeden Montag erscheinen zwei weitere Folgen des aufwändig produzierten Podcasts auf den gängigen Plattformen. Dann wird Florian Rinke sich auch Rocket Internet vornehmen, das Beteiligungsunternehmen der Samwers, mit dem sie viele Start-ups finanzieren, die heute große Namen sind: Zalando, Hello Fresh, Delivery Hero, Home24, Westwing. 2014 geht Rocket Internet an die Börse, schafft es 2018 gar in den MDax – zieht sich 2020 jedoch zurück. Sehr zum Ärger der Anleger, denn das Unternehmen ist nur knapp halb so viel wert wie sechs Jahre zuvor.
2023. Oliver Samwer, der auf Rinkes Anfragen nicht reagierte, hat sich von Rocket Internet gerade eine Dividende in Höhe von 260 Millionen Euro auszahlen lassen. „Ich bin der aggressivste Typ im Internet auf dem Planeten“, schrieb er schon 2011 in einer E-Mail an Angestellte. „Ich werde sterben, um zu gewinnen, und ich erwarte das Gleiche von Euch!“