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Kölner Zuckerproduzent Pfeifer & Langen„Wir arbeiten an Rübenzucker ohne Kalorien“

Lesezeit 6 Minuten
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Zuckerproduktion bei Pfeifer&Langen

Köln

Pfeifer & Langen – Hersteller von „Diamant“-Zucker – ist einer der vier großen deutschen Zuckerproduzenten und hat seinen Hauptsitz in Köln. Eigentlich ist das Unternehmen sehr verschwiegen. In einem der seltenen Interviews hat Geschäftsführer Michael Schaupp mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Arbeit an einem Zucker ohne Kalorien, Hamsterkäufe und die schwierige Situation der Rübenbauer in Deutschland gesprochen.

Herr Schaupp, auf Zucker zunehmend zu verzichten gilt heute als gesund. Wie sehr spüren Sie diesen Druck auf das Geschäft des Zuckerherstellers Pfeifer & Langen?

Ich habe da wirklich wenig Sorge was den Zuckerkonsum angeht. Allerdings brauchen wir eine ehrliche Debatte. Die Verbraucher müssen die Kalorienbilanz in Summe sehen, also das Gleichgewicht aus Kalorienaufnahme und Verbrauch. Zucker, Salz und Fette stehen einseitig in der Kritik. Wir müssen aber Aufklärung betreiben, das zu einem gesunden Lebensstil eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung gehört, und uns der Diskussion stellen. Zuckerreduzierung ist nicht gleich Kalorienreduzierung. Die zuckerfreien Ersatzprodukte sind nicht automatisch ärmer an Kalorien oder gesünder.

Hat Zucker heute ein Imageproblem?

Diese Image-Betrachtungen sind schnelllebig. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen: Der Einzelhandel nimmt aktuell wieder größere Mengen ab. Wir spüren aufgrund Corona reißenden Absatz von Zucker und zuckerhaltigen Lebensmitteln.

Zu Person und Unternehmen

Michael Schaupp ist seit September 2016 Geschäftsführer bei Pfeifer & Langen (Diamant Zucker) und verantwortet die Bereiche Produktion, Einkauf und Qualitätsmanagement.

Fünf der sechs Werke von Pfeifer& Langen – die in Euskirchen, Jülich, Elsdorf, Appeldorn und Lage – liegen in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 2440 Mitarbeiter, Hauptsitz ist Köln.

Wie haben Sie Corona gespürt?

Viele sprachen von Hamsterkäufen und richteten ihren Blick immer nur aufs Toilettenpapier. Wir haben diese Hamsterkäufe aber auch beim Zucker gespürt, bei Mehl war es ähnlich. Das hat uns im März während des ersten Lockdowns einen deutlich messbaren Peak gebracht. Die Menschen haben massiv Vorräte angelegt. Und das erleben wir dieser Tage wieder, aber etwas abgeschwächter. In den Lockdown-Phasen besinnen sich die Menschen aufs Häusliche, aufs selber Backen und Kochen, weil sie ja nicht in Restaurants gehen können.

Welchen Anteil hat der Markt mit Endkunden von Zucker am Absatz?

Wir verkaufen etwa 300 000 Tonnen Zucker an private Endkunden. Zum Vergleich: Unser gesamter Absatz sind etwa 1,1 Millionen Tonnen Zucker in Deutschland. Rund 75 Prozent sind also gewerbliche Abnehmer wie Backwarenhersteller, Getränkeindustrie und Süßwarenhersteller und andere Betriebe der Food- und Non-Food-Industrie.

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Das Pfeifer&Langen-Werk in Euskirchen

Machen Sie durch Hamsterkäufe der Privathaushalte mehr Geschäft?

Diese Peaks während der Hamsterkäufe halten nicht an. Es gibt eine Verschiebung. Das, was wir an die Privaten mehr verkaufen, büßen wir in Hotellerie- und Gastronomie-nahen Bereichen wieder ein. Dort spielen sich wahre Dramen ab. In der Industrie ist der Absatz eher schleppend, das gleicht sich für uns also insgesamt mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Wir werden nicht dauerhaft höhere Zuckerabsätze haben.

Wie beurteilen Sie den Nutri-Score, also die Kennzeichnung von Lebensmitteln nach Qualität in Form einer fünfstufigen Ampel?

Der Nutri-Score löst das Problem nicht. Das System des Nutri-Scores kennt nur gut oder schlecht. Was fehlt ist eine Info zu den Kalorien. Und die sind ja entscheidend für das Gewicht und haben großen Einfluss auf die Beurteilung eines gesunden Lebensmittels.

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Wie begegnen Sie veränderten Kundenwünschen bei Zucker?

Zucker ist nicht gleich Zucker, da gibt es Hunderte verschiedene Produkte, kristallinen Zucker, flüssigen Zucker und Vieles mehr. Wir betreiben viel Forschung und Entwicklung und schauen, was man aus Zuckerrüben noch so machen kann. Wir verwerten die Zuckerrüben zu 100 Prozent. Sogar der 75-prozentige Wassergehalt wird bei uns genutzt, so dass wir praktisch keine externen Wasserquellen anzapfen müssen. Die Forschung gibt ebenfalls viel Hoffnung, wir arbeiten etwa an Allulose, ein echter Rübenzucker ohne Kalorien.

Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Im zweiten Halbjahr 2021 soll das Lebensmittel voraussichtlich zugelassen werden. Es hat etwa 70 Prozent der Süße von klassischem Zucker, ist aber geschmacklich genauso natürlich wie das Original, es ist auch für Diabetiker geeignet. Damit sind wir auf dem besten Weg, einen einzigartigen Beitrag zur Kaloriensenkung in Lebensmitteln zu leisten. Zum Backen oder im Kaffee ist das ideal, ich habe es als Proband schon selbst probiert.

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Pfeifer&Langen-Produkte

Wie viel von der Zuckerrübe wird zu Zucker, und was wird aus dem Rest?

Von den 25 Prozent, wenn man das Wasser abzieht, werden 16 Prozent zu Zucker. Der Rest geht entweder als sogenannte Rübenschnitzel in die Tierfutterindustrie oder als Melasse unter anderem an die Pharmaindustrie. Aber wir arbeiten an spannenden Sachen. Etwa kann man Dämmstoffe aus Rübenschnitzel machen, auch Folien und Einweggeschirr sind möglich. Das ist alles kompostierbar und trägt zur Müllvermeidung und damit zum Klimaschutz bei.

Wie geht es den Zuckerbauern in der Region und damit Ihrer Branche?

Es waren schwere Jahre. Wir hatten zwei Jahre Trockenheit, die der Landwirtschaft zugesetzt haben. Dieses Jahr war es sehr schwankend. Außerdem ist die Wettbewerbssituation in der EU sehr schwierig. In elf EU-Ländern erhalten die Rübenanbauer Subventionen, bei uns nicht. In 14 Ländern dürfen Pflanzenschutzmittel wie Neonikotinoide gegen das Gelbvirus eingesetzt werden. Bei uns nicht. Solche Regeln müssen entweder für alle gelten oder für keinen. Alles andere sind Wettbewerbsverzerrungen.

Seit dem Wegfall der Quotenregelung im Oktober 2017 beim Zucker haben 15 Prozent unserer Partner in der Landwirtschaft den Zuckerrübenanbau aufgegeben, im Rheinland mit seinen besonders vielen Rübenanbauern sogar 20 Prozent. Hauptfaktor für den Rückgang sind die erheblichen Wettbewerbsverzerrungen in der EU.

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Machen Ihnen auch Exporte von Rohrzucker aus Südamerika zu schaffen?

Grundsätzlich ist Zucker aus Rüben und Rohr identisch. Aber der Transport des Rohrzuckers über den Atlantik ist nicht wünschenswert und nicht gut fürs Klima. Für unsere Branche hat Regionalität den höchsten Stellenwert.

Ist es Ihnen gelungen, nach der De-Regulierung angesichts stark sinkender Margen die hohen Lohnkosten Ihrer Branche in den Griff zu bekommen?

Es ist sicher nicht einfach. Wir führen Verhandlungen mit der Gewerkschaft NGG. Wegen der Pandemie können aktuell keine Gespräche stattfinden, daher stocken die Verhandlungen. Videokonferenzen sind für Tarifverhandlungen noch nicht möglich.

Ein Kölner Gericht hat ihnen kürzlich Recht gegeben, als es um das Verfahren ging, ob sie an Ihre Kunden Schadenersatz wegen eines Kartells zahlen müssen. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen?

Wir haben das Urteil zur Kenntnis genommen. Noch laufen die Verfahren. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu laufenden Verfahren sagen können.