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Milliardenverlust und Abbau von 22.000 JobsSo schlecht steht es um die Lufthansa

Lesezeit 4 Minuten
lufthansa_dpa (1)

Ein Frachtflugzeug der Lufthansa Cargo am Flughafen München.

  1. Die Lufthansa verzeichnet im zweiten Quartal einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro. Staatliche Hilfen über 2,4 Milliarden Euro sollen die Airline über Wasser halten.
  2. Ein Restrukturierungsprogramm sieht den Abbau von 22.000 Vollzeitstellen vor. Rund 11.000 davon in Deutschland.
  3. Das ganze Ausmaß der Probleme bei Deutschlands größter Airline.

Köln – 763 Flugzeuge unterhält die deutsche Lufthansa mit ihren Töchtern. Das macht sie mit Abstand zur größten Airline auf dem europäischen Kontinent, weit vor Ryanair und Easyjet oder den anderen nationalen Airlines. Doch was in normalen Zeiten ein unschlagbarer Vorteil war, wird nun zum Mühlstein am Hals der Fluggesellschaft. Denn die teuren Boeings und Airbusse stehen größtenteils am Boden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum habe es im zweiten Quartal 96 Prozent weniger Fluggäste gegeben. Dadurch habe sich das Angebot um 94 Prozent verringert, wie Lufthansa-Chef und Ex-Pilot Carsten Spohr am Donnerstag mitteilte. Und die am Boden stehenden Flieger bringen nicht nur kein Geld, sie verschlingen durch Konservierungsmaßnahmen und Standmiete Milliarden.

Das zeigt sich deutlich im Ergebnis der ersten beiden Quartale. Im zweiten Quartal dieses Jahres verzeichnete die Lufthansa einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro. Auch umfangreiche Kostensenkungen hätten den Umsatzrückgang nur teilweise kompensieren können, erklärte das Unternehmen. Zur Jahreshälfte 2020 beträgt der Konzernverlust unter dem Strich 3,62 Milliarden Euro. Vor einem Jahr hatte dort ein saisontypisches Minus von 116 Millionen Euro gestanden. Seine Liquidität bezifferte der Konzern einschließlich der deutschen Staatshilfe von rund neun Milliarden Euro auf 11,8 Milliarden Euro. Die staatlichen Stützungsprogramme aus der Schweiz, Österreich und Belgien in Höhe von 2,4 Milliarden Euro sind noch nicht berücksichtigt. Diese werden voraussichtlich mit dem deutschen KfW-Kredit verrechnet.

Nur Frachttochter Cargo verzeichnet Rekordergebnis

Einzig das Rekordergebnis der Frachttochter Lufthansa Cargo, die von der stark gestiegenen Nachfrage nach Frachtflügen profitierte, linderte das tiefrote Zahlenwerk. Erstmals in der Geschichte des stolzen Unternehmens hat das gravierende Folgen für die Mitarbeiter. Trotz der Misere für alle Beobachter überraschend teilte Spohr bei der Präsentation der Zahlen nun mit, dass er betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland nicht ausschließen könne. Das Ziel, diese zu vermeiden, sei in der Corona-Krise „auch für Deutschland nicht mehr realistisch“, erklärte Spohr und verwies auf den weltweit nach wie vor eingebrochenen Flugverkehr sowie stockende Verhandlungen zu Krisenvereinbarungen mit den Gewerkschaften.

Der Konzern habe ein umfassendes Restrukturierungsprogramm mit dem Titel „ReNew“ beschlossen, hieß es weiter. Der Konzern will seine Kosten bis zum Jahr 2023 um 15 Prozent senken, die Flotte um mindestens 100 Flugzeuge verkleinern und 22 000 Vollzeitstellen abbauen. Davon entfallen rund 11 000 auf Deutschland. Bis Ende Juni hat die Lufthansa die Zahl ihrer Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr bereits um knapp 8300 auf 129 400 gesenkt, allerdings fast ausschließlich im Ausland. Unter anderem in den USA habe man Leute entlassen, sagte Spohr. In Deutschland sei bislang kaum etwas passiert.

Lufthansa-Chef erwartet keine schnelle Erholung

Bei den Flugzeugtypen stehen die vierstrahligen Großflugzeuge Airbus A380, A340 sowie die Boeing 747 auf dem Prüfstand. Der Konzern hat seine Bestellungen bis 2023 auf 80 Kontrakte halbiert. Im laufenden Jahr kommen 23 Jets hinzu und 2021 nur noch zwölf. Die Flieger werden zunehmend auf Kredit gekauft oder als Sicherheiten verwendet. „Wir erleben eine Zäsur des globalen Luftverkehrs“, sagte Spohr. „Vor 2024 rechnen wir nicht mehr mit einer anhaltenden Rückkehr der Nachfrage auf das Vorkrisenniveau.“ Das wäre ein Jahr später als bisher geschätzt. Vor allem auf den Langstreckenverbindungen werde es wegen fehlender Einreiseregelungen keine schnelle Erholung geben. Spohr forderte, dass Passagiere mit negativem Corona-Test ungehindert fliegen können.

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In Nordrhein-Westfalen ist die Lufthansa-Gruppe besonders durch die Billigtochter Eurowings an den Standorten Köln/Bonn und Düsseldorf vertreten. Die Kölner Tochter Germanwings hat im Zuge der Corona-Krise bereits den Flugbetrieb eingestellt. Dennoch bleibe NRW „der wichtigste Heimatmarkt unserer Airline mit seinem Ballungsraum, noch vor Frankfurt und München“, sagte Carsten Spohr. Bei Eurowings soll ihm zufolge ein Drittel der Administration dem Stellenabbau zum Opfer fallen. Eine konkrete Zahl an Jobs nannte Lufthansa-Chef Spohr allerdings auf Nachfrage nicht.

Touristische Nachfrage steigt

Insgesamt aber kommt die Eurowings deutlich besser durch die Krise als die Lufthansa selbst und ihre Töchter Austrian Airlines und Swiss. „Das Geschäft der Eurowings erholt sich schneller als das der übrigen Lufthansa“, sagte Carsten Spohr am Donnerstag. Das liege vor allem daran, dass der Billigflieger eine andere Kundengruppe bedient. „Die touristischen Flüge nehmen schneller wieder Fahrt auf als die Geschäftsreisen, die ja schwerpunktmäßig von der Lufthansa bedient werden“, sagte Spohr. Bereits im Oktober sei geplant, bei der Eurowings wieder 55 Prozent aller Flüge anzubieten, das sei schneller, als ursprünglich geplant.

Der Lufthansa-Billigflieger Eurowings fliegt ab August wieder mehr Urlaubsziele an. Insgesamt sollen europaweit 26 weitere hinzukommen, so eine Mitteilung des Konzerns am Mittwoch. „Auch wenn der Weg zurück zur Normalität noch weit ist: Die touristische Nachfrage zieht bei uns spürbar an“, sagte Jens Bischof, Chef von Eurowings.

Mit den Erstattungen für in der Krise stornierte Tickets ist Lufthansa vorangekommen. Im Juli sei fast eine Milliarde Euro an Kunden ausgezahlt worden. Demnach stehen noch Rückzahlungen von knapp einer Milliarde Euro an 1,8 Millionen Kunden aus. Dies betreffe fast ausnahmslos jüngere Fälle, die aus der umfassenden Änderung des Flugplans vor einigen Wochen resultieren.