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Nach RestrukturierungBastei Lübbe will andere Verlage übernehmen

Lesezeit 5 Minuten
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Carel Halff (l.) und  Klaus Kluge (r.) 

  1. Der Kölner Verlag Bastei-Lübbe kämpfte mit deutlichen Verlusten und hat sich neu aufgestellt.
  2. Erst kürzlich hatte das börsennotierte Unternehmen sich von mehreren Beteiligungen getrennt. Jetzt will es wieder zukaufen.
  3. Chef Carel Halff und Programmvorstand Klaus Kluge über Restrukturierungen und die digitale Zukunft.

KölnHerr Halff, die Digitalisierung ist eine Herausforderung für den Buchmarkt. Wie gehen Sie bei Bastei Lübbe damit um? Carel Halff: Tatsächlich stabilisiert sich der Buchmarkt gerade wieder weitgehend. Seit einigen Monaten befindet er sich sogar in einer Wachstumsphase – auch in den Bereichen Print, E-Book und Audio. Bei Bastei Lübbe liegt der Anteil digital publizierter Bücher bei 30 Prozent. Das ist für die Branche sicher bemerkenswert hoch. Insoweit denke ich, dass wir von einer soliden Basis nach vorne blicken.

Der Buchhandel soll zwischen 2012 und 2016 sechs Millionen Käufer verloren haben...

Halff: Das war eine isolierte Statistik. Das Medienverhalten der Menschen hat sich sehr verändert. Informationsbeschaffung und Meinungsfindung haben sich auf neue Medien, zum Beispiel in soziale Netzwerke, verlagert. Es werden weniger Print-Bücher verschenkt, die Zeit der geschmückten Bücherregale im Wohnzimmer ist vorbei. Aber auch vor zehn Jahren wurden keine 40 Prozent aller verkauften Bücher tatsächlich gelesen. Wir gehen davon aus, dass dieser Prozentsatz heute deutlich höher ist. Bücher werden öfter an die Familie oder den Freundeskreis weitergegeben. Wir haben diese Entwicklungen im Haus genau beobachtet. In der Veränderung liegt aber auch unsere Chance.

Klaus Kluge: Der Deutsche ist per se Kulturpessimist. Das Ende der Buchbranche wird seit langer Zeit verkündet. Wenn man bedenkt, wie viele elektronische Ablenkungsmöglichkeiten es heute gibt, ist es erstaunlich, dass der Buchmarkt so stabil ist. Dass er im deutschsprachigen Raum immer noch neun Milliarden Euro Umsatz macht.

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Am Ende ist die Frage: Welche Inhalte sind gefragt, und wie erreichen wir die Leser? Wir haben verschiedene Angebote bei uns im Haus, die zeigen, dass es weiter möglich ist, junge Zielgruppen für das Buch zu begeistern. Print und digital.

Zum Beispiel?

Kluge: Zum Beispiel beim Lyx-Verlag. Hier machen wir moderne Frauenunterhaltung mit jungen Autoren wie Mona Kasten, die die Sprache ihrer Leserinnen sprechen und direkt mit ihnen via Social Media kommunizieren. Sie teilen die Genese des Buches, die Stadien des Manuskripts auf digitalen Foren. Dadurch, dass sie die Leser miteinbeziehen, schaffen sie ihre eigene Community. Wir sehen dort eine sehr hohe Bindung und Emotionalität. Das Interessante ist, dass sich als Folge auch Menschen, die eigentlich nur digital lesen, plötzlich das gedruckte Buch zulegen. Aber generell ist Besitz in dieser Gesellschaft tatsächlich nicht mehr dasselbe wert wie früher.

Sie sagten, auch Bücher werden mehr geteilt. Wenn eines von fünf Leuten gelesen wird, verdienen Sie aber nicht fünfmal damit.

Halff: Bei klassischen Autoren spüren wir das. Dafür erzielen wir mit der neuen, interaktiven Autoren-Generation teilweise Auflagen, die die klassischen Autoren weit übertreffen. Wenn eine Autorin wie Mona Kasten bereit und in der Lage ist, in 15 Monaten drei Bücher zu schreiben, ist das für den klassischen Markt sehr ungewöhnlich. Früher lagen zwischen der Ankündigung eines Buches und seinem Erscheinen anderthalb bis zwei Jahre. Hier haben wir hingegen eine Geschichte, die den Spannungsbogen bei den Leserinnen die ganze Zeit über aufrechterhält. Die Leserinnen erwarten eine authentische, schöne Geschichte, die nicht enden soll. Das ist eine völlig neue Herangehensweise. Genau dieses Interaktive, diese Lesernähe – das ist etwas, von dem ich eigentlich immer geträumt habe.

2018 wurde Bastei Lübbe restrukturiert. Was hat sich verändert?

Halff: Einerseits haben wir unser Beteiligungsportfolio bereinigt. Wir haben uns von den Beteiligungen getrennt, die für uns mittel- bis langfristig keinen strategischen Mehrwert haben. Beim Spielehersteller Daedalic, an dem wir 51 Prozent halten, prüfen wir zurzeit noch unsere Optionen. Gleichzeitig haben wir begonnen, unsere Abläufe auf Effizienzreserven zu prüfen.

Für ein börsennotiertes Unternehmen sind Sie klein. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Kluge: Wir hatten vor unserem Börsengang eine sehr erfolgreiche Mittelstandsanleihe. Das hat uns euphorisiert, daraufhin sind wir den nächsten Schritt gegangen. Wir hatten hohe Erwartungen: dass wir mit elf oder zwölf Euro rausgehen. Schon am ersten Börsentag kam die Ernüchterung, dass es gerade mal 7,50 Euro waren. Das war der erste Dämpfer; danach hat der Kurs ein Auf und Ab erlebt.

Wie wird sich Bastei Lübbe künftig verändern?

Halff: Auf der einen Seite wollen wir organisch wachsen. Auf der anderen Seite sehen wir, dass unser Kerngeschäft, der Buchmarkt, sehr fragmentiert ist und viele kleinere und mittelständische Unternehmen die natürliche Stärke des Großen suchen: im Vertrieb, in der Vermarktung, in den Systemen. Daher wollen wir zukaufen.

Wie werden technische Neuerungen das Geschäft beeinflussen?

Halff: Die technologische Entwicklung hilft unserem Gewerbe natürlich auch. Aber Social Media macht noch keine Bücher und Streaming macht noch keinen Absatz. Wir müssen schauen: Welches Produkt erwartet der Streaming-Kunde?

Wie viele Minuten, für welche Themen, für welche Anlässe? Streaming ist hoch interessant, weil wir damit Leute erreichen, die unterwegs sind. Wir können jetzt eigene Podcasts produzieren und haben auch eigene Tonstudios, in denen wir produzieren.

Stirbt das geschriebene Wort aus?

Kluge: Im Gegenteil. Schauen Sie mal auf Amazon, wie viele eigenproduzierte Texte es dort gibt. Der Drang – gerade der Deutschen – selbst zu schreiben und Geschriebenes zu lesen, ist ungebrochen. Er verlagert sich nur. Am Ende ist es eine Qualitätsfrage: Reicht uns der eigengeschriebene Stoff für 1,99 Euro? Oder führt nicht gerade das, was am Ende durch das Gespräch zwischen Lektor und Autor entsteht, zu einer Qualifizierung des Inhalts? Das ist eine Kaufentscheidung. Die Kunden sind bereit, für qualifizierte Informationen zu bezahlen.

Verlag und Menschen

Bastei Lübbe, ansässig in Köln-Mülheim, ist ein deutscher Publikumsverlag, der belletristische und populärwissenschaftliche Bücher, Hörbücher und E-Books veröffentlicht. Insgesamt gehören zwölf Verlage und Marken zur Unternehmensgruppe. Seit 2013 sind die Aktien des Unternehmens an der Börse notiert.

Im Jahr 2017 hat das Unternehmen deutliche Verluste gemacht. Im Zuge eines Restrukturierungsprogramms wurden durch Kündigungen und natürliche Fluktuation rund 50 Stellen abgebaut. Zum Schluss des Geschäftsjahrs Ende März rechnet Bastei Lübbe nun mit einem Umsatzvolumen von rund 90 Millionen und einer schwarzen Zahl.

Carel Halff, geboren 1951 im niederländischen Haarlem, ist seit 2017 Chef von Bastei Lübbe. Zuvor hat er von 1975 bis 2014 bei Weltbild gearbeitet – seit 1976 als Geschäftsführer.

Klaus Kluge, Jahrgang 1958, ist seit 2009 Geschäftsführer/Vorstand bei Bastei Lübbe und Programmchef. Zuvor unter anderem tätig für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels und das Staatstheater Hannover.