Die Stahlstadt Duisburg will der Deindustrialisierung die Stirn bieten, investiert in den Ausbau des Hafens für Flüssiggüter, die bei einer grünen Industrieproduktion gefragt sein könnten und dient sich den Unternehmen als Zwischenlager an.
Hafenausbau, Wasserstoff-Produktion und Pipeline-AnschlussDuisburg kämpft gegen die Deindustrialisierung
Das Unwort der Klimadebatte gibt, heißt für Sören Link „Deindustrialisierung“. Auch wenn Duisburgs Oberbürgermeister einräumt, dass es eine spannende Frage sei, „woher das ganze Zeug eigentlich kommen soll, damit die Transformation zum klimaneutralen Industrieland Nordrhein-Westfalen auch gelingt.“
Mit dem „ganzen Zeug“ ist - natürlich - grüner Wasserstoff gemeint. Allein die Mengen, die Europas größter Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel am Standort Duisburg benötigt, um mit allen vier Hochöfen grünen Stahl zu produzieren, sind gigantisch. Sie werden auf 143.000 Tonnen jährlich geschätzt.
An einem grauen Oktober-Morgen steht der SPD-Politiker zusammen mit Alexander Garbar, Chef der Unternehmensentwicklung des Duisburger Hafens, auf dem Teil des Geländes zwischen Ruhrort und Meiderich, der immer noch Kohleinsel genannt wird, obwohl die Zeiten, als hier pro Jahre 20 Millionen Tonnen des schwarzen Goldes umgeschlagen wurden, lange zurückliegen.
„Die grüne Revolution soll von Duisburg aus ihren Anfang nehmen“, sagt der Oberbürgermeister. Dass das nicht bloß die Wunschvorstellung eines Stadtoberhaupts ist, das sich Sorgen um den Erhalt von 26.000 Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie macht, haben die Bundes- und die Landesregierung Ende Juli mit einem Förderbescheid über knapp zwei Milliarden Euro unter Beweis gestellt. Mit dem Geld sollen Anlagen gebaut werden, die eine CO2-neutrale Stahlproduktion möglich machen. Die erste soll schon Ende 2026 in Betrieb gehen.
Nicht nur auf Subventionen gesetzt
Doch das soll beim Hafenbesuch des Oberbürgermeisters mit Journalisten nicht im Mittelpunkt stehen. Die Stadt will zeigen, dass sie willens und in der Lage ist, ganz neue grüne Wertschöpfungsketten zu erschließen. Und nicht nur nach Subventionen schreit.
Ginge es nur um die Frage, wie grüner Wasserstoff zu Thyssenkrupp Steel nach Duisburg kommt, müsste sich der Hafenchef Garbar um die Zukunft des Duisport Sorgen machen. „Bei diesen Wasserstoff-Mengen, die wir benötigen, wird das nur über Pipelines gehen“, sagt er. „Und von einer Pipeline, die von Wilhelmshaven nach Rotterdam führt, hat ein Hafen erstmal nichts.“ Doch auch für den Hafen werde noch genügend abfallen. „Wir müssen eine führende Rolle in der Logistik von Wasserstoff und anderen flüssigen Gefahrgütern einnehmen.“
Duisport investiert 125 Millionen in neues Containerterminal
Dennoch steckt das kommunale Unternehmen gerade 125 Millionen Euro auf der Kohleinsel in den Bau eines neuen Containerterminals mit sechs Kränen und zwölf Bahngleisen, um für die neuen Transportketten der grünen Industrie gewappnet zu sein. Weil es eben nicht nur um Wasserstoff geht, sondern zum Beispiel auch um Ammoniak und Methanol. Der größte Binnenhafen der Welt orientiert sich dabei an den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen, die sich ebenfalls darauf vorbereiten, künftig große Mengen dieser Stoffe umzuschlagen.
„Wir wissen zwar nicht, was da auf uns zukommt, aber eins ist klar. Wir brauchen diese Produkte hier. Es geht einzig und allein um die Frage, was wird die Industrie benötigen und wie stellen wir sicher, dass die Produkte auch dort ankommen“, sagt Garbar. Ein mögliches Szenario der Energiewirtschaft könne sein, dass Ammoniak anstelle von Gas zur Stromerzeugung gebraucht werden. „Dann hätten wir auf einmal einen enormen Bedarf.“
Importboom wird wohl spätestens 2026 beginnen
Um den zu befriedigen, wird das neue Terminal in der zweiten Ausbaustufe bis 2027 einen zweiten Umschlagplatz für Gefahrgut-Container einrichten. Dort können die Flüssigstoffe in bis zu 1000 Containern zwischengelagert werden, die in der Industrie für die Energiewende gebraucht werden. „Sichere Versorgung plus günstige Transporte“ werde man anbieten, sagt Garbar. Aber auch jedes andere Produkt umschlagen können. Das sei der Vorteil gegenüber der Pipeline.
Im Duisburger Hafen rechnet man damit, dass der Importboom auch beim Wasserstoff spätestens 2026 losbrechen wird. „Thyssenkrupp wird bald mit der ersten Ausschreibung auf den Markt gehen“, sagt Garbar. Der Energiekonzern Total habe schon vor ein paar Wochen eine Großausschreibung über eine halbe Million Tonnen Wasserstoff für alle Raffinerien in Europa auf den Weg gebracht. „Beim Wasserstoff verliert die Erzeugerseite das Risiko und wird in großen Mengen liefern.“ Die Westhäfen hätten längst Verträge mit den Erzeugerländern abgeschlossen.
Auch in Duisburg soll grüner Wasserstoff produziert werden
Auch in den Pipelinebau kommt Bewegung. Bis 2023 soll ein Wasserstoff-Kernnetz entstehen, das große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore verbindet. Zu diesem Projekt zählt auch die Umrüstung einer alten Erdgasleitung zwischen Dorsten und Duisburg-Hamborn, an die auch Stahl-Produktionsstandorte angeschlossen werden können.
Neben dem Import von Wasserstoff in die Industriezentren an Rhein-Ruhr soll ein Teil des Wasserstoffs in Duisburg produziert werden. Am traditionsreichen Kraftwerksstandort Walsum entwickelt Iqony eine Erzeugungsanlage mit einer Leistung von bis zu 520 Megawatt. Sie soll ab 2027 in der ersten Stufe 16.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr liefern.