Der Bestand an Elektroautos in Deutschland wächst schneller als die öffentliche Ladeinfrastruktur. In NRW gibt es in puncto Ladesäulen noch viele weiße Flecken.
Hürden beim Ausbau der E-MobilitätWie viele Elektro-Autos in Köln und NRW um eine Ladesäule kämpfen
Wer überlegt, sich ein Elektroauto anzuschaffen, stellt sich automatisch die folgende Frage: Wo kann ich das Fahrzeug laden? Wer ein Eigenheim oder zumindest einen Stellplatz mit Stromanschluss besitzt, der kann auf die Steckdose oder – für schnelleres Laden – die sogenannte Wallbox zurückgreifen. Doch viele andere sind auf öffentlich zugängliche Ladestationen angewiesen. Und hier kommen wir zum Problem: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt nicht schnell genug voran.
Bundesregierung will 15 Millionen Elektroautos bis 2030
Rund ein Fünftel der Treibhausgasemissionen in Deutschland entfiel zuletzt auf den Verkehr. Um diese zu senken, sollen nach Plänen der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Bislang sind gerade einmal rund eine Million E-Autos in Deutschland zugelassen, hinzu kommen knapp 900.000 Plug-in-Hybride – deren Elektrofunktion in vielen Fällen gar nicht genutzt wird. Um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen, müssten also innerhalb von knapp sieben Jahren weitere 14 Millionen E-Autos zugelassen werden. Damit das klappt, muss eine entsprechende Versorgung an öffentlich zugänglichen Ladestationen zur Verfügung stehen.
„Um den Fahrern von konventionellen Pkw den Umstieg auf Elektroautos schmackhaft zu machen, können verschiedene Stellschrauben gedreht werden“, heißt es in einer Studie der KfW aus dem Jahr 2022. Demnach gehören Bedenken bezüglich der verfügbaren Ladeinfrastruktur nach wie vor zu den meistgenannten Gründen gegen einen Umstieg auf die Elektromobilität. „Dies betrifft private Ladepunkte zu Hause oder am Arbeitsplatz, aber insbesondere auch öffentliche Ladesäulen.“
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass die Verfügbarkeit von öffentlichen Ladepunkten einen positiven Einfluss auf die Verbreitung von Elektromobilität in Deutschland hat. Dennoch geht der Ausbau nur schleppend voran: Bei der Bundesnetzagentur sind derzeit rund 820.000 öffentlich zugängliche Ladestationen registriert. Bis zum Jahr 2030 sollen bundesweit mehr als eine Million Ladepunkte zur Verfügung stehen.
Derweil wird die Kluft immer größer, da der Bestand an Elektroautos schneller wächst als die öffentliche Ladeinfrastruktur. Wuchsen in den Jahren 2017 bis 2019 öffentliche Ladepunkte und Elektroautos noch ungefähr im Gleichklang, zeigten sich zuletzt unterschiedliche Geschwindigkeiten: Der Bestand an Fahrzeugen hat sich seit 2020 fast verachtfacht, während sich die Ladepunkte nicht einmal verdreifacht haben. Anders betrachtet teilen sich in Deutschland nun dreimal mehr Elektroautos einen öffentlichen Ladepunkt: Während im Jahr 2019 noch acht Elektroautos auf einen öffentlichen Ladepunkt kamen, sind es heute bereits 23 Fahrzeuge. Dies sind auch deutlich mehr als die von der EU ursprünglich als indikative Zielgröße genannten zehn Elektroautos pro öffentlichem Ladepunkt.
Nur eine Stadt in NRW erfüllt den EU-Richtwert für Ladeinfrastruktur
Im NRW-weiten Vergleich erreicht nur eine einzige Stadt im bevölkerungsstärksten Bundesland den EU-Richtwert von zehn Fahrzeugen je Ladesäule: die 9000-Einwohner Gemeinde Borgholzhausen im Kreis Gütersloh. Auf 167 gemeldete Hybrid- bzw. Elektroautos kommen hier 16 öffentlich zugängliche Ladesäulen. Am schlechtesten sieht es nur 30 Kilometer entfernt aus: In der rund 6000 Einwohner zählenden Gemeinde Beelen im Kreis Warendorf sind zwar 98 Elektro-Fahrzeuge gemeldet – es gibt aber keine einzige öffentlich zugängliche Ladesäule.
Diese kurze Distanz zwischen Gemeinden mit besonders guter und besonders schlechter Ladeinfrastruktur ist symbolisch für die Lage in Nordrhein-Westfalen: Das Gesamtbild ist stark zerklüftet. Sowohl in ländlich geprägten Regionen als auch in den Ballungszentren gibt es Orte mit einer Vielzahl an öffentlichen Ladepunkten sowie Orte, in denen es E-Fahrzeug-Besitzerinnen und -Besitzern schwerer fallen dürfte, eine (freie) Ladesäule zu finden.
Aachen landet unter anderem gemeinsam mit Dortmund im NRW-weiten Ranking auf Platz 12 mit 25 E-Autos, die sich dort jeweils eine Ladesäule teilen. Düsseldorf landet auf Platz 25 (38 Fahrzeuge je Ladepunkt), Bonn auf Platz 33 (46 Fahrzeuge je Ladesäule), Köln holt Platz 36 (49 Fahrzeuge je Ladesäule), Leverkusen Platz 127 (180 Fahrzeuge je Ladesäule). Unter den Großstädten ist Mülheim an der Ruhr das Schlusslicht in Nordrhein-Westfalen: Mit 293 Fahrzeugen, die sich eine öffentlich zugängliche Ladesäule teilen, reicht es nur für Platz 147 von 155.
Nur ein Bruchteil der Ladesäulen in NRW sind Schnellladepunkte
Doch es kommt nicht nur auf die Anzahl der Ladepunkte an: Der aktuelle Entwurf der EU-Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe stellt eine verfeinerte Zielgröße in den Mittelpunkt. Zusätzlich zur Zahl der Elektrofahrzeuge je Ladepunkt soll auch die Ladeleistung pro Elektroauto als Bewertungsgrundlage dienen. Bis 2025 sollen die EU-Mitgliedstaaten pro neu zugelassenem Elektrofahrzeug eine zusätzliche Ladeleistung von 1,3 kW aufbauen. „Dies ist sinnvoll, da es letztendlich auf die Leistungsfähigkeit der Ladepunkte ankommt“, heißt es in der KfW-Studie. Je schneller ein E-Fahrzeug vollgeladen ist, desto eher kann ein weiteres Fahrzeug den Ladepunkt nutzen.
Das bestätigt auch Maren Klein, Pressesprecherin der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums den Ausbau koordiniert: „Es ist nicht ausreichend, lediglich Ladepunkte zu zählen, um den Erfolg des Ausbaus der Ladeinfrastruktur zu bewerten. Normalladepunkte mit einer Ladeleistung von 11 kW und HPC-Ladepunkte (HPC (High-Power-Charging) = Schnellladepunkte, Anm. d. Red.) mit einer Ladeleistung von mehr als 150 kW erfüllen unterschiedliche Funktionen und leisten unterschiedliche Beiträge zur Deckung des Gesamtbedarfs.“
NRW-weit zeigt sich jedoch, dass gerade einmal jede siebte öffentliche Ladesäule ein Schnellladepunkt (mit einer Ladeleistung von mehr als 22 kW) ist. „Somit konkurrieren immer mehr Fahrzeuge um die Lademöglichkeiten, was die Alltagstauglichkeit von Elektroautos potenziell einschränken könnte – vor allem für Nutzer, die keine privaten Lademöglichkeiten nutzen können“, so das Fazit der KfW-Studie.
Wo die Ladeinfrastruktur in NRW primär ausgebaut werden muss, lässt sich Maren Klein zufolge nicht pauschal sagen: „Insbesondere muss die Ladeinfrastruktur den lokalen und regionalen Erfordernissen entsprechen.“ Denn die Anforderungen beim Ausbau unterscheiden sich nach Region und Siedlungsstruktur. „Aufgrund der Siedlungsstruktur im ländlichen Raum verfügen beispielsweise erheblich mehr Menschen über eigene Stellplätze, die es möglich machen, eine eigene private Ladevorrichtung zu nutzen.“ Der Ausbaubedarf für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur ist daher geringer. „Gleichzeitig führt die damit verbundene geringere Nachfrage im ländlichen Raum zu einer im Vergleich geringeren wirtschaftlichen Attraktivität für potenzielle Betreiber. In urbanen Räumen stellt hingegen die Verfügbarkeit geeigneter freier Flächen eine bedeutendere Herausforderung dar.“
Zu diesen Herausforderungen zählen Klein zufolge unter anderem die Aufgabenlast bei Kommunen, Schwierigkeiten bei der Flächensuche oder oft lange Vorlaufzeiten bei der Genehmigung, ebenso wie Verzögerungen in den Lieferketten sowie ein Mangel an Personal bei Bau- und anderen Unternehmen. Eine Auswertung der Leitstelle Ladeinfrastruktur stuft den Bedarf zusätzlicher Ladepunkte bis 2030 in ganz NRW als „hoch“ ein, ganz besonders jedoch in den Ballungsgebieten im Ruhrgebiet und im Rheinland.