Insgesamt 275 Millionen Euro investiert der Pharma-Konzern in die neue Produktionsanlage, die mit nur fünf Menschen pro Schicht betrieben werden kann.
Bayer-KonzernAutomatisierte Leverkusener Pillenfabrik soll eine der modernsten weltweit sein
Noch wird auf dem Bayer-Areal im Leverkusener Chempark kräftig gebaut, geschraubt, verkabelt — aber schon im kommenden Frühjahr soll die neue Tablettenfabrik des Konzerns in Betrieb gehen. Insgesamt 275 Millionen Euro investiert Bayer in die neue Produktionsanlage, die demnächst Feststoff-Arznei herstellen soll - Tabletten also, die in der Branche Solida heißen. Laut Bayer ist die Solida-1-Anlage eine der modernsten für Arzneimittel weltweit — voll durchautomatisiert, digital und selbstlernend.
Investition in heimischen Standort
„Seit 1920 werden in Leverkusen Tabletten produziert. Mit dieser Fabrik setzen wir neue Maßstäbe“, sagt Standortleiterin Carola Poertner beim Presserundgang. Mit dem Investment stärkt Bayer den heimischen Standort. Derzeit produziert der Konzern in Deutschland auch in Weimar und Bitterfeld Tabletten. Darüber hinaus noch in zahlreichen anderen Ländern weltweit, darunter ein nicht unerheblicher Teil in China.
Spätestens in Folge der Covid Pandemie wurde aber deutlich, wie fragil Lieferketten im Krisenfall sein können – auch wenn die Entscheidung für den Bau von Solida-1 bereits vor der Pandemie gefallen war. Wie wichtig Autarkie nicht nur bei Energieträgern wie Gas oder Öl, sondern auch bei Arzneien ist, das hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch des Richtfestes von Solida-1 im vergangenen Jahr betont.
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Die Entscheidung für den Neubau bettet sich ein in einen Strategiewechsel des Konzerns, der die Innovationsfähigkeit seiner Pharmasparte deutlich erhöhen will. Wurden bislang zwei bis drei Arzneimittel pro Jahr aus der Forschung in die klinische Phase gebracht, sollen es künftig nach früheren Aussagen eine zweistellige Zahl sein.
Fokus auf Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
In den neuen Anlagen werden ausschließlich neue Medikamente hergestellt, der Fokus liegt bei Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gestartet wird mit Asundexian, einem neuen Präparat zur Gerinnungshemmung mit geringem Blutungsrisiko. Bis zu 1,2 Milliarden Tabletten können in Solida-1 pro Jahr produziert werden, sagt Betriebsleiter Enrico Hanusa. Eine Besonderheit liegt darin, dass alle Maschinen in einem Raum untergebracht sind. Damit werde die Gefahr einer Kontamination zwischen Anlagen, die verschiedene Präparate herstellen, enorm gesenkt, sagt Projektleiter Jürgen Wiedemann.
Produziert wird jeweils auf allen Anlagen nur ein Medikament. Innerhalb von zwei Tagen lässt sich die Produktion nach intensiver Reinigung auf ein neues Produkt umstellen. Nur noch fünf Mitarbeitende sind pro Schicht nötig, um die Anlage – später im Fünf-Schicht-Betrieb – zu bedienen. Denn autonome Flurförderfahrzeuge transportieren Rohstoffe und Produkte. Roboter heben die Chemikalien in die Maschinen und entleeren sie wieder.
Einer der wichtigsten Partner von Bayer bei Bau und Konzeption ist Siemens, verantwortlich unter anderem für die Prozessautomation. So müssen im Laufe des Herstellungsprozesses einzelne Schritte durch die Entnahme von Proben und deren Analyse überwacht werden. Das verlängert normalerweise die Produktionszeit und reduziert die Einflussnahme auf den Prozess. Eine neue Software überwacht die Qualität bereits während der Produktion in Echtzeit und kann diese bei Bedarf optimieren. „Neben der besseren Qualität können zeitaufwendige manuelle Kontrollen entfallen und Fehl-Chargen vermieden werden“, sagt Siemens-Gesamtprojektleiter Dieter Steffes-Tun.
70 Prozent weniger Kohlendioxid
Darüber hinaus leistet die Gebäudeleittechnik einen wichtigen Beitrag in Sachen Energieeffizienz und Flexibilität. Mit ihrer Hilfe wird das Raumklima nicht nur permanent überwacht und dokumentiert, sondern die Produktionsumgebung lässt sich je nach herzustellendem Medikament flexibel anpassen. Hunderte Sensoren und tausende von Datenpunkten liefern Messwerte, die mit digitalen Services im laufenden Betrieb analysiert werden, Unregelmäßigkeiten erkennen und Handlungsempfehlungen ableiten. Den Energiebedarf deckt die Fabrik weitgehend durch eine Geothermie-Anlage. Dadurch könne der Ausstoß an Kohlendioxid um 70 Prozent gegenüber herkömmlichen Anlagen reduziert werden, so Steffes-Tun.