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Einigung im Glyphosat-StreitBayer zahlt bis zu 9,8 Milliarden Euro an US-Kläger

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Bayer-Werk Bayerkreuz

Bayerkreuz am Leverkusener Stammsitz

Leverkusen – Die Nachricht aus Leverkusen ließ die Bayer-Aktie am Mittwochabend im nachbörslichen Handel in die Höhe schnellen: Mit einer Zahlung von bis zu 10,9 Milliarden Dollar (9,8 Milliarden Euro) entledigt sich der Konzern eines Großteils der Klageverfahren rund um mögliche Krebsrisiken seines glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup in den USA. Darüber hinaus einigt sich der Agrochemieriese auch bei Rechtsstreitigkeiten um das Pflanzengift Dicamba und PCB-Verunreinigungen in Gewässern bei – dafür zahlt er weitere bis zu 400 Millionen Dollar beziehungsweise etwa 820 Millionen Dollar an die Kläger.

Viele Ansprüche ungeklärt

Mit der dreifachen Einigung überrascht Bayer auch Analysten und Investoren. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, bezeichnete das Ergebnis im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ als „Befreiungsschlag, auf den alle gewartet haben“. Das Unternehmen habe die Verfahrenskomplexe gut gemanagt. „Für Bayer ist es ein wichtiger Meilenstein, um in ruhigeres Fahrwasser zu kommen und sich auf das operative Geschäft zu konzentrieren“, sagte Tüngler.

Um die aktuellen Glyphosat-Verfahren beizulegen, zahlt Bayer 8,8 bis 9,6 Milliarden Dollar – dies deckt sowohl bereits unterzeichnete Vereinbarungen ab als auch solche, die noch verhandelt werden. Die Bandbreite spiegle außerdem die Tatsache wider, dass die Klärung der Ansprüche in vielen Fällen noch ausstehe. Dabei gehe es größtenteils um Fälle, die auf TV-Werbung der Kanzleien zurückzuführen sind und bei denen Klägeranwälte nur wenige oder gar keine Informationen zum medizinischen Zustand ihrer Mandanten zur Verfügung haben.

Bayer-Angaben zufolge werden damit rund 75 Prozent der Glyphosat-Verfahren beigelegt – es handle sich um etwa 125 000 eingereichte und nicht eingereichte Klagen sämtlicher Klägeranwaltskanzleien, die sich an den gesammelten Verfahren auf Bundes- und Staatsebene beteiligt haben. Bei weiteren Klagen dauern die Verhandlungen demnach weiter an, die jetzt getroffene Einigung begründe auch Leitlinien für deren Beilegung, teilte Bayer mit.

1,25 Milliarden Dollar für potenzielle Verfahren

Auch für die Beilegung künftiger Klagen sei ein Mechanismus eingerichtet worden. Für diese potenziellen Verfahren stellt Bayer 1,25 Milliarden Dollar bereit. Die Vereinbarung über mögliche weitere Verfahren bedarf aktuell noch der Zustimmung eines kalifornischen Richters. Kommt sie tatsächlich zustande, entscheidet künftig ein unabhängiges Wissenschaftsgremium über die Zulässigkeit von Klagen: Zunächst soll das Gremium entscheiden, ob Roundup jenen Krebs verursachen kann, der im Zentrum des Rechtsstreits stand. Falls dem so ist, entscheidet es auch darüber, in welchem Maße Kläger dem Mittel ausgesetzt gewesen sein müssen, um Ansprüche geltend machen zu können.

Die Leverkusener müssten demnach trotz ihrer festen Überzeugung, dass Glyphosat sicher ist, akzeptieren, dass der Wirkstoff Krebs verursacht, falls das Gremium so entscheidet. Schließlich sind alle Parteien an dessen Urteil gebunden. Bayer begrüßte indes, dass diese „Entscheidung anstelle von Jury-Verfahren wieder in die Hände sachkundiger Wissenschaftler gegeben“ wird.

Drei Verfahren ausgeklammert

Vorstand und Aufsichtsrat von Bayer genehmigten dem Unternehmen zufolge die Vereinbarungen einstimmig: „Sie enthalten keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens“, betonte Bayer in der Mitteilung. „Ich bin erleichtert, dass diese Zeit der Unsicherheit vorbei ist“, sagte Vorstandschef Werner Baumann in einer Telefonkonferenz mit Journalisten: „Leider müssen wir sehr viel Geld für ein Produkt zahlen, das komplett sicher ist.“ Der Vergleich sei aber „die effizienteste und wirtschaftlich sinnvollste Lösung für das Unternehmen, die Aktionäre und alle anderen Stakeholder“, so Baumann.

Ausgeklammert aus der Einigung sind zudem die Fälle Johnson, Hardeman und Pilliod, in denen Bayer jeweils erstinstanzlich zu Schadenersatzzahlungen in Höhe von bis zu 87 Millionen Dollar verurteilt wurde. In jedem dieser Verfahren hat der Leverkusener Konzern Berufung gegen das Urteil eingelegt und ist gewillt die Instanzen zu durchlaufen: „Der weitere Prozessverlauf ist für das Unternehmen wichtig, weil die Berufungsverfahren rechtlich eine Orientierung für mögliche künftige Verfahren geben werden“, begründete Bayer die Entscheidung.

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Die Leverkusener gehen davon aus, noch in diesem Jahr die ersten fünf Milliarden Dollar im Rahmen der Vergleiche zu zahlen. Der gleiche Betrag werde 2021 gezahlt, der Restbetrag ein Jahr später. Finanzvorstand Wolfgang Nickl schloss aus, dass Bayer Jobs streichen werde, um die Einigung zu finanzieren. Der Konzern will stattdessen auf die bestehende Liquidität, künftige Gewinne und zusätzliche Anleiheemissionen zurückgreifen. Darüber hinaus nutzen die Leverkusener Einnahmen in Höhe von 7,6 Milliarden Dollar aus dem Verkauf der Tiermedizin-Sparte. Bayer kündigte zudem an, auch künftig die volle Dividende zahlen zu wollen.