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Kölner reden über ihr Geld„Ich drehe jeden Euro um – und habe trotzdem Schulden“

Lesezeit 5 Minuten

Die Kinder an ihrer Schule haben ihr geholfen, schneller wieder mit der Sprache zurechtzukommen, sagt Olga M.

KölnOlga M., 45 Jahre, studierte Pädagogin, arbeitet als Ergänzungskraft an einer Schule und erhält Geld vom Jobcenter. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erzählt sie in der Reihe „Unterm Strich“, wie sie von etwa 400 Euro im Monat lebt, von bürokratischen Hürden und dem langen Weg weg vom Amt.

Ich lebe seit sechs Jahren wieder in Deutschland, zusammen mit meinen zwei Kindern. Zwischen meinem 13. und 16. Lebensjahr habe ich schon mal in Köln gewohnt, bevor wir zurück nach Polen gehen mussten. Damals habe ich mir gesagt, dass ich eines Tages wiederkommen werde. Das habe ich dann auch gemacht: wegen der Stadt, wegen der politischen Situation in Polen, nach der Trennung von meinem Mann.

Seit fünf Jahren arbeite ich an einer Grundschule in Köln als pädagogische Ergänzungskraft in der Nachmittagsbetreuung. Das macht mir sehr viel Spaß, die Kinder haben mir geholfen, hier anzukommen – genau wie meine Kollegen. Sie unterstützen mich sehr. Ich liebe meine Arbeit. Aber ich würde gerne mehr machen.

Fünf Jahre Pädagogik studiert

In Polen habe ich fünf Jahre Pädagogik studiert und im Kindergarten und als Grundschullehrerin gearbeitet. Mir war von vornherein klar, dass es unmöglich wird, das Gleiche in Deutschland zu machen. Wenn man eine Sprache 25 Jahre nicht benutzt hat, ist man plötzlich stumm wie ein Fisch. Also habe ich einen Deutschkursus gemacht, damit ich mir meine Ausbildung anerkennen lassen kann. Gerade lasse ich meine Diplome übersetzen. Dabei entstehen Kosten ohne Ende: 1500 Euro für die Übersetzung. 30 Euro für jede beglaubigte Kopie. Und das ist noch nicht alles.

Aktuell verdiene ich 900 Euro im Monat, manchmal weniger, manchmal etwas mehr. Dazu kommt eine Aufstockung vom Jobcenter. Überstunden mache ich nicht mehr: In meinem ersten Jahr habe ich das ganze Jahr welche gesammelt. Dann wurden sie mir auf einen Schlag ausgezahlt – und ich lag in diesem Monat plötzlich über der Grenze dessen, was ich verdienen darf, um die Unterstützung zu bekommen. Ich habe versucht, ihnen die Situation zu erklären, aber ich musste das ganze Geld zurückbezahlen.

Satz wird regelmäßig neu berechnet

Die Aufstockung funktioniert so: Wenn wir alles zusammenrechnen, was ich an Geld bekomme und die Miete abziehen, müssen am Ende 406 Euro zum Leben reichen. Ich weiß nicht, wo diese Zahl herkommt oder wie dieses System funktioniert. Es fühlt sich an wie eine Lotterie. Jedes halbe Jahr wird der Satz neu berechnet. Dafür brauche ich immer Tausende Unterlagen. Und eigentlich auch eine Sekretärin. Manchmal wundert es mich, dass sie nicht die Schuhgröße meiner Großmutter wissen wollen.

Aktuell bekomme ich vom Jobcenter etwa 300 Euro. Dazu kommt das Kindergeld und zweimal 273 Euro aus der Unterhaltsvorschusskasse, weil mein Ex-Mann nicht zahlt. Die Miete für unsere Wohnung in Leverkusen liegt bei etwa 780 Euro.

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Ich bekomme Unterstützung, und dafür bin ich sehr dankbar. Im Lockdown gab es zum Beispiel Geld, um den Kindern Tablets und einen Drucker zu kaufen, für Hefte, Bücher und Nachhilfe. Aber ich habe große Probleme mit der Stadt: Das Jobcenter hat schon öfter Geld zurückgefordert, etwa für die Überstunden, aber auch in anderen Fällen. Wie gesagt, ich habe dieses System nie gesehen, ich kann das nicht nachvollziehen. Aber durch diese Rückforderungen habe ich fast 5000 Euro Schulden angehäuft. Neulich habe ich wieder einen Brief bekommen, dass ich 900 Euro zurückzahlen soll. Und ich bin doch schon in Ratenzahlung bei einem Inkassobüro. Ich kann die Raten nicht erhöhen, sonst zahle ich irgendwann mehr als ich bekomme.

Schulden trotz Arbeit

Ich möchte mehr arbeiten, in Vollzeit, damit ich vom Jobcenter wegkomme. Das ist das Allerwichtigste für mich. Ich hoffe, dass ich bald die Anerkennung für meine Ausbildung bekomme. Denn aktuell ist die Situation so: Ich gehe mit dem Geld sehr sparsam um, kaufe nicht viel ein, drehe jeden Euro um – und habe trotzdem Schulden.

Es ist schon ein paarmal passiert, dass ich ein paar Tage vor dem Gehalt nichts mehr hatte. Ich habe gelernt, mir selbst eine Hose zu kürzen oder Gardinen. Meine Freundinnen und ich färben uns die Haare gegenseitig. Darauf bin ich stolz. Und ich bin dankbar, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Wir haben uns eine Art Ersatzfamilie aufgebaut.

Unterlagen sind schwer verständlich

Die ganze Bürokratie, mit der ich zu tun habe, ist schlimm. Es macht doch gar keinen Sinn, immer wieder dieselben Dokumente einzureichen. Das kostet so viel Zeit. Und diese Unterlagen – die meisten Menschen verstehen sie nicht. Das klingt wie ein Todesurteil!

Manchmal tun die Leute in den Ämtern mir leid. Manchmal fehlt ihnen aber auch die Erfahrung – und das ist ein schlimmes Gefühl, denn ich bin ja abhängig von ihnen. Einmal wurde ich nach meiner Arbeitserlaubnis gefragt. Hallo? Wissen die nicht, dass Polen ein EU-Land ist? Da kommt man sich vor wie im falschen Film.

Aber für mich war es den Ärger wert, nach Köln zu kommen. Auf Polnisch sagt man: „Das Leben ist kein Märchen mit Glitzer.“ Ich wollte so weit wie möglich weg von meinem Mann, auch die politische Situation in Polen hat mich sehr belastet. Da habe ich mit meiner Mentalität nicht reingepasst. Hier herrscht Multikulti, mehr Toleranz. Das gefällt mir: so offen zu sein. In Polen habe ich Familie und Freunde, die ich vermisse. Das ist meine Heimat – aber Köln ist mein Zuhause.