Der Ford-Chef spricht über die Enttäuschung nach der Explorer-Verschiebung, vier neue Autos und wie es beim Stellenabbau in Köln weitergeht.
Interview mit Martin SanderKölner Ford-Chef: „Im Juni startet die Explorer-Produktion“
Herr Sander, für Ford war 2023 ein Jahr voller Höhen und Tiefen. Euphorie bei der Eröffnung des umgebauten Werkes und Vorstellung des ersten Kölner E-Autos. Dann die Verschiebung des Explorers wegen einer Anpassung des Batteriestandards um mehr als ein halbes Jahr. Wie ist die Stimmung im Werk?
Die Entscheidung der Verschiebung war eine große Enttäuschung, das ist doch klar. Die Belegschaft war vorbereitet, und hatte sich gefreut, ein neues Auto zu bauen. Da besteht natürlich auch eine emotionale Bindung. Im Moment sind wir aber an einem Punkt, wo die Zuversicht und die Freude auf den Explorer wieder zurückgekehrt sind. Der Hochlauf ist greifbar.
Wann baut Ford in Köln wieder Autos?
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Ab März kann man das neue Modell bestellen. Im Juni startet die Serienproduktion, und wir werden erste Explorer voraussichtlich im August an die Kunden ausliefern.
Womit beschäftigen Sie denn derzeit die Mitarbeiter in der Produktion?
Wir bauen Explorer Vorserienmodelle für Messen und die Showräume der Händler. Nach Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in allen Fertigungsbereichen wird die Belegschaft zudem weiter intensiv geschult, damit wir nach dem Produktionsstart einen möglichst schnellen Hochlauf im Volumen haben können. Aber natürlich können wir die Kapazitäten derzeit nicht vollständig auslasten, und diese Überbrückungsphase ist schwierig für alle Beteiligten. Das gilt auch für unsere Händler, die im Vorfeld schon eine große Resonanz von Kunden auf das neue Modell hatten.
Wie teuer wird denn der Explorer? Bislang hieß es immer unter 45.000 Euro. Und welche Reichweite wird er haben?
Dazu bis jetzt nur so viel: es wird ein attraktiver Preis im Wettbewerbsumfeld. Die Reichweite wird sehr gut sein. In einigen Varianten wird die erste Ziffer eine sechs sein.
Wäre es nicht sinnvoll gewesen, den Fiesta noch etwas länger laufen zu lassen?
Hätten wir die Explorer-Entscheidung deutlich früher getroffen, hätten wir den Fiesta grundsätzlich noch etwas länger laufen lassen können. Irgendwann wären sich dann aber der Bau des Fiesta und der Aufbau der Explorer-Linie ohnehin in die Quere gekommen.
Wann soll denn das zweite Kölner E-Auto an den Start gehen?
Auch in diesem Jahr. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen, außer, dass wir bei der internen Vorstellung von unseren Händlern Standing Ovations bekommen haben (lacht). 2024 wird zudem die neue Version des Ford Kuga aus Valencia an den Start gehen. Das Modell ist der meistverkaufte Plug-in-Hybrid in Europa über alle Segmente. Wir erneuern den Puma aus Craiowa und bringen darüber hinaus eine rein elektrische Variante des Puma auf den Markt. Zudem führen wir den Courier als Tourneo, also als Pkw-Variante ein. Das ist ein sehr praktisches und erschwingliches Fahrzeug. Und wir importieren die neue Generation des ikonischen Mustang als Verbrenner in mehreren Varianten – auch in einer sehr sportlichen mit 800 PS.
Braucht Ford nicht auch wieder ein kleines, günstiges E-Auto im Angebot?
Das haben wir mit dem elektrischen Puma, der demnächst auf den Markt kommt. Er ist deutlich kleiner als der Explorer und auch deutlich günstiger. Noch kleinere E-Autos rechnen sich aufgrund der derzeitigen Batteriekosten noch nicht.
Man hat den Eindruck, dass der Import von Ikonen wie Mustang oder Bronco immer stärker für Ford in Europa an Bedeutung gewinnt und weniger die Entwicklung neuer, eigener europäischer Modelle?
Ford hat hervorragende globale Produkte. Warum sollten wir die nicht auch den europäischen Kunden anbieten? Aber natürlich sind das bislang vergleichsweise kleine Volumina.
Im Gegensatz dazu laufen viele europäische Modelle demnächst aus und neue Autos sind nicht in der Pipeline?
Wir bringen in diesem Jahr allein vier neue Modelle auf den Markt, die in den nächsten Jahren unsere Werke auslasten und die Beschäftigung sichern. Damit sind wir gut ausgestattet.
Wird es denn ein weiteres europäisches E-Auto auf einer Ford-eigenen Plattform aus dem Werk im spanischen Valencia geben?
Valencia ist sicher unsere erste Wahl für ein weiteres E-Modell, das wir nach Europa bringen. Aber es gab und gibt keine finale Entscheidung. Der Markt für E-Mobilität wächst zwar, aber die anfängliche Euphorie und die Wachstumsraten, die erwartet wurden, treffen so nicht ein. Deshalb lässt man sich mit solchen Entscheidungen erstmal Zeit – auch vor dem Hintergrund der rasanten Veränderung der Technik und Software.
Der Wettbewerb ist deutlich härter geworden, immer mehr Anbieter drängen mit E-Modellen auf den europäischen Markt. Was setzt Ford dem entgegen?
Die Entwicklungszyklen haben sich extrem beschleunigt, ebenso wie Zahl der neuen Player von Tesla bis zu den neuen chinesischen Anbietern, die man bis vor kurzem gar nicht kannte. Heute ist ein Tesla-Modell, das meistverkaufte Auto der Welt in allen globalen Märkten. Darauf muss man sich einstellen und reagieren.
Wie genau?
Indem wir uns als Ford darauf besinnen, was wir am besten können. Das sind unsere amerikanischen Wurzeln, die Kraft unserer Marke und unsere Kompetenz in Bereichen wie Digitalisierung und Software. Dazu gehören aber auch unsere erfolgreichen Nutzfahrzeuge. Und natürlich auch das langjährige Vertrauen unserer Kunden in unsere Marke und unsere Organisation. Bei uns können sich die Kunden darauf verlassen, dass ihnen schnell geholfen wird, wenn mit ihrem Wagen etwas nicht in Ordnung ist. Deswegen konzentrieren wir uns auf diese Stärken und bauen sie weiter aus.
Sind Sie mit einem Marktanteil vier Prozent in Europa zufrieden?
Nein. Aber die Zeiten, in denen wir uns als Vollsortimenter und Volumenhersteller gesehen haben, sind vorbei. Wir setzen nur noch auf die Segmente, die zur Marke passen und die wirtschaftlich erfolgreich sind.
Im zweiten deutschen Werk in Saarlouis, von dem Ford sich trennen möchte, ist im vergangenen Herbst der Investor abgesprungen. Wie geht es an der Saar weiter?
Wir haben Gespräche mit Ankerinvestoren geführt, die Interesse hatten, das gesamte Werk mit der Belegschaft zu übernehmen. Nach der Absage haben wir uns entschieden, in das Thema Sozialplanverhandlungen einzusteigen. Zusammen mit der Landesregierung arbeiten wir zudem daran, auf dem Areal andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu entwickeln. Wir haben uns verpflichtet, 1000 der 3850 Mitarbeitenden weiterzubeschäftigen. Jetzt geht es darum, Unternehmen anderer Branchen dort anzusiedeln, um möglichst viele Jobs zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass wir dabei in den kommenden Monaten Fortschritte machen werden.
Ford baut in der Produktentwicklung und Verwaltung in den Jahren 2023 bis Ende 2025 viele Stellen ab. Finden sich noch genug Leute, die gehen?
Ja, wir sind da gut unterwegs. Die Maßnahmen, die wir mit dem Betriebsrat vereinbart haben, sind offensichtlich für die Belegschaft attraktiv. Und es sieht gut aus, dass wir unsere Ziele erreichen.
Wo steht Ford Köln in fünf Jahren?
In fünf Jahren werden wir viele attraktive Autos erfolgreich verkaufen. Alle Modelle, die wir jetzt einführen, sind in fünf Jahren ja noch auf dem Markt. Und wir werden wahrscheinlich große Fortschritte gemacht haben, unsere Marke stärker als die ikonische Lifestyle-Marke zu positionieren.
Zur Person: Martin Sander (56) ist seit Juni 2022 Chef von Ford Deutschland und als General Manager bei Ford Europa für die Elektrifizierung verantwortlich. Geboren in Hildesheim, studierte Sander Maschinenbau an der TU Braunschweig. Er begann seine Laufbahn 1995 bei Audi und arbeitete 25 Jahre für den VW-Konzern, zuletzt als Europa-Vertriebschef für Audi. Zuvor hatte er verschiedene Führungspositionen in Europa und Nordamerika. Der Diplom-Ingenieur ist verheiratet und hat zwei Töchter. (cos)