Immer mehr Konzernlenker wollen in sozialen Netzwerken wie Linkedin vermitteln, wie menschlich und vertrauenswürdig sie sind.
Warum das wichtig ist? „Gerade in Krisenzeiten wie diesen gehört der Kapitän an Deck, er muss in Rufweite und erreichbar sein“, sagt der Düsseldorfer Kommunikationsexperte Frank Dopheide.
Ein Überblick über die erfolgreichsten NRW-Chefs und wie sie persönliche Elemente in ihre Arbeit einzubringen versuchen.
Köln – Als Bayer Anfang dieser Woche seine durchwachsenen Zahlen zum zweiten Quartal vorlegte, veröffentlichte Vorstandschef Werner Baumann auf Linkedin ein paar handgeschriebene Notizen zu deren Einordnung. Das auf dem sozialen Netzwerk für Geschäftskontakte hochgeladene Bild zeigt Baumanns schwer zu entziffernde Schrift, das Papier hat kleinste Macken. Klar, gleichzeitig gab es vom Leverkusener Konzern auch die nüchternen Finanzberichte, Tabellen, schönmalenden Pressemitteilungen – aber eben auch den persönlichen Zugang zum Thema vom Vorstandsvorsitzenden, der über seine Handschrift einen intimeren Einblick bietet.
Bayer-Chef Werner Baumann ist erst seit ein paar Monaten auf Linkedin aktiv und gehört seitdem zur Riege der Social CEOs – Unternehmenschefs, die sich nicht mehr hinter Kommunikationsabteilungen zu verstecken scheinen, sondern eine aktive Rolle in der Ansprache von Kunden, Mitarbeitern und Partnern einzunehmen versuchen.
„Der Kapitän gehört an Deck“
„Gerade in Krisenzeiten wie diesen gehört der Kapitän an Deck, er muss in Rufweite und erreichbar sein“, sagt Frank Dopheide. Der Düsseldorfer Kommunikationsexperte hat in der Vergangenheit renommierte Agenturen wie Grey Deutschland und Scholz & Friends geführt. Seit Anfang des Jahres berät er mit seinem Unternehmen Human Unlimited Wirtschaftsgrößen wie die umtriebige Douglas-Chefin Tina Müller, Spitzenkräfte von Unicredit und anderen deutschen Großkonzernen, von denen nicht alle wollen, dass über eine Kooperation geschrieben wird. Dopheide rät: „CEOs sollten heute auf Social Media aktiv sein. Punkt.“ Zur Führung eines Unternehmens gehöre es, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen in der Öffentlichkeit Vertrauen genießt, so Dopheide: „Und Vertrauen entsteht über Vertrautheit.“
Nicht alle Firmenchefs stellen sich der Öffentlichkeit in den sozialen Netzwerken. Prominente Abstinenzler aus NRW sind etwa RWE-Chef Rolf Martin Schmitz, der ebenso wenig einen Kanal betreibt wie sein Eon-Pendant Johannes Teyssen. Besonders aktiv sind die Chefs der Telekommunikationskonzerne aus der Region: Telekom-Boss Tim Höttges kommt auf mehr als 82 000 Follower auf Linkedin, Vodafone Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter auf rund 27 500. Die Konkurrenten lieferten sich schon zu Weihnachten 2018 einen unterhaltsamen Wettstreit, als sie im Abstand von zwei Tagen im Rahmen eines Plätzchenbackvideos über die Erfolge des hinter ihnen liegenden Jahres sprachen.
„Das reicht nicht mehr“
Dass Wirtschaftsbosse mit solchen Aktionen Humor zeigen, dass sie – wie Covestro-Chef Markus Steilemann – auch schonmal der eigenen Oma zum Geburtstag gratulieren, sich in schiefen Selfies selbst porträtieren oder wie Douglas-Chefin Müller die Gemüseernte im heimischen Garten fotografieren, bringe eine sehr menschliche Komponente in die sonst oft so kühle Unternehmenskommunikation, sagt Frank Dopheide. „Es reicht heute nicht mehr, der Funktionsträger Vorstandschef zu sein“, sagt er: „Der Mensch dahinter muss sichtbar werden“. Sei es über einen Einblick in die Freizeit oder die Zettelwirtschaft auf dem Schreibtisch.
as Ziel dahinter laute natürlich auch: „Vielleicht komme ich mit meinen Botschaften besser durch, wenn ich auch als Mensch gesehen werde.“ Es gehe außerdem darum, zu zeigen, dass auch Topmanager nicht in anderen Universen leben, sondern die gleichen Emotionen erleben und Probleme wahrnehmen, wie jene Nutzer, die von ihnen genau beobachtet werden.
Klar ist: Auch wenn ein anderer Eindruck entstehen soll, ziehen die Kommunikationsabteilungen nach wie vor im Hintergrund die Fäden. Dennoch, so Experte Frank Dopheide, brauchen die Chefs eine eigene, persönliche Stimme: „Das kann man nicht delegieren.“
Auch eigene Mitarbeiter im Blick
Während Manager wie Höttges oder Ametsreiter Linkedin mit seinem Business-Fokus als wichtigsten Kanal betrachten, suchen sie je nach eigenem Empfinden Wege, sich auf anderen Plattformen auszudrücken. Ein Telekom-Sprecher berichtet, dass Tim Höttges gerne fotografiere, weshalb er Instagram für sich erschließt. Sein Vodafone-Pendant Ametsreiter hingegen äußert sich lieber zusätzlich auf Twitter zu Themen rund um das Unternehmen, Digitalisierung und Innovation.
Immer öfter gehe es dabei nicht nur darum, die Öffentlichkeit zu erreichen, sondern auch die eigenen Mitarbeiter. Wenn der Vorstand eine Mail verschicke, öffneten viele diese gar nicht. Der persönliche Auftritt in sozialen Medien werde umso wichtiger bei der Mitarbeiterführung.
Gar nicht aktiv zu sein, räche sich besonders, wenn es mal schlecht laufe, sagt Dopheide: „Solange alles gut ist, braucht keiner Kommunikation. Wenn es aber zu einer Krise kommt, lässt sich wirkungsvoller kommunizieren, wenn bereits Vertrauen aufgebaut wurde.“