Kaum eine Marke ist so eng mit der kölschen Stadtgeschichte verwoben wie 4711. Eine historische Reise zu den Anfängen des Duftwassers, der französischen Besatzung Kölns und einer zerstrittenen Familie.
Kölner Marken-SerieWieso wir 4711 den Franzosen zu verdanken haben
Die Menschen in Köln sind mit 4711 getauft, das singen zumindest die „Klüngelköpp“. Ganz so weit hergeholt ist die Liedzeile nicht, denn die Traditionszahl ist Teil der Stadtgeschichte. Und auch jenseits kölscher Musik ist die 4711-Parfümflasche bekannt: Jedes Jahr besuchen rund 100.000 Touristen das ikonische Dufthaus in der Glockenstraße. Ein Blick in die Historie der Marke.
Die Legende des Kartäusermönchs
Der Ursprung von 4711 liegt bei zwei Kölner Traditionsfamilien: Farina und Mülhens. Anfang des 18. Jahrhunderts kam Johann Maria Farina aus Italien nach Köln und brachte das Parfümhandwerk mit. Sein Duftwasser nannte er zu Ehren seiner neuen Heimatstadt „Eau de Cologne“. Noch heute gibt es das Duftwasser „Farina 1709 Eau de Cologne“ zu kaufen.
Das Kölnisch-Wasser war so beliebt, dass zahlreiche Geschäftstüchtige ihre Chance witterten und Plagiate auf den Markt brachten. So auch der 30-jährige Kaufmann Wilhelm Mülhens: Die Rezeptur des „Aqua Mirabilis“, auf Deutsch: heilendes Wunderwasser, bekam er der Legende nach von dem Kartäusermönch Franz Maria Farina zur Hochzeit geschenkt. Bewiesen ist diese Geschichte nicht. Dennoch findet sich in historischen Aufzeichnungen ein Herkunftsnachweis aus dem Jahr 1799: „Franz Maria Farina – Klöckergasse No. 4711 in Cöln a. R.“.
Die Hausnummer 4711: Ein Andenken an die Franzosen
Die damalige Klöckergasse heißt heute Glockengasse - und hier, in der früheren Hausnummer 4711, hat die Parfümmarke noch immer ihren Stammsitz. Die Hausnummer haben übrigens die Franzosen bestimmt: Als sie sich Ende des 18. Jahrhunderts links entlang des Rheins ausbreiteten, nummerierten sie alle Gebäude in Köln fortlaufend.
Das sollte es den Truppen erleichtern, sich einzuquartieren. Vorher mussten sich die Militärs etwa zum „Haus zum Bären“ oder zum „Ochsenhaus“ durchfragen. So bekam das Haus von Wilhelm Mülhens in der Glockengasse die Nummer 4711 - hier waren seine Destillerie und Duftmanufaktur untergebracht. Im Jahre 1875 wurde „4711“ als Marke ins deutsche Handelsregister eingetragen - selbst, als die durchlaufende Nummerierung wieder abgeschafft worden war und die Nummern straßenweise vergeben wurden.
Napoleons Erbe: Erst Arznei, dann Parfüm
Die Franzosen sind nicht nur für den Namen verantwortlich, sondern auch dafür, dass 4711 ein Duft ist und keine Medizin. Ursprünglich war das Wunderwasser ein Pharmazeutikum, das getrunken werden sollte - entweder pur oder mit Wein gemischt. Als Napoleon Bonaparte im Jahr 1810 die Rezepturen aller innerlich anzuwendenden Pharmazeutika einsehen wollte, wurden die 4711-Macher kreativ. Um das Firmengeheimnis zu wahren, deklarierten sie ihr Kölnisch-Wasser kurzerhand zum äußerlich anwendbaren Heilmittel. Auch heute ist nicht bekannt, wie genau sich das Duftwasser zusammensetzt. Nur, dass es Bergamotte, Zitrone, Orange, Neroli, Pettigrain, Lavendel und Rosmarin enthält.
Statt in einer Medizinflasche wurde 4711 fortan in dem mittlerweile ikonischen „Molanus-Flacon“ verkauft, entworfen von Peter Heinrich Molanus. Die „Molanus-Flasche“ sollte nicht nur den Wiedererkennungswert des Parfüms erhöhen, sondern den Duft atmen lassen und für einen stabilen Stand sorgen. Den Prominenten des 19. Jahrhunderts gefiel die Kreation jedenfalls: Zu den 4711-Fans zählten Johann Wolfgang von Goethe, Richard Wagner, Winston Churchill und Zar Nikolaus II.
4711 wird zur Dachmarke und will sich moderner aufstellen
Mittlerweile ist aus 4711 eine Dachmarke geworden. Während die sieben Hauptinhaltsstoffe des „Echt Kölnisch Wasser“ seit 1792 unverändert sind, gibt es heute auch Abwandlungen mit Blumenduft oder Mandarine und Kardamom. Und auch die Vermarktung im Dufthaus in der Glockengasse ist längst im 21. Jahrhundert angekommen: Die jährlich rund 100.000 Besucher können sich am Duftbrunnen erfrischen, in Seminaren eigene Parfüms kreieren und an historischen Führungen teilnehmen.
Die Familie Mülhens macht indes weniger durch ihr Kultprodukt Schlagzeilen, sondern durch interne Streitigkeiten. So etwa in den 1990er Jahren, als 4711 kräftig an Umsatz einbüßte und Millionenverluste anhäufte. Die Familie landete immer wieder vor Gericht, mal ging es um familienfremde Manager, mal um Kosten für Firmenfeste. Im Jahr 1994 verkaufte die Familie das Unternehmen an Wella, neun Jahre später ging es an den US-Konzern Procter & Gamble. Seit 2007 gehört es Mäurer und Wirtz.
Zuletzt machte die Familie mit ihrem Reitgestüt Röttgen in Rath/Heumar Schlagzeilen, das einst vom 4711-Inhaber gegründet wurde. Eine Erbin der 4711-Dynastie wollte in alter Familientradition ihren „4711.“ Geburtstag (47 Jahre und elf Monate) auf Schloss Röttgen feiern, was ihr untersagt wurde. Der Streit landete vor Gericht.