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EU-Zölle auf chinesische E-AutosDeutschland auf Peking-Kurs?

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ARCHIV - 26.02.2024, Bremen, Bremerhaven: Zahlreiche Neuwagen des Modells Dolphin vom Autohersteller BYD stehen im BLG Auto Terminal Bremerhaven. (zu dpa: «Streit mit China: EU-Staaten machen Weg für Auto-Zölle frei») Foto: Lars Penning/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Nach Angaben von EU-Diplomaten profitieren viele Hersteller in China von Steuervergünstigungen und erhalten Lithium-Ionen-Akkus deutlich unter dem Marktpreis.

Am Freitag fällt die Entscheidung über Ausgleichszölle auf Elektroautos aus China. Bundeskanzler Scholz sieht die Zölle schon länger skeptisch und will nicht zustimmen.

Sind Strafzölle Brandbeschleuniger oder Lösung für die Krise der europäischen Autoindustrie? An dieser Frage scheiden sich in Brüssel die Geister, wenn am Freitag über mögliche Strafzölle der EU auf chinesische Elektroautos abgestimmt wird. Die EU-Kommission hatte nach umfangreichen Berechnungen und Konsultationen mit chinesischen Herstellern einen Zollsatz von bis zu 35 Prozent zusätzlich zum Standardzoll von 10 Prozent vorgeschlagen. Hintergrund sind massive Subventionen der Regierung in Peking für die Produktion chinesischer Elektroautos.

Nach Angaben von EU-Diplomaten profitieren viele Hersteller in China von Steuervergünstigungen und erhalten Lithium-Ionen-Akkus deutlich unter dem Marktpreis. Ausgleichszölle der EU sollen diese Nachteile gegenüber europäischen Automobilkonzernen wettmachen, doch nicht alle in Europa befürworten die Zölle. „Ein Votum der EU-Staaten, ab Ende Oktober hohe zusätzliche Zölle auf E-Autos aus China zu erheben, wäre ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“, warnt die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Das Risiko eines globalen Handelskonfliktes würde dadurch steigen.

Wenn sich an diesem Vormittag Vertreter der EU-Staaten in Brüssel treffen und über die Zölle abstimmen, wird ein knappes Ergebnis erwartet. Sollte sich keine qualifizierte Mehrheit, also 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung, gegen die Zölle aussprechen, treten sie in Kraft. Die deutsche Automobilindustrie befürchtet Vergeltungsmaßnahmen und müsste zudem selbst höhere Zölle zahlen, wenn sie ihre in China produzierten Autos nach Europa importiert.

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VDA-Chefin Müller forderte daher die Bundesregierung auf, die Zölle abzulehnen. „Eine Enthaltung ist keine Option“, sagt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Der potenzielle Schaden, der von Ausgleichszöllen ausgehen könnte, ist zudem voraussichtlich höher als der mögliche Nutzen einer zunehmenden Marktabschottung für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie.“

EU-Autozölle gegen China: Scholz entscheidet für Nein

Nach Unstimmigkeiten in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat nun offenbar Bundeskanzler Olaf Scholz über die deutsche Position entschieden. Aus grünen Regierungskreisen hieß es, der SPD-Politiker habe beschlossen, dass die Bundesregierung bei der Abstimmung gegen die Zölle stimmen werde. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe dies akzeptiert. Damit nimmt Scholz angesichts von Differenzen der Koalitionspartner das letzte Wort für sich in Anspruch. Es hieß in Berlin auch, dass Scholz so seine Richtlinienkompetenz nutze. Vor zwei Jahren setzte Scholz so einen kurzfristigen Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke um einige Monate durch. Ein Regierungssprecher wollte sich am Donnerstagabend aber nicht zum Abstimmungsverhalten äußern.

Innerhalb der Ampelkoalition war bis zuletzt umstritten, wie Deutschland in Brüssel abstimmen soll. Eigentlich enthält sich Deutschland bei Uneinigkeit der Regierungsparteien, so steht es im Koalitionsvertrag. In diesem Fall würde eine Enthaltung aber als Jastimme zu den Zöllen gewertet, weshalb der VDA Druck machte. Bei einer Probeabstimmung vor einigen Wochen hatten sich auch viele andere Staaten enthalten. Berlin versuchte zuletzt, diese Länder für eine Neinstimme zu gewinnen. Erfolgreich war das aber wohl nicht, sagen Diplomaten. Der Grund: Viele Staaten enthalten sich nur, um nicht zur Zielscheibe chinesischer Vergeltungsmaßnahmen zu werden, befürworten aber die Zölle.

EU-Politiker Daniel Caspary warnt die Bundesregierung davor, sich dem Druck zu beugen und den Zöllen nicht zuzustimmen. „Es wäre ein großer Schaden, wenn Deutschland bei dieser wichtigen Frage der Europäischen Kommission in den Rücken fällt“, sagt er dem RND. „Wer sich nach den Erfahrungen mit der Solarindustrie nun auch bei Elektroautos von China erpressen lässt, der sendet ein fatales Signal für den Industriestandort Deutschland.“ Bereits 2013 hatte die EU mit China verhandelt, als chinesische Solaranlagen zu Dumpingpreisen den europäischen Markt überschwemmten. Um Zölle zu vermeiden, wurden Mindestpreise vereinbart, die jedoch ihre Wirkung verfehlten. Unternehmen der Solarindustrie meldeten reihenweise Insolvenz an.

Nach RND-Informationen hat die chinesische Regierung in den letzten Wochen mit Hochdruck Gespräche in den europäischen Hauptstädten geführt, um einzelne EU-Staaten umzustimmen und eine Anti-Zoll-Koalition zu schmieden. „Wie schon so oft in der Vergangenheit lassen sich die EU-Staaten spalten“, kritisiert Anna Cavazzini, Vorsitzende des EU-Binnenmarktausschusses. „Es ist ein schwerer Fehler, dass auch Olaf Scholz die chinesische Sicht übernimmt und sich gegen die Zölle ausspricht“, sagt sie dem RND. Aus ihrer Sicht sei zudem der Druck aus China auf deutsche Automobilhersteller groß, die um den chinesischen Marktzugang fürchten. Immerhin verkauft die deutsche Automobilindustrie 100-mal mehr Autos in China als China in Deutschland.

Die Lobbyarbeit der Regierung in Peking sei in Deutschland offensichtlich erfolgreich. „Chinas Warnungen vor Vergeltungszöllen sind eine dreiste Drohgebärde, die uns einschüchtern soll“, macht sie deutlich. China werde vielleicht symbolisch ein oder zwei EU-Produkte mit Zöllen belegen, aber nicht im großen Stil. Die Grünen-Politikerin verweist auf die USA, die Zölle von 100 Prozent auf chinesische Elektroautos eingeführt haben. Dort habe es auch keine Welle von Vergeltungszöllen gegeben.

Die Zölle werden auch als mittelfristiges Ziel gesehen, um der europäischen Automobilindustrie aus der Krise zu helfen. Sie würden den Unternehmen Zeit verschaffen, um günstigere und konkurrenzfähigere E-Autos zu entwickeln. Zuletzt hatten Automobilkonzerne in Europa Werksschließungen ins Spiel gebracht, nachdem es für ihre hochpreisigen E-Autos aus dem Premiumsegment kaum Nachfrage gab.

Nach der Abstimmung am Freitag hat China noch bis Ende des Monats Zeit, die Zölle durch Verhandlungen abzuwenden. Eine Verhandlungslösung sei weiterhin das bevorzugte Ziel, so CDU-Politiker Caspary. Sollten diese Gespräche jedoch nicht zu einer fairen Lösung führen, müsse die Marktverzerrung durch Ausgleichszölle beseitigt werden.