Schwache Absatzzahlen, Börsenkurse im Sinkflug und zahlreiche Insolvenzen - die Euphorie für Elektromobilität erlebt einen Dämpfer. Es wird sogar wieder mehr in Verbrennermotoren investiert.
Nach e.Go-Pleite in AachenAuf den E-Auto Hype folgt Ernüchterung in ganzer Branche
Nach der langanhaltenden Euphorie folgt nun offenbar die Ernüchterung. Nach starken Absatzzahlen und Höhenflügen mit Traum-Kursen an der Börse ist die Stimmung bei der Elektromobilität mittlerweile deutlich gedämpft. In den vergangenen Monaten sind gleich eine Reihe von E-Auto-Pionieren ins Schlingern geraten. Und für dieses Jahr erwarten Experten eine harte Auslese auf dem Markt.
Erneut weniger Elektroautos im März
Blickt man auf Deutschland, so nimmt die Zahl der neu zugelassenen Batterie-Pkw (BEV) nach dem Wegfall der staatlichen Förderung Ende 2023 deutlich ab. Im März kamen lediglich rund 31.400 neue Pkw mit batterieelektrischem Antrieb auf die Straße, wie das Kraftfahrt-Bundesamt mitteilte. Das waren fast 29 Prozent weniger als im März des Vorjahres. Im gesamten ersten Quartal dieses Jahres ging die Zahl der neu zugelassenen E-Autos dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge um 14 Prozent zurück.
Eine Trendwende ist vorerst nicht in Sicht. Denn nach wie vor sind Elektroautos insbesondere für viele Privatleute kostspieliger als Verbrenner. Weil die Batterien lange Zeit für die Hersteller besonders teuer waren, wurden sie vor allem in größeren und damit insgesamt höherpreisigen Modellen verbaut. Für Kleinwagen rechnete sich der E-Antrieb meist nicht.
Studie: Verbrenner hoch im Kurs
Und so liegen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bei Autofahrerinnen und Autofahrern auch weiterhin hoch im Kurs. Demnach würden bei einem Autokauf 68 Prozent der Befragten einen Verbrenner einem E-Auto vorziehen (2023: 72 Prozent). Dies geht aus einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Targobank hervor.
Blickt man auf den weltweiten Absatz von Stromern, so wuchs der Absatz von E-Autos global um 30 Prozent. Eingerechnet sind hier aber auch Plug-in-Hybride. Im Vorjahr waren es noch stolze 54 Prozent.
Dementsprechend reagieren die Autobauer weltweit. Die Hersteller würden ihre Investitionen in die Elektromobilität überdenken und wieder mehr Geld in die Weiterentwicklung des Verbrenners stecken, sagt Verkehrsexperte Constantin Gall von der Beratung EY. Große Player wie VW, Ford und GM haben längst ihre E-Auto-Produktion gedrosselt. Sie haben den Vorteil, mit ihrem traditionellen Verbrennergeschäft den Wegfall zu kompensieren. Reine E-Auto-Hersteller können das nicht – und kommen deshalb in Bedrängnis.
In Deutschland gehört das Münchner Start-up Sono dazu, das ein günstiges Elektroauto bauen wollte, das neben der Batterie auch durch Solarpaneelen am Auto betrieben werden sollte. Nach dem Gang an die New Yorker Börse, folgte im vergangenen Jahr die Pleite.
Aachener E-Pionier eGo pleite
In der Region musste der Aachener E-Autobauer eGo jüngst erneut Insolvenz anmelden. Das Unternehmen war 2015 von dem RWTH-Professor Günther Schuh gegründet worden. Kleine, günstige Stadtautos wollte das Start-up in Serie bauen – aber immer wieder gab es Schwierigkeiten. In der Corona-Pandemie musste eGo wegen massiver Lieferengpässe das erste Mal Insolvenz anmelden. Ein Investor stieg ein, Gründer Schuh verließ das Unternehmen. Beim Neustart setzte man auf Geld von der Börse. Notiert wurde die Aktie an der Nasdaq in New York. Nun aber erneut die Pleite.
Sehr viel größere Räder drehen derweil die Konkurrenten aus den USA und China. Der Branchenprimus Tesla macht sich seinen Vorsprung als E-Pionier zunutze. War er viele Jahre von wenigen und schwachen Konkurrenten umgeben, konnte Tesla mit hohen Preisen für seine Modelle gute Gewinne abschöpfen. Nun hat der Musk-Konzern harte Konkurrenz. Etablierte Konzerne wie VW und neue Anbieter kämpfen auf dem Markt um Kunden. Um den Absatz zu stützen, zettelte Tesla 2023 eine globale Rabattschlacht an — was den Druck auf alle Anbieter erhöht hat.
Vor allem die kleineren Newcomer haben damit mittlerweile erhebliche Probleme. Zum einen ist ihr Volumen gering und so bleiben die Stückkosten hoch. Das geringe Volumen führt zudem dazu, dass die Unternehmen keine günstigen Rahmenverträge mit Zulieferern abschließen können. Das zweite Problem ist das Know-how. Etablierte Autobauer arbeiten mit großen Teams an neuen Technologien und haben zudem für den Vertrieb ein breites Händlernetz.
Aus für viele US-Hoffnungsträger
Und so sind mittlerweile US-Hoffnungsträger wie das Start-up Lordstown, das Elektro-Pick-ups für den Massenmarkt herstellen wollte, ebenso insolvent wie Proterra, US-Elektrobus- und Batteriehersteller oder der amerikanische Lastwagenbauer Volta Trucks. Fisker, 2016 in den USA von Autodesigner Henrik Fisker gegründet, versucht aktuell eine drohende Insolvenz noch abzuwenden. Rivian galt lange Zeit als einer der stärksten Tesla-Herausforderer, schreibt aber weiterhin mit jedem verkauften Auto rote Zahlen. Neben Pick-up-Trucks und SUVs baut Rivian E-Lieferwagen.
Auch das vom ehemaligen Tesla-Manager Peter Rawlinson gegründete Start-up Lucid, kämpft mit dem Aufbau der Produktion. Das US-Unternehmen hat erst einige Tausend Luxus-Elektrolimousinen verkauft und macht hohe Verluste.
Vor allem der chinesische Konzern BYD konnte sich dagegen im schwierigen Umfeld behaupten. Es löste zuletzt Tesla als größten E-Auto-Bauer ab: Im Jahr 2023 verkaufte BYD fast so viele Elektro- und Hybridfahrzeuge wie in den vergangenen fünf Jahren zusammengenommen. Aber auch konnte der Konzern seinen Gewinn durch den Preiskampf am Markt zuletzt nur noch langsamer steigern.
Die Quittung für die gesamte Marktentwicklung kam jüngst von der Börse. Die Zeiten, in denen Rivian an der Börse wertvoller war als der deutsche Autobauer Volkswagen, dürften erstmal vorbei sein. War E-Mobilität lange im Hype, folgte nun die Marktbereinigung.