Minus von 10,5 Milliarden EuroBayer schreibt wegen Glyphosat-Streit riesigen Verlust
Leverkusen – Der Leverkusener Pharma- und Agrarchemieriese Bayer hat 2020 einen Verlust von rund 10,5 Milliarden Euro verbucht. Die Ursache dieses riesigen Minus liegt auch im Glyphosat-Rechtsstreit in den USA. Dort hat Bayer sich mit krebskranken Klägern, die Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel der Bayer-Tochter Monsanto für ihr ihr Leiden verantwortlich machen, auf einen teuren Vergleich geeinigt. Rund 90.000 Fälle hat Bayer inzwischen ad acta gelegt – entweder im Rahmen des Vergleichs oder weil sie nicht den Kriterien entsprachen, die zur Teilnahme an den Vergleich berechtigten. Weitere 35.000 Klagen stehen derzeit noch aus.
Konzernumsatz schrumpft
Der Konzernumsatz schrumpfte 2020 um 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr und betrug 41,4 Milliarden Euro. Auf vergleichbarer Basis zum Vorjahr – also um Wechselkurseffekte sowie Zu- und Verkäufe bereinigt – verbuchte Bayer ein kleines Plus von 0,6 Prozent. Der operative Gewinn vor Sondereinflüssen stagnierte und betrug 11,46 Milliarden Euro.
„Unsere operative Stärke in diesen unruhigen Zeiten zeigt, dass sich unsere Geschäfte auch in der Pandemie als widerstandsfähig erweisen“, sagte Bayer-Chef Werner Baumann am Donnerstag bei der Vorlage des Geschäftsberichts für das Jahr 2020. Der Konzern habe das vergangene Jahr auch genutzt, um die Weichen für künftiges Wachstum zu stellen, so Baumann: „Wir haben die Transformation unseres Unternehmens weiter vorangetrieben, unsere Produktpipelines weiterentwickelt und über alle Geschäftsfelder hinweg in neue Technologien investiert.“
Der 10,5-Milliarden-Euro-Nettoverlust hat diverse Ursachen. Zum einen kosten Rückstellungen und in Teilen bereits geleistete Zahlungen im Zusammenhang mit mehreren Rechtskomplexen in den USA die Leverkusener insgesamt 14,25 Milliarden US-Dollar – umgerechnet 11,65 Milliarden Euro. Das betrifft neben dem umstrittenen Pflanzengift Glyphosat mit etwa 11,6 Milliarden Dollar auch Rechtsstreitigkeiten um das Umweltgift PCB in Gewässern (650 Millionen Dollar), die Verhütungsspirale Essure (1,6 Milliarden Dollar) sowie Ernteschäden nach dem Einsatz des Pflanzenschutzmittels Dicamba (400 Millionen Dollar). Zum anderen musste Bayer wegen des herausfordernden Marktumfelds im vergangenen Jahr auf sein Agrargeschäft eine Abschreibung in Höhe von 9,1 Milliarden Euro vornehmen.
Bayers Agrarsparte machte 18,84 Milliarden Euro und damit nominell fünf Prozent weniger Umsatz als 2019. Auf vergleichbarer wuchs die Sparte um 1,3 Prozent. Insbesondere in Nordamerika war das Geschäft mit chemischen Produkten für die Landwirtschaft rückläufig. In Lateinamerika und der Region Asien/Pazifik lief es dagegen deutlich besser für Bayer. Das wichtige Geschäft mit Pflanzengiften schrumpfte vor allem, weil Bayer in mehreren Regionen die Zulassung des Dicamba-Mittels XtendiMax verloren hatte. In den USA wurde sie inzwischen um fünf Jahre verlängert.
Nicht notwendige Behandlungen verschoben
In der Pharmasparte mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln betrug das nominale Umsatzminus vier Prozent auf 17,24 Milliarden Euro. Auf vergleichbarer Basis reduzierte sich der Umsatz um 1,5 Prozent. Die weltweiten Beeinträchtigungen durch die Covid-19-Pandemie machten sich in dieser Konzerndivision besonders bemerkbar: Weltweit wurden vor allem in der ersten Jahreshälfte deutlich weniger nicht akut notwendige Behandlungen in Arztpraxen und Kliniken durchgeführt. Bayers Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten für die Augenheilkunde und Frauengesundheit litten am stärksten unter diesem Pandemie-Effekt.
Ab der Jahresmitte habe sich die Situation aber weitgehend normalisiert, hieß es von Bayer. Eine Ausnahme sei der Bereich Radiologie gewesen, in dem die erhöhten Hygienemaßnahmen dazu führten, dass Behandlungen verzögert abgelaufen sein. Stark entwickelte sich Bayers Pharma-Bestseller, der orale Gerinnungshemmer Xarelto, dessen Umsatz währungs- und portfoliobereinigt um 12,4 Prozent zulegte. Sowohl in China als auch in Europa seien die Absatzmengen erheblich gestiegen.
Das Krebsmedikament Stivarga verzeichnete ein Umsatzplus von 18,6 Prozent und lief insbesondere in China und den USA gut. Die positive Entwicklung sei auch dem Umstand zu verdanken, dass das Medikament oral eingenommen werden kann, was eine Behandlung während der Pandemie außerhalb von Kliniken und Arztpraxen ermöglicht habe.
Hoffnung auf Impfstoff-Kooperation
Hoffnungen setzen die Leverkusener in der Pharmasparte sowohl auf ihre umfangreichen Zukäufe von Biotech-Firmen als auch auf die Partnerschaft mit dem Tübinger Corona-Impstoff-Hersteller Curevac. „Dabei geht es zunächst darum, die klinischen Studien und die Zulassung des Impfstoffs von CureVac zu unterstützen“, sagte Bayer-Chef Baumann. „Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen in Wuppertal und in unserem globalen Produktionsnetzwerk, um so schnell wie möglich auch bei der Herstellung des Impfstoffs zu helfen.“
Die ersten mRNA-Impfstoffdosen könnten im Idealfall sogar noch in diesem Jahr von Bayer produziert werden, sagte Finanzvorstand Wolfgang Nickl. 2022 will das Dax-Unternehmen dann 160 Millionen Dosen bereitstellen – vorausgesetzt, der Curevac-Impfstoff wird zugelassen.
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Bayers erfolgreichste Sparte im vergangenen Jahr war das kleinste Segment Consumer Health mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten. Hier stieg der Umsatz auf vergleichbarer Basis um 5,2 Prozent auf 5,05 Milliarden Euro. Der Leverkusener Dax-Konzern habe davon profitiert, dass in der Pandemie der Fokus auf Gesundheit und Prävention stark gestiegen sei. Bei Nahrungsergänzungsmitteln habe das zu einer stark erhöhten Nachfrage und einem Umsatzplus von 22,6 Prozent geführt. Gute Geschäfte machte Bayer auch mit Produkten in den Bereichen Schmerz- und Kardio, Dermatologie sowie Magen-Darm-Gesundheit.
Ein anderer Corona-Effekte schmälerte das gute Ergebnis der Sparte allerdings: So führten die erhöhten Hygienemaßnahmen dazu, dass weniger Erkältungs- und Allergiemittel verkauft wurden. Der Umsatz mit ihnen ging um 4,1 Prozent zurück. „Die Leute stecken sich weniger an“, sagte Bayer-Chef Baumann. Dass der direkte Kontakt zwischen Menschen erheblich eingeschränkt gewesen sei, habe einen erheblichen Effekt auf Infektionsketten auch abseits des Coronavirus gehabt.
Wenig Anzeichen für Erholung
Im laufenden Jahr sieht Bayer wenig Anzeichen für eine umfassende Erholung seiner Geschäfte: So rechnen die Leverkusen mit einem Umsatz bloß auf Vorjahresniveau. Pessimistischer sind sie beim operativen Gewinn vor Sondereinflüssen und erwarten, dass dieser um rund sechs bis acht Prozent auf nur noch 10,5 bis 10,8 Milliarden Euro schrumpfen wird.
Seinen Aktionären will Bayer eine deutlich niedrigere Dividende auszahlen als noch im vergangenen Jahr. Statt 2,80 Euro soll sie nur noch zwei Euro je Aktie betragen, so der Vorschlag des Konzerns.