Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bei Thyssenkrupp den größten Förderbescheid in der Geschichte der Bundesrepublik überreicht.
Habeck übergibt FörderbescheidStartschuss für grünen Thyssen-Stahl aus Duisburg
Auf den Tag genau vor fünf Wochen stand Wirtschaftsminister Robert Habeck bei Thyssenkrupp Steel an der Kaiser-Wilhelm-Allee in 13.000 protestierenden Stahlwerkern gegenüber, die alle nur eins wissen wollten: Wann bewegt sich die EU-Kommission? Wann gibt sie grünes Licht für die milliardenschwere Förderung am Stahlstandort Duisburg, um in den Hochöfen grünen Stahl herstellen zu können? Oder senkt sich der Daumen nach unten?
Die Zusage aus Brüssel kam am Donnerstag vergangener Woche. Entsprechend groß ist die Erleichterung, als sich der Grünen-Politiker gemeinsam mit NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur am Mittwoch erneut in die Herzkammer der deutschen Stahlindustrie begibt.
Betriebsratschef überreicht Habeck ein Herz aus Stahl
Nach all den politischen Rückschlägen der vergangenen Wochen, dem Stress mit dem Heizungsgesetz und sinkenden Umfragewerten strahlt ein zuletzt verunsicherter Wirtschaftsminister pure Zuversicht aus. Die Milliarden sind da, am Morgen hat das Bundeskabinett in Berlin die nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Mit dem Start des größten Dekarbonisierungsprojekts in Duisburg nimmt Deutschland den Kampf gegen die drohende Deindustrialisierung auf.
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Habeck steht auf dem Baufeld im Walsumer Südhafen und hält den Förderbescheid über zwei Milliarden Euro mit seiner Unterschrift und dem Bundesadler in die Kameras. Die Bagger planieren bereits das Gelände für den Bau der ersten Direktreduktionsanlage, die Grundvoraussetzung für die Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff ist. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrat überreicht ihm ein Herz aus Stahl. „Das ist die größte Anerkennung, die ein Stahlwerker in Duisburg bekommen kann.“
Größte Einzelförderung in der Geschichte der Bundesrepublik
700 Millionen Euro ist die größte Einzelförderung, mit der das Land jemals einem Unternehmen im Strukturwandel unter die Arme gegriffen hat. 1,3 Milliarden Euro kommen vom Bund. Thyssenkrupp Steel selbst investiert noch einmal eine Milliarde, um den Einstieg in die klimaneutrale Stahlproduktion zu schaffen.
Die ist durch das Verbrennen von Kokskohle besonders CO2 intensiv. Allein das Stahlwerk in Duisburg bläst pro Jahr das Zehnfache des gesamten innerdeutschen Flugverkehrs in die Luft. Deshalb soll schon Ende 2026 der erste Hochofen auf eine sogenannte Direktreduktionsanlage umgestellt werden.
Statt Kokskohle wird in dieser Anlage zunächst Erdgas und später grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen. Sie soll Ende 2026 in Betrieb gehen. Der Vorteil dieser Produktionsmethode: Thyssen wird auch künftig alle Stahlsorten in den gewohnten Qualitäten herstellen können.
„Ja, wir unterstützen mit dem größten Förderbescheid bisher in der Geschichte der Bundesrepublik dieses Projekt, aber Thyssenkrupp investiert eben auch selbst und glaubt an diesen Standort“, sagt Habeck. In Duisburg könne man erkennen, dass die Wasserstoffstrategie keine graue Theorie sei, „sondern eine reale Baustelle vor Ort mit Menschen, die Helme aufhaben und ins Werk setzen, was politisch gewollt ist.“
Allein die erste Direktanlage werde zehnmal so viel Wasserstoff verbrauchen, wie derzeit in Europa produziert wird. „Wir gehen von Null auf Hundert in wenigen Sekunden.“ Das sei eine Einladung an den Markt, die produzieren und sich daran beteiligen wollen „Wir lösen das Henne-Ei-Problem. Wir warten nicht, dass andere anfangen. Wir fangen selbst an. Das ist das, war vor wenigen Wochen hier noch gefordert wurde, als 13.000 Stahler mir gesagt haben. Wir sind hier die wahren Klimaschützer. Gebt uns eine grüne Zukunft.“
Von dem Projekt bei Thyssen gehen nach Auffassung von Habeck verschiedene Signalwirkungen aus. „Erstens, wir wollen das hier in Duisburg machen, wir glauben an Deutschland. Zweitens, das war ein komplizierter Verwaltungsakt, den Bund, Land und Unternehmen in kurzer Zeit hinbekommen haben.“
Und drittens solle „noch in diesem Jahrzehnt zu 2030 hin“ in Duisburg grüner Wasserstoff in einer Menge eingesetzt werden, die den gesamten Markt noch oben ziehen und neue Wertschöpfungsketten auslösen werde. „Die Elektrolyseure müssen gebaut werden, der Maschinenbau wird davon profitieren, die Leitungen müssen verlegt werden. Das ist schon ein fettes industrielles Ausrufezeichen“, so der Bundeswirtschaftsminister.
Insgesamt betreibt Thyssenkrupp vier Hochöfen auf dem Betriebsgelände. Zwei weitere, an denen der Konzern mit 50 Prozent beteiligt ist, stehen im Duisburger Süden. Wenn die Stahlproduktion in Duisburg mit allen sechs Hochöfen komplett auf die grüne Technologie umgestellt ist, geht NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur davon aus, dass die Emissionen der gesamten Industrie im Land um acht Prozent sinken werden. Einen Haken hat dieser Plan. Die gesamte Umrüstung würde laut Konzern acht Milliarden Euro kosten. Noch gibt es keinen Wasserstoffanschluss, die nächste Pipeline liegt sieben Kilometer von den Hochöfen entfernt. Aber der Anfang ist gemacht.