Finanzierung des VerkehrssektorsWarum die Bahnverbände ein Umdenken fordern
Köln/Berlin. – Überpünktlich – rund acht Monate vor der Bundestagswahl – haben die acht Verbände aus der Bahnindustrie in Deutschland ihre Forderungen an eine neue Bundesregierung angemeldet. Die Mittel für den Aus- und Neubau des Schienennetzes müssten spätestens in der Mitte der kommenden Legislaturperiode von derzeit 1,7 auf drei Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden. Wenn Deutschland die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wolle, müsse es zu einem Umdenken in der Verkehrspolitik kommen.
Anders seien die Ziele, die sich die Große Koalition vorgenommen habe, nicht zu erreichen. Bis 2030 soll im Fernverkehr der Deutschlandtakt eingeführt und der Anteil des Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent steigen. Er liegt derzeit bei 19,5 Prozent. „Der Anfang ist gemacht“, sagte Ingo Wortmann, Chef des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), bei der Vorstellung der Pläne. „Die Einführung des Deutschlandtakts hat begonnen, die Trassenpreise im Güterverkehr sind gesunken und das Bundesforschungsprogramm Schiene läuft. Wir werden schon in Kürze die ersten Früchte ernten können.“
Verkehr finanziert Verkehr
Wegen der Corona-Krise sei aber schon jetzt abzusehen, dass das Geld knapper werden wird. Die Verbände fordern daher ein Umdenken bei der Finanzierung des Verkehrssektors. „Wir müssen verkehrspolitisch deutlich machen, dass die Verkehrswende nicht funktionieren wird, wenn wir gleichermaßen alle Verkehrsträger mit der Gießkanne wässern“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.
Die Mittel im Bundeshaushalt für den Neu- und Ausbau der Infrastruktur müssten zu zwei Dritteln in die Schiene fließen, darunter auch ein Teil der Einnahmen aus der Lkw-Maut. „Wir müssen weg kommen vom Prinzip, dass die Straße nur die Straße finanziert“, so Flege. Der neue Grundsatz müsse lauten: „Verkehr finanziert Verkehr“. Ein solcher Paradigmenwechsel könnte weitreichende Folgen haben. In Großraum Köln könnte dann im Zweifel der weitere Ausbau des Bahnknotens Köln Vorrang vor dem Neubau einer neuen Rheinbrücke im Kölner Süden bedeuten.
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Zusätzliches Geld in die Schiene könnte laut Verkehrsclub Deutschland durch die Abschaffung des Dieselprivilegs fließen. Das seien bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr. Auch die Absenkungen der Stromsteuer und die Verringerung der Umlage für erneuerbare Energien für elektrisch betriebene Züge brächte zusätzliches Geld für Investitionen in das Schienennetz.
Fonds nach Schweizer Vorbild
Die Bahnverbände fordern die Einführung eines staatlichen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild, um den Ausbau und die Modernisierung langfristig abzusichern und den Deutschlandtakt bis 2030 für den Fern- und Güterverkehr überhaupt möglich machen. „Diese Mittel müssen wie die Gelder zum Erhalt der Infrastruktur so vergeben werden, dass sie über mehrere Jahre gesichert sind“, sagt Flege.
Der Digitalisierung des Bahnsystems, die bis 2035 abgeschlossen sein soll, kommt nach Auffassung der Bahnverbände eine enorme Bedeutung zu. Durch ein digitales Netz könnten mehr Züge in kürzeren Abständen geschleust werden. Um mehr Güter auf die Bahn zu bekommen, gilt die Umrüstung von europaweit 450.000 Güterwagen auf digitale automatische Kupplungen als Schlüsseltechnologie. Die Kosten dafür werden auf acht Milliarden Euro geschätzt.