Als ihr Flug annulliert wurde, ging eine Familie ins Risiko – und bekommt nun viel Geld von einer Fluggesellschaft erstattet.
Entschädigung für FlugausfallFamilie erstreitet hohe Summe vor Kölner Landgericht – Vorbild für andere Fälle?
Beinahe wäre die Reise in die Vereinigten Staaten für Familie R. vergangenes Jahr vorbei gewesen, bevor sie begann. Damals, als an deutschen Flughäfen an allen Ecken und Enden Chaos herrschte, stornierte die Lufthansa einen Tag vor Abreise den Flug nach Los Angeles. Der Grund: ein Streik der Belegschaft.
Als die Airline daraufhin keinen Ersatzflug anbot, ging die vierköpfige Familie ins Risiko und buchte kurzerhand Ersatztickets im Wert von 20.845,62 Euro. Nun hat sie vor dem Kölner Landgericht ein Urteil erstritten, was einen richtungsweisenden Charakter haben könnte: Die Fluggesellschaft muss die Kosten vollständig erstatten und zusätzlich eine Entschädigung zahlen. Insgesamt summiert sich der Betrag auf rund 23.245 Euro plus Zinsen.
Flugausfall in Köln: Ersatzflüge auf eigenes Risiko gebucht
Dass es dazu kommen würde, war für die Familie nicht von Beginn an absehbar. Als die Lufthansa der Familie keinen Alternativflug anbot, rief der Familienvater – ein Geschäftsführer aus der Baubranche – kurzerhand seinen Anwalt Henrik Nikolai Möllring an: Er fragte, ob er es riskieren könne, selbst Flüge zu buchen.
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Möllring, der Rechtsanwalt in der Hamburger Kanzlei Dr. Schwarz & Collegen ist, empfahl der Familie, beim weiteren Vorgehen alle Schritte genau zu dokumentieren. Insbesondere die Aussage der Fluggesellschaft, keinen Alternativflug anzubieten und die Tatsache, dass es keine günstigeren Flüge gegeben habe. „Denn in dieser Situation muss man den günstigsten Ersatzflug buchen und dafür sorgen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen“, erklärt Möllring. In diesem Fall seien die Tickets zwar extrem teuer, aber dennoch die günstigste Option gewesen.
Unterschiedliche rechtliche Regelungen
Wird ein Flug gestrichen oder ist stark verspätet, greifen unterschiedliche rechtliche Regelungen. Zum einen hat jeder Fluggast einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von 600 Euro, sobald eine Verspätung von drei Stunden überschritten wird. Das gilt jedoch nur, wenn keine sogenannten „außergewöhnlichen Umstände“ wie zum Beispiel Unwetter oder ein medizinischer Notfall vorliegen. Was im Detail „außergewöhnliche Umstände“ sind, wird in der Praxis immer wieder heftig diskutiert.
Zum anderen muss die Fluggesellschaft in jedem Fall die Kosten der Ersatzbeförderung übernehmen und die Passagiere schnellstmöglich an ihr Ziel bringen. Organisiert sie selbst keinen Flug, können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst um eine Verbindung bemühen und sich die Kosten erstatten lassen. Wichtig ist hierbei, was Möllring der Familie empfahl: dass jeweils die günstigste Verbindung ausgewählt und jeder Schritt gut dokumentiert wird.
Schadensersatz nach Flugausfall: Fluggesellschaften reagieren oft nicht auf Anhieb
Doch viele Passagiere dürften im vergangenen Jahr die Erfahrung gemacht haben, die auch Familie R. zunächst machte: Fluggesellschaften reagieren nur selten auf Anhieb mit einer positiven Rückmeldung auf die gestellten Ansprüche. „Viele Verbraucher schrecken vor einer Klage zurück – das wissen die Fluggesellschaften“, sagt Möllring. Dadurch entgeht vielen das Geld, was ihnen zusteht. „Die Rechtslage ist im Grunde hervorragend für die Verbraucher. Bloß die Durchsetzung kann schwierig sein.“
Auch die Familie, die anonym bleiben möchte, musste letztlich vor Gericht ziehen und ging damit ein hohes finanzielles Risiko ein. Das Urteil am Landgericht Köln, was von diesem im Februar als Entscheidung des Monats ausgewählt wurde, zeigt aber, dass das erfolgreich sein kann. Möllring erhofft sich, dass Fluggesellschaften eher auf Passagiere zugehen und ihnen Ersatzbeförderung anbieten, wenn sie sehen, wie teuer die Alternative sein kann. „Außerdem erleichtert das Urteil die Durchsetzung ähnlicher Forderungen.“
Rechtsanwalt wegen Flugausfall zu spät im Gericht
Vor allem für diejenigen, die mit ihrer Klage vor das Landgericht Köln ziehen, ist das ein Vorteil. Denn in einem ähnlichen Prozess ist die Chance groß, dass das Gericht seiner Linie treu bleibt. Bedeutsam ist das auch deshalb, weil Prozesse gegen die Lufthansa grundsätzlich in Köln geführt werden können.
Die Geschichte von Familie R. und Henrik Möllring hat am Ende noch eine kleine Wendung: Der Rechtsanwalt hätte fast den Prozess verpasst. Er erschien eine halbe Stunde zu spät zur Verhandlung – weil sein Flug nach Köln annulliert wurde und der Ersatzflug am Verhandlungstag verspätet war. Die Kosten für das Hotel, in dem er übernachtete, musste der Anwalt sich ebenfalls gerichtlich erstreiten.