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Zwischen Trübsal und HoffnungSo blicken die Unternehmen im Rheinland auf das Jahr 2025

Lesezeit 7 Minuten
Blick auf den Kölner Dom am frühen Morgen. +++ dpa-Bildfunk +++

Blick auf den Kölner Dom am frühen Morgen.

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise, zahlreiche Branchen haben zu kämpfen. Wie steht es um die wichtigen Industriezweige in unserer Region? Ein Ausblick auf 2025.

Stellenabbau in der Autoindustrie, stillgelegte Anlagen in der Chemie, Flaute im Einzelhandel: Aus der deutschen Wirtschaft gab es zuletzt schlechte Nachrichten am Fließband. Auch die Unternehmen der Region sind mitunter arg gebeutelt, in manchen Branchen aber besteht Hoffnung, dass das neue Jahr zumindest etwas besser wird. Wie ist es um wichtige Industriesparten in der Region bestellt? Und was kommt auf sie 2025 zu? Ein Überblick.

Automobilindustrie

Sie ist mit 770.000 Beschäftigten Deutschlands Schlüsselindustrie und gemessen am Umsatz die mit Abstand größte Industriebranche: Doch die Autoindustrie ist wegen einer schwachen Nachfrage, der Flaute bei E-Autos und neuer Konkurrenz in China in die Krise gestürzt. Allen voran Volkswagen, wo Lohnkürzungen, Werksschließungen und Stellenabbau drohen. Auch der Zulieferer Bosch will hierzulande Tausende Stellen abbauen – erst jüngst kündigte er die Streichung von bis zu 3800 Jobs an. Bei Schaeffler sind es 2800, bei ZF zwischen 11.000 und 14.000 und bei Continental weltweit mehr als 7000. Bei Michelin sollen zwei Reifenwerke in Deutschland schließen und Mercedes will die Kosten in den kommenden Jahren um mehrere Milliarden Euro drücken.

Für Köln und die Region besonders bitter war das Desaster bei Ford: Im November hatte das Management angekündigt, bis Ende 2027 4000 Jobs in ganz Europa zu streichen. Am härtesten betroffen ist der Standort Köln, wo 2900 Stellen wegfallen sollen, das ist etwa jede vierte Stelle. „Auch 2025 wird sicher ein herausforderndes Jahr: Die Umstellung auf Elektromobilität, der steigende Bedarf an nachhaltigen Technologien und die sich verändernden regulatorischen Rahmenbedingungen erfordern Anpassungsfähigkeit und strategisches Handeln“, sagt Christian Weingärtner, Geschäftsführer Ford Deutschland, Österreich und Schweiz.

Mitarbeiter der Ford Werke in Köln demonstrieren in der Werkshalle vor der Betriebsversammlung mit Schildern wie «VW, Thyssen, Ford... gemeinsam streikbereit!».

Im Dezember hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Ford-Werke in Köln besucht. Tausende Mitarbeitende haben ihrem Unmut Luft gemacht.

Um die Zukunftsfähigkeit der Branche in Europa und insbesondere in Deutschland zu gewährleisten, brauche es eine klare und vorausschauende Politik. „Wir benötigen verlässliche und förderliche Rahmenbedingungen, die konkrete Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität umfassen. Dazu gehören Anreize für den Kauf von Elektrofahrzeugen, der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs“, so der Deutschlandchef. Zudem sei eine größere Flexibilität zur Erreichung der CO2-Ziele unerlässlich.

Der europäische Markt ist im Wesentlichen ein gesättigter Markt
Branchenexperte Stefan Bratzel

Vom Corona-Einbruch 2020 hat sich die Nachfrage nach Neuwagen nie ganz erholt. Für 2024 rechnet der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Deutschland mit 2,8 Millionen Neuzulassungen, etwa ein Viertel weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Dazu kommen Probleme in China, wo der heimische Hersteller BYD am langjährigen Marktführer VW vorbeizog. 2025 dürfte kaum besser werden: Wegen der verschärften CO2-Flottenziele der EU drohen Herstellern hohe Strafzahlungen, sollte der E-Auto-Absatz nicht sprunghaft steigen. Und nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA könnten neue Zölle das Geschäft auf dem wichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Autoindustrie erschweren.

Immerhin: In Europa dürfte der Autoabsatz 2025 etwas zulegen, schätzt der Marktbeobachter Dataforce. Mit prognostizierten 13,7 Millionen Neuzulassungen dürfte das Vor-Corona-Niveau von fast 16 Millionen aber außer Reichweite bleiben. „Der europäische Markt ist im Wesentlichen ein gesättigter Markt“, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel. Mehr als eine Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau 2019 sei kaum zu erwarten. „Und auf dem Level wird es wohl auch die nächsten zehn Jahre bleiben.“

Luftfahrt

Die Luftverkehrsindustrie hat den tiefen Einbruch aus der Corona-Krise immer noch nicht ganz verdaut. Fast nirgendwo in Europa entwickelt sich der Luftverkehr so langsam wie in Deutschland mit einem Angebot von rund 84 Prozent des Vorkrisen-Niveaus. Der innerdeutsche Flugverkehr ist auf knapp die Hälfte geschrumpft und Billigflieger wie Ryanair machen einen großen Bogen um den deutschen Markt. In der Folge erwarten Experten weiter steigende Ticketpreise.

Die Branche macht dafür die stark gestiegenen staatlichen Gebühren für Flugsicherung und Passagierkontrollen sowie die ebenfalls erhöhte Luftverkehrssteuer verantwortlich. Das bestätigt die Kölner Fluglinie Eurowings: „Der Druck auf die Ticketpreise bleibt entsprechend hoch: Airlines wie Reiseveranstalter kommen angesichts geringer Margen nicht umhin, die Flut an Steuern und Gebühren weiterzugeben. Bereits ab Januar steigt allein der Gebührendeckel für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen von zehn Euro auf 15 Euro pro Fluggast. Auch eine deutliche Erhöhung der Kosten für die Flugsicherung steht im Raum“, sagt ein Sprecher.

Ein Flugzeug der Eurowings landet auf dem Flughafen Köln/Bonn.

Eurowings will seine Flotte am Heimatflughafen Köln/Bonn weiter ausbauen.

Die Reiselust ist dennoch ungebrochen. Davon profitiert die Eurowings als größter deutscher Ferienflieger: „Wir sehen nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr 2024 ein weiter wachsendes Bedürfnis nach Mobilität, Urlaub und Erholung – verbunden mit einem entsprechenden Wachstum von Urlaubs- und Flugreisen“, heißt es von der Airline. Eurowings will 2025 die Position im deutschen Markt weiter ausbauen, unter anderem mit neuen Basen in Hannover und Nürnberg, und so die Passagierzahlen nach mehr als 20 Millionen in 2024 weiter steigern. Auch in Köln/Bonn, am Heimat-Standort der Eurowings, wird die Flotte weiter aufgestockt.

Chemie

In der angeschlagenen Chemieindustrie kommt die erhoffte Erholung nur schwer in Gang. Viele Industriekunden haben ihre Produktion gedrosselt, das drückt die Nachfrage nach Chemie-Erzeugnissen. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) erwartet 2025 nur ein Mini-Wachstum der Produktion um 0,5 Prozent und einen stagnierenden Umsatz. Die Hoffnungen richten sich auf eine Erholung der Weltwirtschaft und Reformen nach den Neuwahlen am 23. Februar – etwa Entlastungen bei den Energiepreisen.

„2024 war in Summe herausfordernd für die chemische Industrie. Die Aussichten für 2025 machen wenig Hoffnung, dass sich konjunkturell kurzfristig etwas ändert“, bestätigt auch Covestro. „Was wir brauchen, ist ein neues Mindset, Zusammenhalt und Ausdauer, um dynamischer, offensiver und pragmatischer zu werden. Und so wieder vorne mitzuspielen in der Reihe der erfolgreichen Industrienationen.“

Chemiekonzerne spüren längst die Krise: Branchenprimus BASF hat mehrere Sparprogramme mit dem Abbau Tausender Jobs aufgelegt, die Dividende wird gekürzt. Die Stilllegung weiterer Anlagen in Stammwerk Ludwigshafen schließt BASF nicht aus. Auch der Chemiekonzern Evonik baut Stellen ab. Angesichts gestiegener Energiepreise und der Konjunkturflaute ist die Chemie-Produktion 2023 eingebrochen, 2024 soll sie dem VCI zufolge um zwei Prozent wachsen.

Trotz des Drucks blieb die Beschäftigung in der Chemie- und Pharmabranche stabil bei zuletzt rund 477.000 Menschen in Deutschland – denn manche Pharmafirmen bauen Personal auf. Auch haben mehrere ausländische Konzerne Milliardeninvestitionen in Deutschland verkündet, darunter das US-Unternehmen Eli Lilly im rheinland-pfälzischen Alzey und der französische Pharmariese Sanofi in Frankfurt.

Bau

Trotz hoher Nachfrage nach Wohnraum gerade in Städten steckt die Baubranche in der Krise. Hohe Baupreise und gestiegene Kreditzinsen belasten Privatleute ebenso wie große Investoren. Das trifft vor allem den Wohnungsbau, wo mehr als die Hälfte der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen über Auftragsmangel klagt.

Auch 2024 dürfte die Bundesregierung ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen jährlich deutlich verfehlt haben. Das aktuelle Niveau der Baugenehmigungen entspreche nur rund 200.000 neuen Wohnungen, sagt Ökonom Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Und der Baugewerbeverband ZDB erwartet, dass die Beschäftigung im Bauhauptgewerbe auch 2025 weiter sinkt: von 912.000 Beschäftigten im Jahr 2024 auf 905.000.

Doch mit den gesunkenen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank, die schon zu niedrigeren Bauzinsen geführt haben, hellt sich die Lage auf: Verbraucher fragen wieder mehr Immobilienkredite nach. Ökonom Dullien erwartet, dass der Wohnungsbau im späteren Jahresverlauf 2025 anzieht. ZDB-Präsident Wolfgang Schubert-Raab sagte jüngst, das Tal der Krise sei vor allem im Wohnungsbau erreicht. Hier habe sich die Reichweite der Auftragsbestände stabilisiert.

Stahl

Auch die Stahlindustrie steht vor einem tiefgreifenden, milliardenteuren Umbau Richtung Klimaneutralität. Ziel ist, die sehr CO2-intensive Stahl-Herstellung „grün“ zu machen. Dazu kommen die schwache Konjunktur und Billigimporte aus Asien. „Die gesamte deutsche Stahlindustrie kämpft derzeit um ihr Überleben und ihre Zukunft“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbandes Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin Maria Rippel. Zu hohe Energiekosten und unfair subventionierte Konkurrenzprodukte aus China drohten, den Unternehmen die Luft abzuschnüren.

Wichtiges Thema für die Stahlindustrie ist die geplante Neuregelung des Vergaberechts, also der Regeln, nach denen staatliche Stellen Aufträge vergeben. Die Branche fordert, dass klimafreundlich erzeugte Produkte bevorzugt behandelt werden. Das raue Umfeld hat Folgen für die Beschäftigung: Bei Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel soll die Zahl der Jobs binnen sechs Jahren von aktuell rund 27.000 auf etwa 16.000 sinken. Zum Vergleich: In der gesamten Branche arbeiteten Ende 2023 knapp 80.000 Menschen. (mit dpa)