Mit Pfiffen und Buhrufen macht sich die Belegschaft bei Ford Luft. Von den Plänen der US-Konzernmutter, massiv Stellen zu streichen, ist vor allem Köln betroffen. Der Betriebsratschef spricht von einem „Skandal“.
Kölner Ford-WerkeMassiver Stellenabbau droht – Stimmung bei Betriebsversammlung aufgeheizt
Pfiffe, Buh-Rufe und rote Karten – die Stimmung war aufgeheizt und kämpferisch, als Tausende Ford-Mitarbeiter am Montagmorgen um 9.45 Uhr zu einer außergewöhnlichen Betriebsversammlung auf dem Werksgelände in Köln-Niehl zusammenkamen. Nicht alle, die reinwollten, schafften es in die völlig überfüllte Halle, weswegen der Betriebsrat neben einer bereits geplanten zweiten noch eine dritte Versammlung an dem Tag anbieten musste.
Die Sorge in der Belegschaft ist groß, denn beim Kölner Autobauer geht gerade mal zwei Jahre nach dem letzten großen Sparprogramm mit 5400 gestrichenen Stellen nun erneut die Job-Angst um.
In Deutschland geht es vor allem um die Zukunft des Entwicklungszentrums in Köln-Merkenich mit rund 3800 Beschäftigten. Auch die Ford-Verwaltung ist von den Plänen betroffen. Durch die Umstellung auf Elektro sollen darüber hinaus Arbeitsplätze im nahe gelegenen Ersatzteil-Zentrum mit jetzt knapp 1200 Stellen wegfallen. Auch am Forschungszentrum in Aachen drohen Einschnitte.
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Scharfe Kritik an den Plänen
Der neue Ford-Chef Martin Sander, der in Europa auch die Elektrosparte verantwortet, sagte sehr zum Unmut der versammelten Belegschaft, dass sie bis Mitte Februar auf konkrete Zahlen warten müssten. Betriebsratschef Benjamin Gruschka übte scharfe Kritik.
„Es ist ein Skandal, dass die Geschäftsführung nicht bereit ist, der Belegschaft das konkrete Ausmaß zu nennen. Wir haben das übernommen, obwohl das nicht unsere Aufgabe ist“, sagte Gruschka unter Beifall. Die Belegschaft sei extrem verunsichert, „das hat hier massive Ängste ausgelöst“, so der Betriebsratschef.
Die bislang bekannten Zahlen aus den USA sehen laut Gruschka vor, dass im Bereich Produktentwicklung von den derzeit 6250 Beschäftigten in ganz Europa im besten Fall 3700 Mitarbeiter, im schlechtesten Fall nur noch 2200 Mitarbeiter bis Ende 2024/2025 im Unternehmen verbleiben sollen. Das hieße, zwischen rund 2500 und 4000 Menschen verlören ihre Jobs.
Betroffen seien die Standorte Köln-Merkenich mit 3800 Mitarbeitern, wo rund 2500 Entlassungen drohen, sowie das belgische Lommel und das britische Dunton. Hinzu kommen laut Betriebsrat noch rund 700 Stellen in der Verwaltung. „Allein für den Standort Köln wären das 3200 Jobs, die gestrichen werden“. Und Fakt sei gerade mit Blick auf die Produktentwicklung: „Was am Anfang nicht entwickelt wird, kann später auch nicht hier gebaut werden!“
„Das sind wirklich schlechte Nachrichten für Köln“, sagt ein langjähriger Ford-Mitarbeiter. „Wir dachten, wir hätten nach der letzten Sparrunde das Schlimmste hinter uns. Dass jetzt wieder der Hammer kreist, ist echt bitter“. Die mehr als einstündige Betriebsversammlung wurde immer wieder von Pfiffen und Buh-Rufen begleitet, mit denen die Belegschaft ihrer Wut Luft machte. Der Betriebsrat hatte im Vorfeld Rote Karten verteilt, die immer wieder hochgehalten wurden.
Umstellung auf E-Mobilität
Ford leidet in Europa unter Absatzproblemen. Die Corona-Pandemie mit Werksschließungen, aber auch fehlende Halbleiter und daraus folgende Produktionsunterbrechungen machten Ford zu schaffen. Hinzu kommt aber vor allem auch die Umstellung von der Verbrennertechnologie auf Elektromobilität. Für den Bau eines batteriebetriebenen Fahrzeugs sind deutlich weniger Komponenten und damit auch weniger Entwicklungsarbeit nötig.
Ford nutzt zudem bis 2030 die MEB-Plattform von Volkswagen, übernimmt also bei den beiden neuen E-Modellen, die ab diesem Jahr in Köln vom Band laufen, einige Vorgaben des Wolfsburger Konzerns. Auch das macht weniger eigene Entwicklung erforderlich. Langfristig will Ford in Europa aber Fahrzeuge auf einer eigenen Plattform bauen. Die soll aber vor allem in den USA entwickelt werden, wie der neue Ford-Deutschland-Chef Martin Sander jüngst in einem Interview ankündigte. Daraus kann man ableiten, dass der größte Teil der Entwicklung in den USA zentralisiert werden soll.