Der Kölner Gründer Martin Peters erklärt, wieso man Nachbarn dafür bezahlen sollte, dass sie Pakete annehmen.
Drop-FriendsKölner Start-up macht 1500 Wohnungen und Geschäfte zu Paketshops
Treffen sich ein Imam, eine Juristin und ein Produktmanager. Das ist nicht der Beginn eines Witzes, sondern der einer erfolgreichen Unternehmensgeschichte. Osamah Aldoaiss, der nicht nur ausgebildeter muslimischer Vorbeter, sondern auch Softwareentwickler ist, Yasmin Werner und Martin Peters gründeten 2019 Drop-Friends. „Wo, wenn nicht in Köln, findet man so eine Konstellation in der Geschäftsführung?“, sagt Peters, „Köln steht für uns sehr stark für Diversität und Inklusion.“
Gertrud hatte die Pakete ihrer Nachbarn schon vorher entgegengenommen
Da ist die ältere Kölnerin Gertrud, eine der ersten Kundinnen von Drop-Friends, sagt Martin Peters. Eigentlich hatte er mit einer jüngeren Zielgruppe gerechnet, den Digital Natives. Doch er habe schnell festgestellt: „Bei uns registriert sich ein Querschnitt der Gesellschaft.“
Gertrud habe eh schon Pakete für ihre Nachbarn entgegengenommen, sagt Peters. Seitdem ihre Wohnung über die App von Drop-Friends als Annahmestelle gemeldet ist, bekommt sie auch Geld dafür. Und sie kann bestimmen, in welcher Größe und wie viele Pakete sie annehmen möchte sowie eine Zeitspanne, in der Pakete abgeholt werden können. Wie Öffnungszeiten. Nimmt sie ein Paket an, wird der Zustand fotografisch dokumentiert.
Lassen Nachbarn ihre Pakete nun zu Gertrud liefern, zahlen sie 99 Cent dafür. „Wenn Personen schon die Haftung für ein Paket übernehmen, ist es nur fair, wenn sie dafür vergütet werden.“ Und Drop-Friends wolle den Käuferinnen und Käufern mehr Bestimmung darüber geben, wo ihre Pakete landen, wenn sie nicht Zuhause sind. Und auch Einzelhändler oder Gastronomen können sich als Annahmestelle anmelden. Sie geben den Paketabholenden Gutscheine aus, die bei ihnen eingelöst werden können. „Wir bilden einen Service von der Community für die Community ab“, sagt der Gründer.
Start-up zählt drei Jahre nach Gründung 1500 Annahmestellen in Deutschland
Auf die Idee ist er gekommen, als er mit Yasmin Werner essen war und sie die Zustellung von Schuhen, die sie am nächsten Tag brauchte, verpasste: Abholung in der Paketstation erst am Folgetag möglich. Da muss es doch eine Lösung geben, erinnert sich Peters gedacht und gegoogelt zu haben. Aber die gab es für ihn nicht. „Zwei Wochen später hatte ich einen Businessplan fertig.“
Online ging die App dann 2020 einen Tag, bevor Corona NRW lahmlegte. Zwar boomte der Online-Handel, aber die Menschen waren auch zu Hause, um ihre Käufe anzunehmen. Trotzdem gibt es in Deutschland mittlerweile mehr als 1500 „Drop-Points“, wie die Annahmestellen genannt werden, ein Drittel davon in Köln. Ein zweites Zentrum ist Hamburg. In beiden Städten habe sein Start-up mehr Annahmestellen als es Packstationen von DHL gebe, sagt Peters.
Der Lindenthaler arbeitet meistens im Homeoffice oder mobil, trifft er sich mit Werner und Aldoaiss, dann im Gründerzentrum Startplatz im Mediapark. Zufällig im selben Gebäude arbeitete Peters früher schon, für eines der ersten deutschen Fintechs, Click and Buy. Später war er Produktmanager unter anderem bei Check24, bis er sagte: „Jetzt habe ich genug Erfahrung gesammelt, jetzt kann ich es auch selbst machen“, erinnert sich der heute 39-Jährige.
Ihm ist der soziale Aspekt seines Unternehmens wichtig. „Die Leute kommen so zusammen, wie sie sich sonst nicht treffen würden.“ Bei Gertrud könne man bei Paketabholung auch ein Stück selbstgebackenen Kuchen essen.
Kölner Start-up Drop-Friends will CO2-Emission durch Paket-Weiterfahrten verringern
Das dürfte zwar ein Einzelfall sein, aber es hat auch einen ökologischen Mehrwert, wenn Pakete erfolgreicher „erstzugestellt“, also nicht noch weiter zu einer Station gefahren werden. Studien gehen davon aus, dass fünf bis 25 Prozent der Pakete in Deutschland nicht beim ersten Versuch zugestellt werden.
Welchen Vorteil ein höherer Anteil von Erstzustellungen hat, untersuchte Drop-Friends in einer Fallstudie zusammen mit Skinbro, einem Onlinehandel für Pflegeprodukte für Männer. Demnach konnte Skinbro die Retouren verringern, die wegen nicht abgeholter Ware in Paketshops häufig entstünden, und es seien 24 Prozent weniger Nachfragen im Service eingegangen.
Peters denkt für die Expansion von Drop-Friends in ganzen Stadtgebieten. Die nächsten Ziele sind Wien, Maastricht und Amsterdam. Und Drop-Friends arbeitet an einer Partnerschaft mit Wohnungsunternehmen: Peters stellt sich eine Art Concierge-Service für die Mieterinnen und Mieter über die Hausverwaltung vor.