Leverkusener Konzern wird gegen das Urteil des Gerichts im US-Bundesstaat Georgia Berufung einlegen. Das Monsanto-Erbe belastet Bayer damit weiter sehr.
Glyphosat-ProzessBayer soll in den USA fast zwei Milliarden Euro Strafe zahlen

Das Bayer-Kreuz leuchtet in Leverkusen in der Dämmerung. Der Konzern muss in den USA erneut eine gerichtliche Übernahme hinnehmen.
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Der Leverkusener Bayer-Konzern muss nach mehreren jüngst gewonnen Prozessen im Fall des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup nun erneut einen Rückschlag hinnehmen.
Ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat Georgia hat den Agrarchemie- und Pharma-Konzern zu knapp 2,1 Milliarden US-Dollar (1,9 Milliarden Euro) Schadenersatz verurteilt. Bayer kündigte Berufung gegen die Entscheidung an. „Wir sind mit dem Urteil der Geschworenen nicht einverstanden.“ Die Entscheidung stehe im Widerspruch zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Bewertungen der Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt. „Dass Glyphosat sicher und nicht krebserregend ist, haben alle wichtigen Zulassungsbehörden mehrfach bestätigt, zuletzt auch in der EU.“
Schadensumme widerspricht US-Recht
Bayer geht nach eigenen Angaben davon aus, in der Berufung starke Argumente zu haben, um das Urteil aufzuheben oder zumindest den Schadenersatz zu reduzieren. Der Konzern verwies außerdem darauf, dass in der Vergangenheit der Schadenersatz im Vergleich zu den ursprünglichen Geschworenenurteilen um 90 Prozent reduziert werden konnte.
Zudem wird das Gericht erfahrungsgemäß von sich aus die hohe Schadenersatz- und Strafsumme deutlich reduzieren. Denn so hohe sogenannte Punitive Damages sind rechtlich nicht zulässig. Diese dürfen höchstens dem Neunfachen des Schadenersatzes entsprechen. Heißt laut Berechnungen des Handelsblattes: Die Punitives Damages müssten auf 580 Millionen Dollar gesenkt werden. Meist fallen die Summen aber in weiteren Berufungsverfahren noch niedriger aus. Die Summe bleibt dennoch hoch.
So hatte beispielsweise ein Gericht in Philadelphia zuletzt den von Geschworenen dem Kläger zugesprochenen Schadenersatz von 2,25 Milliarden US-Dollar auf 400 Millionen US-Dollar reduziert.
Schweres Monsanto-Erbe
Die Probleme rund um den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup hatte Bayer sich 2018 mit der mehr als 60 Milliarden Dollar teuren Übernahme der US-Firma Monsanto ins Haus geholt, und sie bleiben weiterhin finanziell sehr belastend. Verklagt wird Bayer dort nicht mehr nur wegen angeblicher Krebsrisiken des Monsanto-Unkrautvernichters Glyphosat, sondern auch wegen möglicher Folgen der bis 1978 verkauften Chemikalie PCB. Beide gehören zum schweren Erbe von Monsanto. Für Schadenersatzzahlungen und außergerichtliche Vergleiche allein im Fall Glyphosat hat der Konzern bisher weit mehr als zehn Milliarden Euro aufgewendet. Die Zahl der angemeldeten Glyphosat-Klagen stieg hier zuletzt um 4000 auf insgesamt etwa 181.000. 114.000 Klagen hat der Konzern bereits beigelegt, für 67.000 Ansprüche stehen Einigungen derzeit noch aus.
Auch deswegen bat Bayer jüngst die Investoren und Aktionäre um eine Kapitalerhöhung. Auf Grundlage des aktuellen Marktwertes des Unternehmens ist von etwa 8,4 Milliarden Euro die Rede. Denn der Konzern befindet sich derzeit ohnehin nicht in einer wirtschaftlich komfortablen Lage.
Um die Klagewelle einzudämmen, setzt Bayer zum einen weiterhin auf ein Grundsatzurteil des obersten US-Gerichts, des Supreme Courts. Es sei nicht nachvollziehbar, dass unterschiedliche US-Gerichte zu teils widersprüchlichen Urteilen kommen, betonte Bayer-Konzern-Chef Bill Anderson Anfang des Monats bei Vorlage der Bilanz. Unklar ist dabei aber weiterhin, ob das oberste US-Gericht, sich der Sache überhaupt annimmt. Bayer ist hier bereits einmal in der Vergangenheit gescheitert.
Zudem habe man die Lobby-Arbeit weiter verstärkt. Man sei im Gespräch mit Politikern auf Bundes- und Staatenebene und hole sich gezielte Unterstützung von Farmergruppen, sagte Anderson vor einigen Wochen. Fakt bleibt aber, dass die Lage unter der neuen Trump-Administration nicht leichter werden dürfte. Der neue Gesundheitsminister Robert Kennedy jr. gilt als Impf- und Glyphosatgegner.
Ende von Monsanto für Bayer denkbar
Deswegen ist auch eine weitere Option im Spiel: die Aufgabe von Monsanto. Anderson hat laut Medienberichten in den USA mehrfach deutlich gemacht, dass der Konzern wegen der Klagewelle sogar gezwungen sein könnte, komplett auszusteigen. Nun ist die US-Landwirtschaft allerdings abhängig von Glyphosat. Alternativen kommen ansonsten nur aus China, was in der derzeitigen geopolitischen Situation eher eine schwierige Option sein dürfte.