Kölner Bewerbungsexperte„Bei großen Konzernen wird bald massiv Personal abgebaut“
- Die Situation auf dem Arbeistmarkt ist komfortabel wie nie – aber das wird sich wohl schon im kommenden Jahr ändern.
- Bewerbungsexperte Michael Vetter über die Jobs der Zukunft und die Qualifikationen, die dann wichtig werden.
Herr Vetter, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt?
So komfortabel wie der Markt zurzeit für Bewerber ist, wird er nie wieder sein – zumindest nicht in absehbarer Zeit. Die Arbeitslosenquote liegt deutschlandweit bei 4,9 Prozent. Unter fünf Prozent sprechen wir von Vollbeschäftigung. In Köln und Nordrhein-Westfalen liegt sie mit 7,8 Prozent beziehungsweise 7,1 Prozent zwar etwas höher, die Situation ist aber noch immer hoch komfortabel. Ich schätze, dass das noch etwa ein Jahr so bleibt – danach wird es schwieriger. Bei den großen Konzernen im Rheinland und bundesweit wird dann massiv Personal abgebaut.
Zur Person
Michael Vetter, 1972 in Wuppertal geboren, ist Bewerbungsexperte für den deutschsprachigen Raum. In fünf Bewerbungsregeln erklärt er Kandidaten das beste Vorgehen bei der Jobsuche. Außerdem arbeitet er als Radiosprecher, Redakteur und Leiter von Rhetorik- und Kommunikationsseminaren. Seit 1992 lebt Vetter in Köln. (elb)
Wieso?
In Folge der Digitalisierung werden viele Berufe verschwinden. Ein wirtschaftlich handelnder Betrieb tut sich und seinen Anlegern keinen Gefallen, wenn er Arbeit, die ein Roboter übernehmen kann, weiter von Menschen erledigen lässt. Dadurch wird in den kommenden fünf bis zehn Jahren die Arbeitslosigkeit ansteigen. Aber natürlich entstehen auch neue Jobs, zum Beispiel in der Informationstechnologie, im Ingenieurswesen, in der Bildung oder der Pflege. All das, was Kraft braucht, wird künftig gewiss ein Roboter übernehmen. Wenn sie aber rechtzeitig die richtigen Berufe in den Blick nehmen, haben Bewerber gute Chancen. Eine gute Bildung ist dabei zentral.
Welche Qualifikationen brauchen Arbeitnehmer noch?
Gerade Soft Skills wie Empathie, Kommunikation, Einfühlungsvermögen und Kompromissbereitschaft gewinnen an Bedeutung. Alles, was mit Menschen zu tun hat. Da tun sich übrigens viele Männer deutlich schwerer als Frauen – der Arbeitsmarkt der Zukunft ist weiblich. Gerade Frauen über 50 können auf dem heutigen Arbeitsmarkt sehr selbstbewusst auftreten.
Inwiefern verändern sich auch Bewerbungsverfahren?
Immer häufiger werden E-Bewerbungen eingefordert, die Bewerber miteinander vergleichbar machen. Teils entscheiden auch bereits Algorithmen über geeignete Kandidaten. In den USA hat beispielsweise Amazon einen Algorithmus geschaffen, der mit Daten von aktuellen Mitarbeitern gefüttert wird. Das System schaut dann, welche Bewerber ein ähnliches Profil haben, und wählt diese aus. In der Anwendung haben die Verantwortlichen allerdings schnell gemerkt, dass der Algorithmus ihnen nur männliche Bewerber vorschlug. Es waren nämlich nur Daten von männlichen Mitarbeitern eingepflegt worden – Bewerbungen von Frauen siebte der Algorithmus also gleich aus. Da gibt es also noch einige Hürden. Das System ist immer nur so gut wie sein Programmierer.
Welche Rolle spielen Netzwerke wie Linkedin heute für Bewerber?
Das kommt immer auf die Branche an. Als Dachdecker sind Sie bei Linkedin nur mäßig gut aufgehoben. Grundsätzlich sind diese Plattformen aber schon seit Jahren von Bedeutung. Nichtsdestotrotz ist der persönliche Kontakt nach wie vor sehr wichtig. Ich würde Bewerbern immer empfehlen, bei den Unternehmen vorbeizuschauen, bei denen sie sich bewerben wollen. So lernt man gleich die Mitarbeiter vor Ort kennen. Und man möchte schließlich auch selbst den potenziellen Arbeitsplatz kennen.
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Der persönliche Kontakt ist nur eine Ihrer Bewerbungsregeln. Was sind die anderen?
Zunächst muss ich mir als Bewerber darüber im Klaren sein, was ich überhaupt will. Anschließend hole ich mir Informationen über potenzielle Arbeitgeber ein, zum Beispiel über Verbände und Vereine. Anschließend nehme ich mit dem Unternehmen Kontakt auf – und erst, wenn ich vor Ort war, folgt die klassische Bewerbung. Dann kann ich mich dort nämlich auf das persönliche Treffen beziehen. Ans Ende der Bewerbung kommt dann der klare Appell: bitte nehmen Sie mich!
Was empfehlen Sie Bewerbern, die keine Antwort bekommen?
Ich empfehle ihnen gerne, in diesem Fall den Arbeitgebern eine Absage zu schicken: „Ich habe mich für einen anderen Arbeitgeber entschieden und wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche. Anbei finden Sie meine Rechnung.“ Und dort listet man dann die Kosten für Passbild, Porto, Briefumschlag und eine Arbeitsstunde zu Mindestlohn aus. Fast 30 Prozent der Firmen, die von meinen Seminarteilnehmern eine solche Absage erhalten, überweisen den geforderten Betrag anstandslos. Jede Sechste meldet sich beim Bewerber und lädt ihn sogar gegebenenfalls zu einem Vorstellungsgespräch ein.