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Keine neue Strategie für Pkw-BauKölner Ford-Belegschaft ist verunsichert

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Betriebsversammlung bei Ford in Köln am 21.11.2023

Betriebsversammlung bei Ford in Köln am 21.11.2023

In Europa laufen demnächst viele Ford-Modelle aus. Nun fordern die Betriebsräte von der US-Führung ein Signal, wie es in Köln weitergeht.

Die Stimmung war angespannt, als die Ford-Belegschaft am Dienstagmorgen zur Betriebsversammlung im Werk in Köln-Niehl zusammenkam. Wie geht es für Ford in Europa weiter? In welchen Werken werden künftig noch welche Modelle gebaut, die sicherstellen, dass die Produktion ausgelastet und die Beschäftigung gesichert wird? Und vor allem auch: Wer entwickelt sie?

Nach den harten Einschnitten des US-Autobauers bei seiner europäischen Tochter in den vergangenen Jahren, in deren Folge zahlreiche Werke geschlossen und tausende Jobs abgebaut wurden, fordern die europäischen Ford-Betriebsräte in Deutschland, Spanien und England gemeinsam von der US-Führung eine klare Ansage, wie es beim Pkw-Bau in den kommenden Jahren weitergeht.

Betriebsrat fordert Strategie der Konzernzentrale in den USA

„Wir verlangen von der US-Konzernzentrale in Dearborn endlich eine nachhaltige Strategie für Entwicklung und Produktion ab 2026/27“, sagte Benjamin Gruschka, Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Vorsitzender des europäischen Betriebsrats. Die Arbeitnehmervertreter aller europäischen Werke sprächen hier mit einer Stimme, so Gruschka. Und: „Wir wollen nicht länger warten, wir brauchen eine Lösung für ganz Europa“, so Gruschka unter Applaus der Belegschaft.

Man habe die Schrumpfung der Belegschaft in den vergangenen Jahren hingenommen. Nun aber fehlten neue Produkte, sagte der Betriebsratschef. Die Mitarbeiter an allen europäischen Standorten seien verunsichert, weil aus den USA keine Signale kämen, wie es weitergeht. Seit Monaten warte man auf Antwort. „Die Bilder aus Köln und ein offener Brief gehen heute per Mail an die Konzernzentrale nach Dearborn“, so Gruschka.

In Köln werden keine Autos gebaut

Blickt man auf das Portfolio von Ford in Europa, so ist es mittlerweile deutlich ausgedünnt. Am Standort und Unternehmenssitz Köln werden seit Monaten überhaupt keine Autos gebaut. Der Fiesta ist im Sommer ausgelaufen und der Start des neuen E-Autos Explorers verzögert sich. Der Marktstart wurde auf Sommer 2024 verschoben, weil die Konzernzentrale in den USA auf ein anderes Batteriekonzept setzt und umkonzipiert werden muss.

Ein zweites E-Modell aus Köln soll dann im Herbst 2024 an den Start gehen. Derzeit bauen die Mitarbeitenden in Köln-Niehl lediglich Explorer-Modelle für Automessen oder trainieren.

Betriebsversammlung bei Ford in Köln am 21.11.2023

Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka.

Verkauf von Saarlouis bislang gescheitert

Der Entwicklungsstandort in Aachen mit 200 Jobs wird im kommenden Jahr geschlossen. Eine kleine Zahl von Beschäftigten kann nach Köln wechseln. Am Standort hatte Ford seit 1994 Verbrennungsmotoren, aber auch Hybride und Motoren entwickelt. Im zweiten deutschen Werk in Saarlouis läuft Mitte 2025 die Produktion des letzten verbliebenen Modells Ford Focus am Standort aus. Der Verkauf des Werkes an einen Investor scheiterte. Von den mehr als 4500 Stellen sollen 1000 Arbeitsplätze von Ford noch für eine Zeit erhalten werden. An der Saar hatte man sich lange Hoffnungen gemacht, den Zuschlag für ein oder sogar zwei fordeigene E-Autos zu bekommen, das im Gegensatz zu den beiden Kölner Modellen nicht auf der Plattform von VW gebaut wird.

E-Auto für Valencia noch unsicher

Der Zuschlag ging ans spanische Werk in Valencia. Aber auch das ist dem Vernehmen nach längst nicht gesichert. Die Betriebsräte fürchten, dass die Produktion nach Mexico, Kanada oder in die USA abwandern könnte. Damit wäre auch das spanische Werk gefährdet. Hier läuft bis spätestens 2030 der Kuga aus. Der kleine Transit wird ab dem kommenden Jahr im rumänischen Werk in Craiova gebaut, wo ansonsten noch der Puma, Transit Courier, Tourneo Courier (ab 2024 auch als E-Modell) gefertigt werden. Allerdings gehört das Werk nicht mehr im klassischen Sinne zu Ford Europa, sondern ist im Besitz eines Joint Ventures von Ford zusammen mit dem türkischen Hersteller Otosan.

Auch im langjährigen Top-Absatzmarkt Großbritannien ist massiv zusammengestrichen worden. Hier werden derzeit an den Standorten unter anderem noch Antriebsstränge für E-Motoren bzw. Getriebe und Motoren für den Transit als Verbrenner gebaut. Auch Entwicklung findet noch statt.

Sorge um Pkw-Entwicklung in Europa

Gerade in diesem Segment hat der Betriebsrat ebenfalls große Bedenken – auch mit Blick auf den Standort Köln. Denn Ford verlagert Entwicklungskompetenz in die US-Zentrale. Deshalb verlieren 1000 Mitarbeitende im englischen Dunton und 1900 von 3600 Entwicklern in Köln und Aachen ihren Job. Es bleibt also weiter fraglich, was in Europa überhaupt noch entwickelt und dann auch hier gebaut wird in den kommenden Jahren. Und inwieweit der US-Konzern, der ab 2030 nur noch E-Fahrzeuge in Europa bauen will, noch auf seine Kapazitäten auf dem Kontinent setzt oder vermehrt auf Import.