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FilialverkaufWarum Mercedes auch im Kölner Raum alle werkseigenen Autohäuser loswerden will

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Betriebsversammlung bei der Mercedes-Benz-Niederlassung Leverkusen mit Beschäftigten aus Leverkusen, Porz, Pulheim und Frechen sowie der IG Metall.

Betriebsversammlung bei der Mercedes-Benz-Niederlassung Leverkusen im Februar 2024

Mercedes-Benz will all seine Werksautohäuser veräußern. Auto-Experte Stefan Bratzel ordnet ein, warum der Autobauer seine Werksfilialen loswerden möchte.

Mercedes vertreibt seine Autos über werkseigene Niederlassungen und über freie Händler. Der Autohersteller stellt nun seine unternehmenseigenen Niederlassungen in Deutschland auf den Prüfstand. Nach guten Erfahrungen in verschiedenen europäischen Märkten prüfe man jetzt auch hierzulande, wie man die konzerneigenen Autohäuser eigenständiger aufstellen könne, teilte das Unternehmen im Februar mit. Dabei sei auch ein Verkauf an erfahrene und renommierte Händlergruppen nicht ausgeschlossen.

Sie galten als vorbildliche Muster-Autohäuser

Aber warum trennt sich Mercedes von den Niederlassungen, die lange Zeit als vorbildliche Muster-Autohäuser galten? „In erster Linie sind es die niedrigen Renditen, die diese Werks-Niederlassungen erwirtschaften, teilweise machen sie sogar Verlust“, sagt Stefan Bratzel, Wirtschaftsprofessor und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Freie Autohändler seien in den meisten Fällen profitabler als die konzerneigenen Häuser. „Private Händler müssen an ihrer Wirtschaftlichkeit arbeiten, bei anhaltenden Verlusten gehen sie in die Pleite. Bei Werks-Niederlassungen werden die Verluste dagegen vom Konzern ausgeglichen“, sagt BWL-Professor Bratzel.

Ein Händler ist oft näher beim Kunden als ein Niederlassungsleiter
Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft, CAM

Ein weiteres Argument sei, dass in den freien Autohäusern in der Regel das Lohnniveau deutlich niedriger sei als in den konzernangehörigen. „Außerdem haben die privaten Autohäuser einen höheren Anreiz, Gewinne zu machen, als die schwerfälligen Niederlassungen. Ein Händler ist oft näher beim Kunden und hat tiefere Kontakte als ein Niederlassungsleiter“, sagt Bratzel. Gleichzeitig geht Mercedes mit der Veräußerung der eigenen Autohäuser ein gewisses Risiko ein. Über die Niederlassungen sei es einfacher, die Autos in den Markt zu bringen, die man möchte, und den Absatz auch über Tageszulassungen zu steuern. Händler hingegen suchten selbst aus, welche Modelle sie sich auf den Hof stellen.

Mercedes selbst begründet den möglichen Verkauf offiziell anders: „Der Mercedes-Benz AG geht es darum, den Erfolg des Vertriebs in diesem Umfeld langfristig zu bewahren. Daher wurde die Entscheidung getroffen, die Strukturen des Own Retail in Deutschland umfassend zu prüfen. Die Prüfung erfolgt ergebnisoffen und schrittweise“, sagte ein Sprecher von Mercedes dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Unter „Own Retail“ versteht Mercedes die werkseigenen Autohäuser. Jede Niederlassung werde individuell und niederlassungsspezifisch geprüft – dies „gilt für alle Own-Retail-Betriebe in Deutschland, unabhängig ob in ländlichen oder städtischen Regionen“. Der physische Handel bleibe eine zentrale Säule für den Erfolg von Mercedes-Benz.

Niederlassungen werden „nicht gesamthaft“ verkauft

Aber wer kommt überhaupt infrage für den Kauf einer oder gar aller Niederlassungen? „Mercedes-Benz ist offen für Gespräche mit möglichen Erwerbern der konzerneigenen Niederlassungen. Im Falle von Gesprächen gilt das Entscheidungskriterium ‚Best Ownership‘ – nur wer alle Voraussetzungen für den bestmöglichen Betrieb eines Autohauses nachweisen kann, kommt als potenzieller Erwerber in Frage“, heißt es von Mercedes.

Laut Bratzel ist die Übernahme eher etwas für die großen Gruppen am Autohaus-Markt. Kleinere Händler mit nur lokaler Bedeutung hätten es schwer, eine so teure Übernahme und weitere Investitionen zu tätigen.

Wichtig sind nach Angaben des Autobauers neben einer ausgewiesenen Expertise unter anderem ein langfristiges unternehmerisches Konzept sowie nachhaltige Investitionsbereitschaft und die Aufgeschlossenheit gegenüber Arbeitnehmervertretungen. Die Standorte sollen darüber hinaus „nicht gesamthaft an einen Erwerber übergeben“ werden.

Es soll keine Kündigungen geben

Zur Niederlassung Köln-Leverkusen gehören vier Standorte in Köln sowie weitere in Leverkusen, Engelskirchen und Bergheim. „Wir planen nicht, an reine Finanzinvestoren zu verkaufen, und eine Schließung von Standorten ist nicht Gegenstand der Überprüfung“, hieß es von dem Stuttgarter Konzern im Februar.

„Bei einer möglichen Neuaufstellung wird es nicht zu Kündigungen kommen. Im Gegenteil geht es darum, langfristig die Zukunftsfähigkeit der regionalen Arbeitsplätze sowie den Bestand und die Wettbewerbsfähigkeit der Niederlassungen zu sichern. Wir wollen die Arbeitnehmervertretung eng in die Prüfung einbinden und stehen zur ‚Zukunftssicherung 2029’, also der zugesagten Beschäftigungssicherung für alle Tarifmitarbeitenden“, sagte ein Mercedes-Sprecher auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.