Ford-Chef im Interview„Wir arbeiten hart daran, den Standort zu sichern“
Herr Hermann, Deutschland befindet sich nun zum zweiten Mal in einem harten Lockdown. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie für Ford?Gunnar Herrmann: Nicht nur für die Autoindustrie, sondern für den gesamten Handel ist das ein harter Einschnitt. Für uns bedeutet das derzeit zum Glück nicht allzu viele Änderungen. Wir haben bereits ein sehr strenges Corona-Konzept mit unseren Ford-Partnern umgesetzt und in unseren Werken Köln und Saarlouis sind Betriebsferien bis zum 11. Januar. Zudem sind unsere Auftragsbücher gut gefüllt. Wenn der Lockdown also nicht weit über den 10. Januar hinausgeht, können wir damit umgehen.
Mit Blick auf die Politik – hätten Sie sich gewünscht, dass es früher klare Ansagen gegeben hätte?
Die Entscheidung für einen Lockdown ist nicht einfach und muss alle Umstände berücksichtigen. Trotzdem glaube ich, dass man sich diese Hängepartie hätte ersparen können, wenn die Politik nicht zu lange taktiert hätte.
Wie wird Ford Deutschland dieses Jahr abschließen?
Wenn wir den Stand November nehmen, so verzeichnen wir im Corona-Jahr 2020 das niedrigste Produktionsvolumen seit 45 Jahren. Ohne genaue Zahlen zu nennen kostet der Corona-Effekt Ford in Europa mehrere Milliarden Euro, die wir aber durch Sparmaßnahmen zum Teil kompensieren können. Vor diesem Hintergrund war es gut, dass wir unsere Restrukturierung schon 2018 begonnen und jetzt erfolgreich abgeschlossen haben.
Was erwarten Sie vom kommenden Jahr?
Der Prozess, unser Geschäft grundlegend neu und profitabel auszurichten geht weiter. Die EU hat die Klimaziele weiter verschärft. Vor diesem Hintergrund wird die E-Mobilität vor allem in Deutschland noch mal einen starken Schub bekommen.
Zur Person
Gunnar Herrmann (60) machte nach dem Abitur eine Lehre als Blechschlosser bei Ford, absolvierte die Wagenbauschule in Hamburg und kehrte als Ingenieur zurück zum Kölner Autokonzern. Der Leverkusener war an der Entwicklung des ersten Focus beteiligt. Seit 2012 ist er Mitglied der Geschäftsführung von Ford Europa. 2017 wurde er zugleich Chef der Ford-Werke.
Dafür investieren wir in dieses Segment, das fängt bei der Batterie an, geht über den E-Motor, Getriebe usw. Direkt im neuen Jahr kommt zudem neben unseren Plug-in-Hybriden mit dem Mach-E unser erstes rein batterie-elektrisches Modell auf den Markt. Und es werden weitere E-Modelle folgen.
Ford-US-Chef Jim Farley hat jüngst angekündigt, dass das Unternehmen auch den Einstieg in den Bau einer eigenen Batterieproduktion prüft...
In Deutschland wurden in diesem Jahr rund 165.000 E-Pkw zugelassen, Tendenz weiter stark steigend. Bis 2025 werden wir die Batterien weiterhin zukaufen. Wenn der Hochlauf der Elektromobilität aber weiter so an Fahrt aufnimmt, muss man darüber nachdenken, zusätzliche eigene Kapazitäten aufzubauen.
Sehen Sie Chancen für Europa und hier insbesondere für Köln? Und gibt es dazu bereits Gespräche mit der NRW-Landesregierung?
Wir haben das in der Vergangenheit bereits mit der Landesregierung diskutiert. Münster hat ja eine sehr renommierte Forschungseinrichtung. Aber eine Batterieproduktion macht erst Sinn, wenn man genug E-Autos verkauft. Und dann muss man sehen, ob eine eigene Batteriefertigung in Deutschland oder an einem anderen Ort in Europa angesiedelt wird.
Ford musste den Plug-in-Kuga zurückrufen, weil es Fälle von Batteriebränden gab. Wie läuft der Austausch der Zellen für die Kunden?
Wir haben sind völlig neue Wege in der Kommunikation gegangen und haben zum Beispiel erstmalig Videobotschaften an die betroffenen Kunden verschickt., Und wir haben jeden Kunden individuell informiert, wie und wann er seinen Kuga in die Werkstatt bringen kann. Das ist bei einem solch grundlegenden Problem sehr wichtig. Es kann immer zu Schwierigkeiten bei einer neuen Technologie kommen. Andere Hersteller hatten ja ähnliche Probleme mit zugelieferten Batterien. Wir haben viel gelernt und auch Lehrgeld bezahlt.
Durch den Rückruf verfehlt Ford auch die Co2 Vorgaben der EU und hat mit Volvo einen Pool gebildet, um Strafzahlungen zu entgehen. Können Sie den gesamten Schaden beziffern?
Das sind mehrerer hundert Millionen Euro. Aber auch hier ist uns Schadenbegrenzung gelungen. Durch das Pooling mit Volvo haben wir die drohenden Strafzahlungen, um die Hälfte reduzieren können.
Für nächstes Jahr hat Ford angekündigt, die Ziele wieder einzuhalten. Wird das gelingen?
Davon gehen wir aus, auch für die folgenden Jahre – immer unter der Voraussetzung, dass so etwas nicht nochmal passiert.
Es war ja schon zu hören, dass in Köln der erste europäische E-Ford gebaut wird. Wann kann die frohe Botschaft denn offiziell verkündet werden?
Das ist eine große Investitions- und Standortentscheidung, die durch die US-Konzernführung getroffen werden muss. Da gibt es noch eine Menge Hausaufgaben zu machen und glauben Sie mir, wir machen unsere Hausaufgaben. Wir arbeiten hart daran, dass wir die Zukunft hier am Standort absichern. Mehr kann ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.
Dann fragen wir mal hypothetisch: Was würde das für die Entwicklung des Standorts und die Beschäftigung bedeuten?
Um es ganz allgemein zu sagen, alle unsere Werke weltweit werden auf E-Mobilität umgerüstet. Wie schnell und im welchem Umfang, hängt von der Nachfrage und dem Ausbau der nötigen Infrastruktur ab.
Wie viel Ford wird in dem Auto noch stecken und wie viel VW, auf dessen Plattform der E-Ford gebaut wird?
Das steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau fest. Aber es wird viel Ford sein. Das betrifft Design, Fahrverhalten aber auch das Bedienkonzept und die Haptik. Wenn der Kunde in einem Ford sitzt, muss das Erlebnis auch Ford-typisch sein.
Bis wann steht die Aufgabenverteilung fest?
Das ist ein Prozess. In der ersten Generation des kleinen Mittelklassewagens wird vieles noch limitiert sein. Ford arbeitet dagegen auch an größeren Plattformen wie etwa für den Mach-E, die man dann wiederum VW anbieten könnte. Bei einer Allianz, in der man sich die Investitionen in neue Technologien teilt, schaut man immer auf das nächste Feld, etwa das autonome Fahren, auf dem Ford weltweit führend ist.
Es heißt, dass über ein zweites E-Modell für Europa nachgedacht wird. Hätte Köln hier nochmal eine Chance oder wäre das eine Option für das Werk in Saarlouis, wo demnächst der Focus ausläuft?
Es wird weitere E-Autos geben. Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen. Aber Sie können davon ausgehen, dass es bei uns keinen Stillstand geben wird.
Ford in Europa musste ein hartes Sanierungsprogramm durchlaufen. Wird es dabei bleiben oder werden auch aufgrund von Corona weitere Einschnitte nötig sein?
Wir sind vor zwei Jahren angetreten, die Firma neu und profitabel aufzustellen. Wir haben die Kosten reduziert und Ineffizienzen beseitigt und das in einem größeren Umfang, als wir uns das anfänglich vorgestellt hatten. Natürlich wollen wir stabil bleiben, aber es gibt Unwägbarkeiten.
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Die neuen Co2-Ziele der EU, der Brexit, der uns schon so lange quält und dessen harte Variante enorme Auswirkungen auf uns hätte, weil Großbritannien unser größter Markt in Europa ist. Hinzu kommt die Umstellung auf E-Mobilität. Hier werden wir umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen anbieten und erwarten von den Mitarbeitern dabei auch Flexibilität. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen sind schwer vorauszusagen. Aber ja, wir werden unsere Kapazitäten dem anpassen müssen.
Wie wird die Corona-Krise das Arbeiten bei Ford verändern?
Wir haben eine Betriebsvereinbarung getroffen, die flexibles und mobiles Arbeiten mehr als bisher ermöglicht. Und wir werden unsere Bürokultur verändern. Unser Verwaltungsgebäude, das viele als „Tintenfass“ kennen, wird komplett umgebaut. Es wird offenere Strukturen geben und mehr Flexibilität als bisher. Trotz Homeoffice müssen sich die Mitarbeiter begegnen und austauschen können.
Es hieß, Ford habe in Deutschland Staatshilfen beantragt. Trifft das zu?
Nein. Wir haben zu Beginn der Krise alle Szenarien durchgespielt, aber Staatshilfen waren zum Glück nicht notwendig, weil sich Ford global auf einem sehr guten Weg befindet.
In Köln sind die Grünen seit der Kommunalwahl die stärkste Fraktion im Rat. Was erwarten Sie von dem neuen Ratsbündnis oder was befürchten Sie?
Ich hoffe, dass wir einen offenen Dialog führen können, um unsere Umweltziele mit neuer Technologie umsetzen zu können. Und ich hoffe sehr, dass dieser Diskurs nicht ideologisch geführt wird. In der Corona-Krise zeigt sich, wie anfällig unsere Mobilität ist. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist dramatisch zurückgegangen. Wir brauchen intelligente Alternativen und die können nicht nur das Fahrrad sein. Dazu wollen wir beitragen etwa bei Themen intelligenter Verkehrssteuerung, Geofencing, Blockchain-Technologie oder digitalisiertem Parken. Köln muss nur sagen: wir gehen diesen innovativen Weg und werden Vorreiter.
Ist die Frage der Mobilität auch die Messlatte, die zeigt, ob die Grünen regierungsfähig sind?
Mein Kontakt zum neuen Stadtrat ist noch nicht eng genug, um das qualifiziert beantworten zu können. Auf Bundesebene sehe ich keine Probleme. Wir haben den Grünen-Politiker Anton Hofreiter zum Arbeitgebertrag eingeladen und sind ohnehin in einem engen Austausch. Die Positionen liegen nicht so weit auseinander. Und ich hoffe, dass sich das auch im Stadtrat widerspiegelt.
Ihr Vertrag läuft demnächst aus. Werden Sie ihn verlängern?
(lacht) Noch habe ich einen, der mich auch im nächsten Jahr beschäftigt. Mir macht mein Job noch ungemeinen Spaß und ich habe noch Ziele, die ich erreichen will. Wenn die Company der Überzeugung ist, dass ich dafür der Richtige bin, werde ich das noch machen – aber natürlich nicht ewig, ich werde ja schließlich auch ein paar Tage älter.