Kölner SiegelFairtrade im Coronajahr erstmals mit Umsatzverlust
Köln – Erstmals seit der Gründung des Siegels vor fast 30 Jahren ist der Umsatz mit deutschen Fairtrade-Produkten 2020 leicht gesunken. Wie der Kölner Verein Transfair mitteilte, kauften die Verbraucher im Pandemie-Jahr Produkte im Wert von 1,9 Milliarden Euro – fünf Prozent weniger als im Vorjahr.
Grund dafür war unter anderem der starke Einbruch bei fairer Mode. Weil Textilgeschäfte im Lockdown geschlossen blieben, ging die Anzahl der verkauften Kleidungsstücke um rund 30 Prozent zurück. Auch der Außer-Haus-Verzehr zum Beispiel in Kantinen oder im Bistro der Deutschen Bahn, wo es nur fairen Kaffee gibt, brach ein. In den vergangenen 15 Jahren war Fairtrade stets zweistellig gewachsen. 2020 hatte der Zuwachs noch bei 26 Prozent gelegen.
„Kein Alarmsignal“
„Für uns ist das kein Alarmsignal“, sagte Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von Transfair, dem Kölner Stadt-Anzeiger am Mittwoch. Man hänge „keine schwarzen Fahnen aus dem Fenster“. Alle Signale deuteten darauf hin, dass der Zuspruch für Fairtrade-Produkte weiter hoch sei. „Überall da, wo sie im Handel zu kaufen waren, haben sie zugelegt. Im Lebensmitteleinzelhandel gab es ein klares Plus. Die Leute haben wertiger eingekauft – und davon haben wir profitiert.“
Das zeige das Beispiel fairer Kaffee: Im Lebensmitteleinzelhandel sei der Absatz um ganze 17 Prozent gestiegen. Da aber viele der Möglichkeiten zum Außer-Haus-Verzehr wegbrachen, lag der mengenmäßige Zuwachs unter dem Strich am Ende bei nur noch sechs Prozent auf 24 000 Tonnen. Besonders stark war das Wachstum bei Tafelschokoladen (plus 39 Prozent) und Fairtrade-Zucker (plus 31 Prozent auf 7 700 Tonnen). Fruchtsaft (plus vier Prozent auf 16,5 Millionen Liter) und Blumen (trotz anfänglicher Lieferschwierigkeiten plus sieben Prozent auf 507 Millionen-Stiele) legten ebenfalls zu.
Rückgang bei Bananen
Ein Verlierer des Jahres war dagegen – ganz ohne Einfluss der Pandemie – die Fairtrade-Banane: Hier gab es einen Absatzrückgang von 14 Prozent auf 112 000 Tonnen. Grund dafür waren hart ausgefochtene Preiskämpfe im Handel, der das Kilo konventioneller Bananen teils für deutlich unter einem Euro anbot. Overath sagte am Mittwoch, man müsse sich „schämen“ angesichts solcher Preise. „Denn Billigbananen erzeugen definitiv Armut in den Anbauländern.“
Er rechnet damit, dass Fairtrade aber bereits 2021 wieder wachsen wird. Es kämen einige hundert neue Fairtrade-Produkte auf den Markt, das erste Quartal zeige bereits Signale der Erholung. Ein relativ neues Wachstumsfeld ist dabei die Arbeitsbekleidung. Immer mehr große Unternehmen wie Obi, Norma, Kaufland oder die Berliner Verkehrsbetriebe stellen vollständig auf faire Klamotten um. Es sei wünschenswert, dass auch die Stadt Köln – 2017 immerhin „Hauptstadt des Fairen Handels“ – nachziehe, sagte Overath.
Messelatte steigt
Die Zeit scheint dabei für Fairtrade zu spielen: Im vergangenen Jahr wuchs die Bekanntheit des Siegels laut einer Umfrage auf 90 Prozent. Und – der Zeitgeist verändert sich. „Zwei Themen sind nicht mehr vom Tisch zu kriegen: Klima und soziale Gerechtigkeit“, sagte Overath. „Die Messlatte, die junge Menschen bei Unternehmen anlegen, steigt.“ Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeitsbehauptungen von Unternehmen würden immer kritischer hinterfragt. „Glaubwürdigkeit gibt es nur über eine unabhängige Zertifizierung.“ Er hob hervor, dass der Handel hier weitaus progressiver sei als die großen Markenhersteller wie Nestlé und Coca Cola. Hier seien Bekenntnisse häufig nicht mehr als „Prosa“.
Das könnte Sie auch interessieren:
In der Krise versuchte der Verein, seine Produzentenorganisationen mit einem Corona-Hilfsfonds über 15 Millionen Euro zu unterstützen. „Eine halbe Million Menschen in 900 Produzentenorganisationen aus rund 60 Ländern haben bereits profitiert – von Mundschutz und Desinfektionsmitteln bis zu Aufklärungskampagnen und Trainings, um ihre Produktion langfristig nachhaltiger zu machen. Und die Resilienz-Projekte gehen weiter“, sagte die Chefin von Fairtrade International, Nyagoy Nyong’o. Unterstützung gab es unter anderem vom Bundesministerium für Internationale Zusammenarbeit und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Außerdem konnten die Produzenten ihre Fairtrade-Prämie, die sie neben zugesicherten Mindestpreisen für ihre Ware bekommen, als eine Art Kurzarbeitergeld für ihre Belegschaft einsetzen.
Am Hauptsitz von Transfair in Köln gab es derweil eine räumliche Veränderung: nach 29 Jahren in Sülz zog der Verein aus Platzgründen nach Braunsfeld um.