Das Handwerk spürt die Schwäche der Industrie, profitiert aber von mehr Geld im Portemonnaie der Kunden.
Konjunktur auf wackeligen FüßenKölner Handwerks-Chefin hat volle Auftragsbücher – doch sie sorgt sich

Carina Straub führt seit sieben Jahren in dritter Generation die Rohrreinigungsfirma Abfluss ASS Köln.
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Wenn die Toilette plötzlich nicht mehr abläuft oder die Spüle sich mit schmutzigem Wasser füllt, überlegt man nicht lange, ob man einen Handwerker ruft oder nicht. Man tut es einfach, auch wenn es ein Sonntag ist und die Rechnung entsprechend höher ausfällt. „Unsere Aufträge sind unverändert, was aber sicherlich damit zusammenhängt, dass wir nicht verzichtbar sind. Wenn Abflüsse nicht mehr ablaufen, dann müssen wir die Rohre reinigen. Deshalb merken wir keine Einbußen in unserem Geschäft“, berichtet Carina Straub. Die Anfang-30-Jährige hat 2018 den elterlichen Rohrreinigungsbetrieb Abfluss ASS in der Kölner Südstadt übernommen und führt seitdem die Geschäfte. Als Sprecherin der Handwerksjunioren im Kammerbezirk weiß sie aber auch: So geht es längst nicht allen Firmen.
Konjunktur steht auf wackeligen Füßen
Kein anderer Wirtschaftszweig ist so bunt gemischt wie das Handwerk: 130 Berufe gibt es, vom Änderungsschneider bis Zahntechniker, von Bestatterin bis Konditorin. Während Straubs Firma konjunkturelle Schwankungen vergleichsweise gut wegsteckt, leiden andere Gewerke umso stärker unter steigenden Kosten, sinkender Nachfrage und dadurch rückläufigen Umsätzen. Mechaniker, Metall-, Maschinen- und Anlagenbauer spüren die Krise der Automobilindustrie, und auch die Klima-Sonderkonjunktur bei Dachdeckern und Heizungsinstallateuren ebbt langsam ab.
Alles in allem bewerten in der Frühjahrsumfrage der Handwerkskammer zu Köln (HWK) mehr als ein Drittel der Betriebe ihre Geschäftslage als gut, knapp die Hälfte als befriedigend und 17 Prozent als schlecht. Insbesondere eine sinkende Nachfrage und rückläufige Umsätze führen dazu, dass die befragten Firmen ihre Geschäftslage schlechter als noch vor einem halben Jahr einschätzen: Mit einem Geschäftsklimaindex – ein Mix aus aktueller Geschäftslage und zukünftigen Erwartungen – von 109,3 Punkten bleibt die Konjunktur mit leichten Abschlägen auf dem Niveau des Herbstes 2024 (110,9).
„Die Handwerkskonjunktur steht zurzeit auf wackeligen Füßen“, sagte Kammerpräsident Hans Peter Wollseifer in seiner letzten Pressekonferenz vor Amtsende bei der Vorlage des Konjunkturberichts am Donnerstag. Der Bezirk der Kammer umfasst neben Köln, Bonn und Leverkusen auch den Oberbergischen und den Rheinisch-Bergischen Kreis, den Rhein-Erft- und den Rhein-Sieg-Kreis. Rund 1200 Mitgliedsbetriebe hatten sich im März an der Umfrage beteiligt.
Auf dem Bau läuft es schlecht, Gesundheit profitiert
Schon bei der vergangenen Befragung im Herbst 2024 haben die Betriebe sinkende Umsätze und einen rückläufigen Auftragsbestand angegeben. Diese Entwicklung geht auch im Frühjahr weiter: Bei knapp 40 Prozent der Handwerksbetriebe sinken die Erlöse, bei rund 43 Prozent nimmt auch der Auftragsbestand ab.
Besonders schlecht läuft es derzeit im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe: „Wir stehen weiterhin vor der Herausforderung, dass der Bausektor, insbesondere im Wohnungsbau, unter seinen Möglichkeiten bleibt – trotz händeringend gesuchten Wohnraums. Das spüren neben den Maurern und Betonbauern mittlerweile auch die Elektrotechniker sowie Installateure und Heizungsbauer, die ihre Lage im Halbjahresvergleich schlechter bewerten. Bauen muss also günstiger und schneller werden“, sagte Wollseifer.
Positiv wirkt sich hingegen die sinkende Inflation aus. Die Menschen haben wieder mehr Geld im Portemonnaie, das sie im Gesundheitsgewerbe und für personenbezogene Dienstleistungen ausgeben. So gab zum Beispiel die Hälfte der Hörakustiker, Orthopädieschuhmacher, Orthopädietechniker, Augenoptiker und Zahntechniker an, dass ihre Geschäfte gut laufen – vor einem Jahr hatte das nur ein Drittel von ihnen gesagt.
Mindestlohn sorgt für Diskussionen
Trotz sinkender Nachfrage geben viele Betriebe steigende Materialpreise sowie Energie- und Bürokratiekosten an ihre Kunden weiter. Vor allem ein möglicher Mindestlohn in Höhe von 15 Euro pro Stunde sorgt für Diskussionen. Auch Carina Straub von Abfluss ASS sieht den Vorstoß kritisch: „Wenn die Mindestlöhne steigen, wird es die gesamten Lohnkosten in die Höhe treiben. Wir bezahlen zwar mehr als 15 Euro pro Stunde, aber wenn alle anderen 15 Euro bekommen, dann steigen auch die Forderungen von unseren Mitarbeitern, die mehr wollen.“
Gerade das Handwerk treffen Lohnsteigerungen vergleichsweise hart. Während Personalkosten im Schnitt 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, sind es im Handwerk laut HWK-Präsident Wollseifer mitunter 80 Prozent und mehr. Am Ende werden die gestiegenen Kosten über höhere Preise aufgefangen. „Wenn die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben weiter steigen, werden sich Teile der Gesellschaft handwerkliche Dienstleistungen irgendwann nicht mehr leisten können, mit der Folge, dass Betriebe vom Markt verschwinden und wir als Gesellschaft einen Wohlfahrtsverlust erleiden.“
Zwar haben Straubs Kunden kaum eine Wahl, ob sie die Toilette freimachen lassen oder nicht. Doch ihren Unmut lassen sie mitunter die Handwerker spüren: „Wir sind 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag im Einsatz. Über die Ostertage hatten wir zehn Aufträge pro Tag, nur eine Person hatte Notdienst. Die Erwartungshaltung der Kunden ist hoch, zum Teil werden sie aggressiv, wenn wir nicht sofort vorbeikommen können. Das ist auch schwierig für die Mitarbeiter“, berichtet Straub. „Sich da als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren, ist nicht leicht.“ Jeder dritte Betrieb im Kammerbezirk Köln hat aktuell offene Stellen zu besetzen, in Betrieben mit mehr als vier Mitarbeitenden sind es rund 50 Prozent.
Der Blick in die Zukunft fällt dennoch leicht positiv aus: Zum ersten Mal seit zwei Jahren blicken die Betriebe in Köln und der Region wieder positiv in die Zukunft. 20 Prozent von ihnen rechnen mit einer verbesserten, 62 Prozent mit einer unveränderten und 18 Prozent mit einer schlechteren Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten. Die Kölner Handwerker sind sogar noch optimistischer: 16,5 Prozent erwarten trübe Aussichten, aber immerhin mehr als 20 Prozent einen Aufschwung. „Ein möglicher Aufschwung ist jedoch weiterhin mit Fragezeichen versehen und hängt maßgeblich davon ab, inwiefern die angekündigten Entlastungen für Betriebe umgesetzt werden und ob ein Bau- und Infrastrukturprogramm die Schwächephase im Bausektor überwinden kann“, sagt Wollseifer.