Millionen-Reichweite trotz AbsagenWie Gamescom und ESL digital die Massen erreichen
- Die Kölner Gaming-Events Gamescom und ESL One Cologne werden eigentlich von mehr als 400.000 Menschen besucht, dieses Jahr bleibt das Publikum in der Stadt aus.
- Für Köln bedeutet das riesige Verluste, für die Veranstalter die große Herausforderung, rein digital die Massen zu erreichen.
- Während das den einen bereits besser gelingt, müssen sich die anderen erst noch beweisen – und holen sich daher prominente Hilfe an Bord.
Köln – Lauter Jubel und Menschenmassen – das ist normal in der Kölner Lanxess-Arena. Mal erzielen die Kölner Haie ein Tor, mal bekreischen Tausende Fans ihre Musikstars. Doch dass eine Veranstaltung die Arena für ein komplettes Wochenende füllt, ist außergewöhnlich. Die Electronic Sports League (ESL) schafft das mit ihrer „One Cologne“, einem der größten Counter-Strike-Turniere der Welt, eigentlich jedes Jahr. Counter Strike ist ein taktisches Shooter-Computerspiel, in dem zwei Teams gegeneinander antreten, um entweder die Gegner ausschalten oder einen Auftrag auszuführen. Fans schätzen am Spiel, dass es schnell, spannend und abwechslungsreich ist.
Seit 2015 findet die Veranstaltung in der Lanxess-Arena statt, in diesem Jahr sollte es am 10. Juli losgehen. Doch die Corona-Pandemie warf die Pläne über Bord: Erst im kommenden Jahr soll das Event wieder in der Arena steigen. Vom 18. bis 30. August 2020 machen die E-Sportler den diesjährigen Wettbewerb indes ohne Publikum unter sich aus. Oder besser gesagt: Ohne Live-Publikum. Im vergangenen Jahr kamen täglich 15.000 Besucher in die Arena, online aber verfolgten in Spitzenzeiten gleichzeitig mehr als eine Million Menschen das E-Sport-Spektakel. Die Erfahrungen der Ausrichter aus den vergangenen Monaten deuten darauf hin, dass es zu Rekorden bei der Zahl der Online-Zuschauer kommen dürfte.
Besucher aus 60 Ländern
Besucher aus über 60 Ländern kommen laut ESL-Angaben üblicherweise jährlich nach Köln, um Teil der „Cathedral of Counter Strike“ zu sein. So nennen die Veranstalter das Event auch. Etwa 30 Prozent der täglich 15.000 Besucher kämen nicht aus der Region, schätzt ESL-Geschäftsführer Ralf Reichert. Also von weiter weg als 50 Kilometer. „Die ESL One hat als das »Wimbledon des E-Sports« eine globale Strahlkraft und zieht deswegen Menschen aus der ganzen Welt an“, sagt Reichert: „Es gibt nur wenige Sportveranstaltungen von globaler Strahlkraft, die ähnliche Zahlen generieren und eine ähnliche globale Sogwirkung haben.“
Die Kölner Wirtschaft profitiert von der Attraktivität solcher Veranstaltungen aus dem Gaming-Bereich. Sei es die ESL One oder die Gamescom. Letztere findet Ende August ebenfalls rein digital statt – ein großer Verlust nicht nur für die Messegesellschaft, sondern auch für Köln: „Beide Veranstaltungen haben ein sehr großes Potenzial für den Tourismus in Köln, was Übernachtungen angeht, was viele weitere Ausgaben in der Querschnittsbranche Tourismus angeht“, teilt Köln-Tourismus auf Anfrage mit. Außerdem gehe mit den Veranstaltungen ein „sehr hoher Imagegewinn für die Stadt“ einher, „solche Spotlightevents der Szene auszurichten, die weltweit Aufmerksamkeit erhalten“.
Die Stadt Köln schätzt die Branche ebenfalls als sehr wichtig ein. „Wie an allen anderen Standorten nimmt die Games-Branche neben dem hohen Stellenwert – als eine der am stärksten wachsenden Teilbranchen der Kreativwirtschaft – auch eine wichtige Position als Innovationstreiber in allen Bereichen der Wirtschaft ein“, teilt sie mit. Die Anzahl der Games-Unternehmen in Köln liege zwischen 50 und 60.
Köln bietet Vorteile
Ralf Reichert hat die ESL zusammen mit seinen Partnern im Jahr 2000 gegründet. „Wir haben damals schon relativ klar gesehen und gewusst, dass das eine Zuschauersportart wird“, sagt er. Hinzu sei gekommen, dass Videospiele zu den wichtigsten und reichweitenstärksten Medien der Welt gehörten, die ESL folglich also auch die kritische Masse erreichen könne. Neben rein geschäftlichen Faktoren legten Reichert und seine Partner auch auf eine soziale Komponente Wert. „Die Spieler, inklusive uns selber, haben damals eher in Turnhallen und Kellern gespielt. Und wir wollten ihnen Bühnen zur Verfügung stellen. Wir wollten sie zu Stars machen“, sagt Reichert.
Dass die ESL ihren Standort in Köln hat, komme daher, dass drei von fünf Gründern damals in Köln gewohnt haben, sagt Reichert. „Das war tatsächlich eher Zufall und abhängig von den Leuten, die es gemacht haben.“ Dennoch schätzt der Geschäftsführer die Vorteile der Stadt. Erstens habe Köln ein riesiges Einzugsgebiet, zweitens sei die Stadt ein bedeutender Medienstandort, drittens extrem international und viertens auch noch deutlich günstiger als andere deutsche Großstädte.
Auch Electronic Arts (EA) hat einen seiner Sitze in Köln. Der Spielehersteller macht hier unter anderem das Marketing und den Vertrieb für den deutschsprachigen Markt und hat ein Team vor Ort, das sich um die Datenbank der weltweit erfolgreichsten Fußballsimulation „FIFA“ kümmert. „Köln bietet für Gaming-Unternehmen das perfekte Umfeld: Zunächst einmal findet hier das weltgrößte Gaming-Event, die Gamescom, statt, und es sind hier eine ganze Reihe von weiteren Gaming-Unternehmen sowie viele Medienunternehmen, Agenturen und Kreative“, teilt EA mit. Köln sei „als Stadt offen für Menschen aus aller Welt, die hier im Bereich Gaming arbeiten“.
Neue Gamescom-Partner
Diese offene Atmosphäre schätzt auch Johannes Brauckmann, Vorstandsmitglied von games.nrw und Gründer des Cologne Game Haus. In dem Co-Working-Space in Deutz seien im Schnitt 15 Firmen angesiedelt, sagt Brauckmann. Die Initiative gebe es seit zwei Jahren. Probleme mit dem Ansehen oder gar Vorurteile seien kein Thema. „Wir werden mittlerweile komplett anders wahrgenommen und sind auf Augenhöhe mit der IHK und der Wirtschaftsförderung“, sagt Brauckmann. „Das hat sich absolut zum Positiven verändert.“
2021 soll es bei ESL One und Gamescom wieder losgehen, daran hegen die Veranstalter keinerlei Zweifel, auch wenn die reinen Digital-Events zum großen Erfolg werden sollten. Damit das gelingt, hat zumindest die Spielemesse ihr digitales Engagement deutlich intensiviert. Anfang der Woche gaben die Veranstalter bekannt, weitreichende Kooperationsvereinbarungen mit Youtube, der Streaming-Plattform Twitch und dem Video-Netzwerk Tiktok getroffen zu haben. Über deren Kanäle sollen die Spieleneuheiten, die sonst live präsentiert worden wären, hohe Reichweiten generieren.
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Das Vor-Ort-Ausprobieren fällt dann zwar weg, Demos der neu angekündigten Spiele sollen aber dennoch über die Gaming-Plattform Steam ausprobiert werden können.