Köln – Die Kölner Rhein-Energie, größter Versorger der Stadt, reagiert auf die Folgen des Ukraine-Krieges und erhöht die Preise für Gas und Fernwärme drastisch. Was das für die Verbraucher bedeutet und warum es nochmal teuer werden könnte – ein Überblick.
Wie stark steigt der Gaspreis?
Die Rhein-Energie erhöht den Preis für eine Kilowattstunde Erdgas von derzeit 7,87 Cent um 10,43 Cent auf 18,3 Cent. Das entspricht einem Anstieg von knapp 133 Prozent. Die Preiserhöhung tritt zum 1. Oktober dieses Jahres in Kraft, wie Achim Südmeier, Vertriebsvorstand der Rhein-Energie, im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Montag mitteilte.
Was bedeutet das für welchen Haushalt?
In einer Kölner Wohnung mit 10.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch erhöhen sich die Jahreskosten auf rund 2002 Euro, vorher wären rund 960 Euro angefallen, das ist eine Steigerung um etwa 108 Prozent. In einer großen Wohnung oder einem kleineren Einfamilienhaus mit 15.000 Kilowattstunden Jahresbedarf betragen die neuen Jahreskosten rund 2918 Euro (vorher: rund 1353 Euro), das sind knapp 116 Prozent mehr.
Wie stark steigt der Preis für Fernwärme?
Die Preise für Fernwärme steigen ebenfalls deutlich, wenn auch nicht so stark wie für die Kunden, die auf Gas als Wärmequelle direkt angewiesen sind. Für eine typische Wohnung von 65 Quadratmetern werden ab 1. Oktober im Schnitt 705 Euro fällig. Vor einem Jahr waren es 407 Euro. Das entspricht einem Anstieg von etwa 73 Prozent. Bereits vor sechs Monaten hatte die Rhein-Energie die Preise auf 610 Euro im Schnitt angehoben, weil bei Fernwärme häufigere Anpassungen üblich sind.
Wie viele Kölnerinnen und Kölner sind betroffen?
150.000 Erdgas-Haushalte hat die Rhein-Energie in der Region Köln, die von der Erhöhung betroffen sind. Hinzu kommen rund 55.000 Haushalte, die von der Rhein-Energie die nun teurere Fernwärme beziehen und ebenfalls von steigenden Preisen betroffen sind.
Steigen die Abschläge?
Ja. Die Rhein-Energie greift deshalb auf Mittel zurück, die sie laut eigener Aussage lange nicht mehr genutzt hat. Erstmalig seit Jahrzehnten schlägt sie demnach den Kunden höhere monatliche Abschläge vor, der neue Vorschlag richtet sich nach dem Verbrauch des jeweiligen Kunden aus der Vergangenheit. So soll der Preisschock mit der Jahresabrechnung vermieden werden. Der neue Vorschlag kommt mit dem Anschreiben zur Preiserhöhung ab diesem Monat. Und wer als Mieter seine Energiekosten per Nebenkostenabrechnung bezahlt, sollte laut Rhein-Energie Geld zurücklegen.
Wird es einen Hilfefonds geben?
Ja. Die Rheinenergie bereitet derzeit einen Hilfefonds in Höhe von einer Millionen Euro vor. Offen ist aber, wer berechtigt ist, Geld zu bekommen. Sind es die Kunden, die in eine Sperrung gerutscht sind, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlt haben? Oder sind es die Kunden, die aufgrund der massiven Kostensteigerungen erstmals Probleme haben? Das klärt die Rhein-Energie aktuell mit der Stadt Köln. Laut des Unternehmens übernimmt der Staat ohnehin die zusätzlichen Kosten für Menschen, die beispielsweise Hartz IV beziehen.
Südmeier sagt: „Wir werden das erste Mal eine Situation haben, in der wir Bevölkerungsgruppen mit Problemen konfrontieren, die bislang davon noch nie betroffen waren. Ich rede insbesondere vom Rückgrat des Mittelstandes, also Krankenschwestern, Erziehern, Verkäufern.“ Der höhere Strompreis komme auch noch dazu. Südmeier sagt: „Einige Menschen kommen in eine Situation, die sie nicht kennen, und wir müssen schauen, wie wir damit umgehen. Das ist die neue Qualität, die wir sehen. Nicht jeder steckt beispielsweise 200 Euro mehr im Monat einfach so weg.“
Warum steigt der Gaspreis?
Zunächst sorgte eine weltweit steigende Nachfrage für Erdgas infolge der wiedererstarkenden Wirtschaft nach der Coronakrise für stark steigende Preise. Die Gaspreise erreichten zum Jahreswechsel 2021/2022 bereits einmal Spitzenwerte. Diese Entwicklungen konnte die RheinEnergie aufgrund ihrer langfristigen Beschaffungsstrategie in gewisser Weise für die Kundschaft dämpfen. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich die Situation auf dem Erdgasmarkt nochmals deutlich verschärft. Die Lage ist aktuell äußerst volatil, zumal nicht klar ist, wie viel Erdgas in Zukunft noch aus Russland kommt. Alternative Beschaffung aus anderen Quellen, etwa sogenanntes LNG (verflüssigtes Erdgas) ist deutlich teurer als der bisherige Erdgasbezug über Pipelines.
Lohnt ein Anbieterwechsel?
Die Zahl der Versorger, die deutlich günstigere Tarife anbieten, ist gegenüber von 2021 deutlich gesunken. Marktbeobachter gehen davon aus, dass heute noch billigere Anbieter ebenfalls die Preise erhöhen müssen. Andere Anbieter sind laut dem Vergleichsportal Verivox bereits heute deutlich teurer als die Rhein-Energie selbst nach der Gebührenerhöhung.
Wie funktionieren die staatlichen Umlagen und steigen dadurch die Preise noch stärker?
Die Preisexplosion, die die Rhein-Energie am Montag mitgeteilt hat, ist nur der erste Schritt. Es kommen weitere, erhebliche Kostensteigerungen auf die Verbraucher zu, weil der Staat unter anderem eine neue Umlage zum 1. Oktober oder 1. November einführt. Damit soll en die Mehrkosten der Gasbeschaffung auf alle Verbraucher aufgeteilt werden. Laut Rhein-Energie entstehen diese Mehrkosten, weil die Vorlieferanten am Weltmarkt teuren Ersatz für das russische Erdgas beschaffen müssen.
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Allein dafür könnte jeder Verbraucher laut Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde als Umlage bezahlen. Heißt: Kunden der Rhein-Energie müssten dann statt 18,3 Cent zwischen 19,8 und 23,3 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Ganz konkret heißt das für Erdgaskunden: Ein Haushalt mit 10 000 Kilowattstunden Verbrauch könnte nochmal bis zu 500 Euro jährlich mehr zahlen müssen, wenn die Umlage 5 Cent beträgt. Die Preissteigerung ist mit der gestrigen Ankündigung der Rhein-Energie also noch nicht beendet.
Was passiert, wenn Gas wieder billiger wird?
Was verführerisch klingt wäre für viele Gasversorger eine Katastrophe. Falls Russland die Märkte im Winter mit Gas fluten würde, würde der Gaspreis deutlich fallen. Unternehmen wie die Rhein-Energie hätten aber ihre Gasmengen schon zu den teuren Preisen aus dem Sommer 2022 eingekauft und würde auf dem teuren Gas im Zweifel sitzenbleiben, fürchten Branchenexperten. Dann müsste der Staat sie gegebenenfalls retten.
Werden die Preise jemals wieder so günstig wie vor der Krise?
Nein. Südmeier sagt: „Wir werden auch nach der Krise auf einem ganz anderen Preisniveau unterwegs sein. Die Preise werden nie mehr auf das frühere Niveau zurückgehen.“ Bis zum Jahr 2021 beispielsweise lag die durchschnittliche Erdgas-Monatsrechnung für ein Einfamilienhaus in den vergangenen 14 Jahren zwischen 96 und 121 Euro. Laut Südmeier könnten das nach der Krise eher zwischen 160 und 180 Euro sein.
Wie verhalten sich andere Versorger?
Auch die Belkaw erhöht die Preise in einem ähnlichen Maße wie die Rhein-Energie, die eine 50,1-prozentige Beteiligung hält. Sie versorgt Gaskunden in Bergisch Gladbach, Burscheid, Lindlar und Odenthal. Bei einer durchschnittlichen Wohnung mit 10 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch erhöhen sich bei der Belkaw die Jahreskosten von 949 Euro jährlich auf 1960 Euro. Eine Steigerung um 107 Prozent.