Am zukünftigen Umgang mit dem Atommüll aus dem Forschungszentrum Jülich scheiden sich die Geister. Jetzt wird der Weg für einen Abtransport in ein Zwischenlager frei.
Genehmigung in der EndphaseCastor-Transporte sollen im Frühjahr durch NRW rollen

Einsatzkräfte der Polizei sicherten im Dezember 2023 die Probefahrt eines leeren Castor-Behälters.
Copyright: dpa
Der Transport von 152 Castor-Behältern vom Forschungszentrum Jülich ins Atomzwischenlager Ahaus wird voraussichtlich im Frühjahr beginnen. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, hat das Bundesamt für die nukleare Sicherheit und Entsorgung (BASE) dem NRW-Wirtschaftsministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde über Kernbrennstofftransporte den Entwurf einer Beförderungsgenehmigung zukommen lassen.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hat demnach nun nur noch bis Ende Februar Zeit, sich zu dem Entwurf zu äußern. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hatte im Dezember vergangenen Jahres eine Klage der Stadt Ahaus abgewiesen und damit den Weg für die Transporte frei gemacht.
Genehmigungserteilung nur noch Formsache
Nach Einschätzung von Insidern ist Erteilung der Transportgenehmigung nur noch Formsache. Der weitere Ablauf ist klar geplant. Sollte es von Seiten des NRW-Wirtschaftsministeriums keine wesentlichen Ergänzungs- oder Änderungswünsche geben, wird der Entwurf im Anschluss dem Transporteur, der Orano NCS GmbH übermittelt. Die Firma habe Anspruch auf rechtliches Gehör, heißt es. Nach einer Frist von zwei bis vier Wochen wäre dann die Erteilung der finalen Genehmigung der Transporte durch das BASE möglich.
Alles zum Thema Mona Neubaur
- Ärger Lohmarer CDU-Ratsmitglied kritisiert Rednerliste und grüne Tischdecken bei Schuleröffnung
- Eröffnung in Lohmar Ministerin lobt Öko-Schuldorf - „Strahlkraft über NRW hinaus“
- NRW fürchtet US-Stahlzölle Wüst nach Ankündigung Trumps „in großer Sorge“
- Konjunkturbericht NRW-Unternehmen sollen wieder wettbewerbsfähiger werden - nur wie?
- Regionalplan Protest gegen Windkraftkonzept in Dahlem
- Geschäftsjahr 2024 Messe Düsseldorf bekommt neues Hauptquartier
- Klima-Subvention Land NRW setzt auf Förderung von E-LKW
In den Castor-Behältern lagern rund 300.000 radioaktive Brennelemente-Kugeln aus dem AVR- Hochtemperaturreaktor des Forschungszentrums, der 1988 nach zahlreichen Störfällen außer Betrieb genommen wurde.
Die Genehmigung für das bisherige Lager in Jülich, das technisch veraltet ist, ist allerdings schon seit zehn Jahren abgelaufen. Pläne für den Neubau in Jülich hatte sich um Jahre verzögert, weil befürchtet wurde, dass die Erdbebengefahr zu groß sei. Tatsächlich werden in der Aachener Region immer wieder kleinere Erdbeben gemessen. Erst 2022 bescheinigte das BASE, ein Neubau in Jülich könne erdbebensicher sein. Neue Berechnungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Castoren auch durch schwere Erdstöße nicht undicht werden würden.
Neubau wäre Eingriff in vielfältige Naturfläche
Um den Neubau zu ermöglichen, müsste allerdings eine Fläche von rund 2,2 Hektar junger Birkenwald gerodet werden. Auf dem Gelände leben zudem seltene Frösche und Kröten sowie die vom Aussterben bedrohte Haselmaus.

Im Forschungszentrum Jülich lagern derzeit 152 Castorbehälter.
Copyright: dpa
Der Bund hält allerdings den Transport nach Ahaus für die bessere Alternative. Experten gehen davon aus, dass ein Neubau mindestens 550 Millionen Euro kosten würde. Außerdem würden neun Jahre vergehen, bis der Bau fertig sein würde. Der Transport nach Ahaus soll dagegen 100 Millionen Euro kosten, von denen das Land nur 30 Prozent zahlen müsste. Darin ist der Polizeieinsatz aber nicht eingepreist.
Polizeigewerkschaft: Aufwand unverhältnismäßig
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW hält den mit den Transporten verbundenen Aufwand zum gegenwärtigen Zeitpunkt für komplett unverhältnismäßig: „Das mutet an wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Polizei – und das in der allgemein angespannten Sicherheitslage“, sagte GdP-Chef Michael Mertens. Die Transporte mit schweren LKW würden vermutlich nachts stattfinden. Nicht nur marode Brücken und Straßen stellten ein Problem für den Transport dar. „Je nach Ausgang der Bundestagswahl würde eine neue Atomdebatte Protesten eine ganz neue Dynamik verleihen“, kritisierte der GdP-Landesvorsitzende. Hinzu kommt die knappe Zeitspanne der Genehmigung: Die laufe für das Zwischenlager in Ahaus derzeit nur bis zum Jahr 2036.
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr 2022 darauf verständigt, Castor-Transporte zu vermeiden. Ein Plan, von dem man inzwischen abgerückt ist. Das NRW-Wirtschaftsministerium wies die Verantwortung für den Verbleib der Kugeln von sich. Die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) sei an die Vorgabe gebunden, die „schnellstmöglich realisierbare Option zu wählen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Für die Erteilung der Beförderungsgenehmigung sei „allein das BASE“ zuständig.
Ein Probetransport mit einem leeren Behälter, der bereits im Dezember 2023 stattfand, hatte Kosten in Höhe von 180.000 Euro verursacht. Nach bisherigen Planungen der JEN soll in jeder Transportnacht immer nur ein Castor auf die Reise gehen. Daher wird der gesamte Umzug wohl zwei Jahre dauern.