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Gasspeicher fast gefülltIndustrie sorgt sich vor „Schwefel“-Gas aus Frankreich

Lesezeit 3 Minuten
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Die deutschen Gasspeicher sind zu 95 Prozent gefüllt. Auf Verbraucher könnte dennoch ein harter Winter zukommen.

Köln – Am späten Donnerstagabend klettern die Füllstände der deutschen Gasspeicher auf durchschnittlich mehr als 95 Prozent. Überpünktlich, denn eigentlich wollte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diesen Füllstand erst am 1. November erreichen. Für Entwarnungen sorgen die hohen Füllstände aber nicht, Experten warnen weiter vor einem harten Winter. Und: Die Industrie sorgt sich vor schwefelhaltigem Gas aus Frankreich.

Mit 95,14 Prozent geben die europäischen Gasinfrastruktur-Betreiber den durchschnittlichen Füllstand der deutsche Gasspeicher an. Das Problem: Die vorgeschriebene Marke von 95 Prozent erreichen damit einzelne Gasspeicher teilweise nicht, im Gasspeicher Rehden sind es nur 83,74 Prozent. Und: Der für Bayern wichtige Gasspeicher im österreichischen Haidach wird in der Statistik gar nicht berücksichtigt.

Deutsche Gasspeicher zu 95 Prozent gefüllt: Bundesnetzagenturchef warnt dennoch vor hartem Winter

Experten gehen davon aus, dass die deutschen Gasreserven für rund zwei Monate reichen könnten. Der Gasspeicher-Verband Ines rechnet damit, dass die deutschen Reserven, verrechnet mit den derzeitigen Importen, je nach Verbrauch bereits Ende Februar oder Anfang März aufgebraucht sein könnten.

Auch Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, ruft daher zu weiterem Energiesparen auf: „Die gut gefüllten Speicher werden uns im Winter helfen. Um eine Gasnotlage im Winter zu vermeiden, müssen zusätzlich die angestoßenen Projekte zur Erhöhung der Gasimporte realisiert werden“, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur.

Wären die Reserven in den Gasspeichern aufgebraucht, blieben Einspeisungen über Flüssiggas-Terminals, die zum Jahreswechsel in Betrieb gehen sollen. 1,5 Milliarden Euro hat das Bundeswirtschaftsministerium alleine in Flüssiggas investiert, hinzu kommen Kosten für die an der Nordseeküste gebauten LNG-Terminals, die als Verteilerstation für die Gasimporte dienen sollen.

Deutsche Gasimporte: Fast 75 Prozent aus Norwegen und den Niederlanden

Das Flüssiggas ist nur eines der Projekte, um die Abhängigkeit von russischem Gas endgültig zu beenden. Derzeit importiert Deutschland laut Bundesnetzagentur täglich etwa 3400 Gigawattstunden Gas, davon alleine 41 Prozent aus Norwegen und 34 Prozent aus den Niederlanden.

Seit Donnerstag fließen zudem bis zu 100 Gigawattstunden an Gas aus Frankreich über das Saarland nach Deutschland. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte Deutschland Gasimporte über die mitteleuropäische Gas-Pipeline Megal zugesichert, wenn Deutschland im Gegenzug Strom nach Frankreich liefere. Die französische Stromproduktion steht derzeit unter Druck, weil aufgrund von Wartungsarbeiten nur 30 von 56 Atomkraftwerken in Betrieb sind.

Frankreichs Zulieferung sind aber nur ein kleiner Teil, der Deutschland dabei hilft, seine Gasspeicher zu füllen. Sie entsprechen je nach Jahreszeit zwei bis fünf Prozent des täglichen Verbrauchs. Zudem sei es nun schwerer, die Gasspeicher bis auf 100 Prozent zu füllen, fürchten Experten. Wird es wieder kälter, könnte auch der Gasverbrauch rapide steigen.

Gas aus Frankreich: Industrie sorgt sich vor Schwefel

Ein weiteres Problem mit dem französischen Gas: Ihm wird Schwefel zugesetzt, um Lecks in den Leitungen schneller zu bemerken. In Deutschland wird Schwefel meistens erst zugesetzt, wenn das Gas in die Haushalte geht. Daher könne es in Einzelfällen dazu kommen, dass in der Industrie angewandte Prozesse besonders sensibel auf das schwefelhaltige Gas reagieren.

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bezeichnet die derzeitigen Füllstände als „eine Leistung“. „Aber diese Leistung wurde natürlich teuer erkauft, weil die Bedingung dafür auch war, dass die Industrie ihre Produktion nicht nur gedrosselt hat, sondern teilweise eingestellt hat“, so Habeck weiter. Gemeinsam mit der EU will Deutschland zeitnah eine Vereinbarung schließen, um gemeinsam Gas einzukaufen und die Last besser zu verteilen.

Die deutschen Gasspeicher sind besonders an kalten Tagen essenziell für die Energieversorgung in Deutschland. Sie decken dann bis zu 60 Prozent des Tagesbedarfs an Gas ab. Bundesnetzagentur-Chef Müller ist daher auch noch vorsichtig, was die Prognose für den Winter angeht: „Auch im Februar und März kann es noch sehr kalt werden. Und Die Speicher müssten dann auch wieder für den Winter 2023/24 gefüllt werden.“ Allerdings ohne russisches Gas, das auch zum Erreichen der derzeitigen Füllstände beigetragen hat. (shh, mit dpa)