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Ford-Betriebsräte„In Köln herrscht Aufbruchsstimmung“

Lesezeit 5 Minuten
Ford-Werke Niehl (1)

Ford-Werke in Köln-Niehl

  1. Katharina von Hebel und Benjamin Gruschka sind die neuen Betriebsratschefs in Europa und am Standort Köln.
  2. Im Interview sprechen sie über die Zukunft des Fiesta, wenn das neue E-Auto kommt.
  3. Außerdem erklären sie, warum die Mitarbeiter im Werk Saarlouis um ihre Jobs bangen müssen.

2021 war für Ford wie für die gesamte Autobranche ein schwieriges Jahr. Wegen Chipmangel stand die Produktion vor allem in Köln monatelang still. Wie ist der aktuelle Stand – läuft der Fiesta nach der Weihnachtspause ab der kommenden Woche wieder vom Band?Gruschka: Alle Vorbereitungen liefen gut für den neuen Ford Fiesta, den wir hier fertigen. Unsere Hoffnung ist, dass sich die Lage bei den Halbleitern wieder stabilisieren wird.

Wie fällt Ihr Rückblick aus?

Gruschka: Im ersten Halbjahr 2021 war vor allem das Werk in Saarlouis mit dem Bau des Ford Focus am stärksten betroffen. In Köln hielten sich die Probleme da noch in Grenzen. Vor den Sommerferien hatten wir gehofft, dass wir danach wieder zurück zur Normalität finden. Aber es kam anders: Saarlouis hat wieder gut produziert. In Köln wurde dagegen in der Fiesta-Produktion gar nicht mehr gearbeitet bis zum 21. November.

Foto B-Gruschka

Benjamin Gruschka, Betriebsratsvorsitzender Ford-Werke Niehl-Merkenich.

Es heißt, dass die wenigen Chips in margenstarke Modelle eingebaut wurden, wozu der Fiesta nicht gehört. Trifft das zu?

Gruschka: Das war in der gesamten Automobilindustrie der Fall, denn in so schwierigen Zeiten muss Geld verdient werden. Trotzdem wurde erreicht, ein halbwegs ausgewogenes Verhältnis zu schaffen, sodass es an einzelnen Standorten nicht zu viel Kurzarbeit gab. Neben der Auslastung des Werkes, spielen die CO2-Vorgaben der EU eine entscheidende Rolle, auch dieses Kriterium muss bedacht werden.

Wo wurden denn die wenigen vorhandenen Chips verbaut?

Von Hebel: In den Ford Focus und beispielsweise in den großen Pick-Up F 150 in Nordamerika.

Sehen Sie Fehler von Seiten der Ford-Führung?

Gruschka: Es kamen viele Dinge zusammen, der Brand in einem Chip-Werk, frühzeitiger Wintereinbruch etc. Wir sehen aber, dass jetzt mit Hochdruck dran gearbeitet wird und alles getan wird, damit wir Autos bauen können. Auch der Druck auf die Zulieferer ist mittlerweile enorm.

Von Hebel: Die Autoindustrie benutzt vor allem ältere Halbleitermodelle, die mittlerweile schwerer zu bekommen sind als neuere Modelle etwa für Spielekonsolen oder Smartphones. Wir arbeiten auf der einen Seite an neuen Technologien, um das Thema Vernetzung in den Fahrzeugen voranzutreiben. Zum anderen gibt uns die Halbleiterkrise auch die Chance, vorhandene Technologien nochmal ganz neu zu denken. Das ist in den letzten Monaten auch passiert. Die gesamte Wirtschaft hat sich zu lange auf weltweit funktionierende Lieferketten verlassen.

von Hebel

Katharina von Hebel, Betriebsratschefin Ford Europa

In der gesamten Wirtschaft gibt es Überlegungen, gewisse Produktionen wieder ins Land zu holen, um unabhängiger zu sein. Welche Pläne hat Ford?

Von Hebel: Die Situation hat zum Nachdenken geführt und ich gehe davon aus, dass dies bei zukünftigen strategischen Entscheidungen eine Rolle spielen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt sind uns aber keine konkreten Pläne bekannt.

Gibt es schon Prognosen zur Höhe der Verluste?

Von Hebel: Ursprünglich hatten wir mit einem positiven Jahresergebnis geplant. Das war aber in dieser Situation nicht mehr möglich. Zur Höhe des Minus kann ich nichts sagen. Aber insgesamt sind wir trotz aller Widrigkeiten gut durch das Jahr gekommen. Zudem haben wir den Komponentenbau für den Elektromotor nach Köln geholt, was mehr als 400 Arbeitsplätze sichert.

Das erste europäische E-Auto wird in Köln gebaut. Wie groß war die Erleichterung in der Belegschaft?

Von Hebel: Sehr groß, wir sind alle sehr erleichtert. Seit der Ankündigung im Februar, das erste vollelektrische Fahrzeug ab Mitte 2023 in Köln zu produzieren, gibt es hier eine Aufbruchsstimmung.

In Saarlouis dagegen zittern die Mitarbeiter, wie es nach dem Auslaufen des Focus weitergeht?

Gruschka: Wir tun alles auf allen Ebenen, um dem Standort in Saarlouis eine Perspektive zu geben. Hier geht es anders als in Köln um eine zusätzliche Ford-eigene Elektro-Plattform. Aber der Kostenabstand zum Werk im spanischen Valencia ist sehr groß. Wir rechnen Mitte des Jahres mit einer Entscheidung.

Wie aggressiv ist die Subventionspolitik in Spanien?

Gruschka: Nach EU-Recht darf Valencia nicht mehr Subventionen erhalten, wie wir in Deutschland. In der Vergangenheit konnten wir den Eindruck gewinnen, dass die Regeln unterschiedlich ausgelegt werden.

Wie steht es um die Zukunft des Fiesta, wenn in Köln ab Mitte 2023 das erste europäische E-Auto gebaut wird?

Gruschka: Der Fiesta ist noch bis Dezember 2024 im Plan. Der offizielle Stand ist, dass erstmal zweigleisig weiterproduziert werden soll. Man muss natürlich schauen, wie es mit dem Halbleitermangel weitergeht und wie die Verkaufssituation beim Fiesta sein wird. Vielleicht wird das E-Auto ein riesiger Verkaufsschlager und die Kunden fragen deutlich weniger Fiesta nach. Dann sollte man die bisherigen Pläne noch einmal auf den Prüfstand stellen.

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Ende 2021 ist Ford-Chef Gunnar Herrmann von der Spitze der Geschäftsführung in den Aufsichtsrat gewechselt. Welche Wünsche und Forderungen haben Sie an seinen Nachfolger?

Gruschka: Der erste Wunsch wäre sicherlich, dass das neue Modell, das auf der Ford-Plattform gebaut wird, nach Saarlouis kommt. Der zweite wäre, dass wir wieder Halbleiter bekommen und die Krise schnell vorbeigeht. Denn jeder Monat Kurzarbeitergeld hat deutliche finanzielle Auswirkungen für unsere Beschäftigten. Das trifft vor allem die unteren Einkommensgruppen. Zudem ist Kurzarbeitergeld eine Entgeltersatzleistung der Agentur für Arbeit und muss im darauffolgenden Jahr nachversteuert werden. Es können also Nachzahlungen drohen.