Rund 2800 Menschen aus der Ukraine haben Arbeit in Köln gefunden. Sie tragen dazu bei, dass die Beschäftigtenzahlen wachsen – die Arbeitslosigkeit in der Stadt ist trotzdem hoch.
Eine von 2800Wie Oleksandra es von Kiew zur Kölner Arbeitsagentur geschafft hat
Oleksandra hat sich detailliert vorbereitet. Sie soll erzählen, wie es sie vor knapp drei Jahren von Kiew nach Deutschland verschlagen hat. Die 51-Jährige hat ihr Notizbuch mit deutschen Sätzen gefüllt, sodass ihr bloß keine Worte fehlen, wenn sie von ihrem Schicksal berichtet. Bevor sie von ihrer Flucht mit den zwei Töchtern aus der ukrainischen Hauptstadt spricht, bedankt sie sich: bei der deutschen Gesellschaft für die Hilfe in der Not, bei ihrem Arbeitgeber für den Job und bei ihren Kollegen für deren Geduld und Unterstützung.
Es sind Momente wie diese, in denen die schlechten Nachrichten der vergangenen Tage, Wochen und Monate kurz in den Hintergrund rücken. Dass Oleksandra irgendwann mal bei der deutschen Agentur für Arbeit beschäftigt ist, Post sortiert und Anträge an Bundesministerien weiterreicht, hätte sie sich wohl kaum träumen lassen. 27 Jahre lang hat die Ukrainerin im öffentlichen Dienst gearbeitet, unter anderem im Parlament ihres Landes.
„Der Jobturbo kommt an“
Normalerweise sitzen Menschen wie Oleksandra auf der anderen Seite des Schreibtisches und stellen Anträge für Integrationskurse. Zum Deutschlernen, zum Umschulen, zum Neuorientieren. 2387 ukrainische Staatsangehörige waren im Dezember 2024 in Köln arbeitslos gemeldet, Tendenz sinkend. „Der Jobturbo kommt an“, sagt Johannes Klapper, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Köln. Die Strategie Deutschlands, Geflüchtete erst die Sprache lernen zu lassen und sie danach erst in den Arbeitsmarkt zu integrieren, stand immer wieder in der Kritik. Dann zündete Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Jobturbo: Geflüchtete sollen auch ohne gute Deutschkenntnisse auf offene Stellen vermittelt werden und im Arbeitsalltag die Sprache lernen.
Die Kölner Arbeitsagentur hatte im Jahr 2023 viele Bewerberbörsen durchgeführt, um Geflüchtete schneller in den Job zu bringen. „Das Interesse der Arbeitgebenden war groß, zu Einstellungen ist es aber nicht in dem Maße gekommen, wie wir uns das erhofft haben“, sagt Klapper. Das liege zum einen an der wirtschaftlichen Situation. Zum anderen gebe es eine Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität: „Die Anforderungen vieler Unternehmen sind hoch, gleichzeitig die Sprachkenntnisse und formalen Qualifikationen der Geflüchteten häufig geringer als erhofft.“
Mit gutem Beispiel vorangehen
Die Arbeitsagentur wolle mit gutem Beispiel vorangehen und sich der gesellschaftlichen Verantwortung stellen, erklärt der Chef: Seit dem Sommer arbeiten fünf geflüchtete Menschen hier, als Teamassistenten in unterschiedlichen Bereichen, lernen nebenbei Deutsch. Einmal in der Woche kommt ein Deutschlehrer in die Agentur, sonst helfen Kollegen.
Klapper ist sich sicher: Ohne Menschen wie Oleksandra und ohne Firmen, die sich für Integration einsetzen, kommen wir nicht weiter. Die Beschäftigtenzahlen wachsen zwar, doch nur durch Menschen aus dem Ausland. Wären sie nicht hier, hätten wir von Jahr zu Jahr immer weniger Beschäftigte. Das zeigt sich auch in Köln: In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 8,4 Prozent gestiegen. Zu Ende März 2024 waren es mehr als 627.900, rund zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Der Zuwachs kommt vor allem von Menschen ohne deutschen Pass. 17,6 Prozent der Beschäftigten in Köln kamen aus dem Ausland, das waren fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Rund 13.000 Beschäftigte kommen aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.
Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau
Während die absolute Zahl der Beschäftigten zwar aufgrund des Zuzugs wächst, steigt gleichzeitig auch die Arbeitslosigkeit, da nicht alle diese Menschen direkt in Arbeit kommen. Hinzu kommt, dass zwar mehr Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, es aber immer weniger Stellen zu besetzen gibt. In Köln waren im Jahresdurchschnitt 2024 rund 55.000 Menschen arbeitslos gemeldet, das sind 4,2 Prozent mehr als im Vorjahresschnitt. Knapp 39.000 Kölnerinnen und Kölner bekamen zum Jahresende Grundsicherung, 15.700 Arbeitslosengeld.
Vor allem die Entlassungswellen großer Konzerne lassen die Zahl der ALG-Empfänger steigen: 12,8 Prozent mehr Menschen als zum Jahresende 2023 bekamen Arbeitslosengeld. Dem Jobmarkt stehen so zwar qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung, doch auch hier gehen Wunsch und Realität oft weit auseinander: Wer beispielsweise jahrzehntelang für einen Arbeitgeber tätig war, erhält auch eine entsprechende Vergütung. Ist der Job nun weg, gibt es zwar Branchen, die genau solche Kenntnisse brauchen, aber mitunter schlechter bezahlen.
Für das laufende Jahr erwartet Arbeitsagenturchef Klapper keine großen Überraschungen. „Wir müssen uns auf eine anhaltende Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt einstellen. Die Konjunktur- und Wirtschaftsschwäche wird den Kölner Arbeitsmarkt weiter belasten“, sagt er. 25 Millionen Euro stehen bereit, um Arbeitslosengeldempfänger weiterzubilden und zu qualifizieren. Für Menschen in der Grundsicherung sind es laut Klapper insgesamt 50 Millionen Euro.
Menschen wie Oleksandra werden dabei helfen, Anträge stellen und ihre Kompetenzen einbringen. Ohnehin hat die 51-Jährige nur ein Ziel: Sie wünscht sich, dass ihr Mann zur Familie dazustoßen kann. Und dann bleiben sie in Köln – „es ist nämlich schön hier“.