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Interview Covestro-ChefKonzern streicht Stellen – und niemand soll sich Sorgen machen

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Steilemann

Markus Steilemann ist Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns Covestro mit fast 18.000 Beschäftigten

Herr Steilemann, Sie haben im laufenden Jahr zwei Mal Ihre Gewinnprognose nach oben korrigiert. Und jetzt planen Sie, 1700 Stellen zu streichen, wie passt das zusammen?

Markus Steilemann: Wir wollen und müssen Covestro auf lange Sicht noch fitter machen für die Zukunft – ungeachtet unserer aktuellen wirtschaftlichen Lage. Dazu haben wir eine umfangreiche Transformation gestartet. Und hier schauen wir auch genau, welche Tätigkeiten künftig noch nötig sind und welche nicht. Auf Basis erster grober Schätzungen sind wir auf bis zu 1700 Arbeitsplätze gekommen, die eventuell wegfallen könnten. Die Zahl der tatsächlich abzubauenden Stellen wird mit Sicherheit geringer ausfallen. Und wir werden diesen Arbeitsplatzabbau sozialverträglich gestalten.

Trotz der möglicherweise geringeren Zahl wegfallender Stellen führt eine solche Nachricht zu Unsicherheit in der Belegschaft. Was tun Sie dagegen?

Ungeachtet wegfallender Stellen: Betriebsbedingte Kündigungen sind an unseren deutschen Standorten unverändert ausgeschlossen. Bis 2025. So haben wir es vereinbart. Und darüber hinaus: Wir arbeiten mit den Arbeitnehmervertretern an einem Eckpunktepapier, um diese Standortsicherung sogar bis 2028 zu verlängern, und zwar noch in diesem Jahr. Anders gesagt: Kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin bei Covestro muss sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen.

Markus Steilemann ist seit Juni 2018 Vorstandsvorsitzender von Covestro. Der promovierte Chemiker und Betriebswirt startete 1999 bei der früheren Bayer-Tochter Material Science. Seit der Trennung von Bayer ist Steilemann Mitglied im Vorstand von Covestro. Der gebürtige Geilenkirchener ist 51 Jahre alt.

Die Covestro AG ist ein börsennotierter Kunststoffhersteller mit Sitz in Leverkusen. Das Unternehmen ist 2015 aus der ehemaligen Kunststoffsparte ( Matrial Science) von Bayer hervorgegangen.

Das klingt schräg, sie streichen jede zehnte Stelle, aber keiner soll sich Sorgen um seinen Job machen. Das ist ein krasser Widerspruch… Geht es um das Auslaufenlassen befristeter Stellen?

Ich sehe hier keinen Widerspruch. Wir haben in allen Jahren eine Fluktuation im Unternehmen im einstelligen Prozentbereich. Der Stellenabbau ist bis Ende 2023 geplant. Bis zu diesem Datum würde allein durch natürliche Fluktuation, durch Jobwechsel oder Beschäftigte, die aufgrund ihres Alters in Rente gehen, die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in erheblichem Umfang sinken. Und weil Sie es konkret ansprechen: Die Nichtverlängerung befristeter Stellen ist in diesem Zusammenhang nicht geplant.

Das würde heißen, dass die „natürliche Fluktuation“ bei mehr als drei Prozent liegt…

Das ist Ihre Zahl, der ich aber nicht widersprechen möchte.

Wenn Sie auf diese Art quasi geräuschlos ihre Mitarbeiterzahl bis 2023 verringern könnten, dann verstehe ich nicht, warum Sie dennoch kommunizieren, 1700 Stellen abzubauen, und damit negative Schlagzeilen in Kauf nehmen, oder machen Sie es, um Ihre Aktionäre gnädig zu stimmen?

Wir stehen für Transparenz. Wir wollen eine faire und offene Kommunikation. Und hier geht es vor allem darum, allen die große Transformation zu vermitteln, die wir unternehmen, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen und die vielen Chancen optimal zu nutzen – die Kreislaufwirtschaft etwa oder die Digitalisierung. Hier werden wir analysieren, welche Tätigkeiten in der neuen Welt auch mit Blick auf unsere Kunden weiter gebraucht werden und auf welche wir verzichten wollen.

Werden Sie also einen Einstellungsstopp verhängen, bis der geplante Jobabbau vollzogen ist?

Auf keinen Fall, es wird keinen Einstellungsstopp geben. Gar nicht geben dürfen. Es gibt Bereiche, wo wir auch weiterhin dringend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, etwa im Rahmen der Digitalisierung. Daneben schauen wir, wo wir Kolleginnen und Kollegen, die an Bord sind, für andere Aufgaben qualifizieren können. Das ist wie ein großes Puzzle. Insgesamt ist es wichtig, die richtige Mischung zu haben.

Sie wollen Jobs abbauen und niemandem kündigen. Meines Erachtens kann das nur über hohe Abfindungen gehen. Wieviel Geld stellen Sie dafür zurück in Ihrer Bilanz?

Rückstellungen bilden wir erst, wenn tatsächlich Aufhebungsverträge abschlossen wurden. In diesem Jahr ist das nur ein kleiner Betrag, der in der Bilanz unerheblich ist.

Sie schreiben Rekordumsätze und hohe Gewinne, es ist immer noch unklar, warum Sie gerade jetzt ein solches Sparprogramm auflegen…

Wir wollen am Ende des Jahres 2023 bei den Kosten des Jahres 2020 liegen. Das ist eines unserer Ziele. Und es ist auch kein Sparprogramm, wie Sie es nennen, es geht um Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und Kundennähe – also darum, die Transformation in die Zukunft zu schaffen. In eine Zeit, in der Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit erfolgsentscheidend sind. Wir wollen eine enkelsichere Aufstellung von Covestro, dafür müssen wir uns bestmöglich aufstellen. Wir haben zu viele kleinste Prozesse und Bereiche. Wir brauchen Neuerungen in allen Abteilungen und an allen Standorten, um fit für die Zukunft zu werden. Und vor allem brauchen wir Luft für Investitionen. Unser Programm dafür, das wir „Leap“, also Sprung, nennen, ist eng abgestimmt mit den Arbeitnehmervertretern.

Welche deutschen Standorte betrifft es wie stark?

Wir haben noch keine konkreten Pläne für einzelne Bereiche oder gar Standorte. Wir haben erste Ideen zusammengetragen und sehen, dass wir in Deutschland bis zu 950 Stellen einsparen könnten, wo und welche, wissen wir aber noch nicht. Wir sind in einer frühen Phase, und viele Zahlen, die in der Presse zu lesen waren, sind so einfach nicht zutreffend.

Von Einsparungen in welcher Höhe reden wir also?

Wir haben zwischen dem Vergleichsjahr 2020 und den Folgejahren einen Kostenzuwachs von 150 bis 200 Millionen Euro, auch durch neue Tarifabschlüsse und andere steigende Fixkosten. Diesen Zuwachs müssen wir bis 2023 kompensieren.

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Sie in der Chemie zahlen tarifbedingt recht hohe Löhne, warum sparen Sie nicht daran?

Die Tarifbindung von Covestro steht außer Zweifel. Wir pflegen eine sehr lange und sehr gute Sozialpartnerschaft in unserem Unternehmen. Daran wird in keinem Fall gerüttelt.

Sind denn die deutschen Standorte sicher?

Ja, unsere deutschen Standorte sind sicher, auch daran werden wir nicht rütteln, in keinem Fall.