Leverkusen/Wuppertal – Was vor drei Wochen nur eine vage Option war, wird jetzt mit Hochdruck vorangetrieben. Der Pharmariese Bayer steigt in großem Stil in die Impfstoff-Produktion ein. Im Stammwerk in Wuppertal sollen ab 2022 rund 160 Millionen Dosen eines Impfstoffs hergestellt werden, der vom Tübinger Unternehmen Curevac entwickelt wurde. Er steckt derzeit noch in der dritten Testphase, an der rund 36000 Probanden teilnehmen. Mit einer Zulassung des Impfstoffs durch die europäische Arzneimittelbehörde wird in einigen Monaten gerechnet.
Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der wegen der Impfstrategie immer mehr unter Druck steht, ist diese Nachricht von derart großer Bedeutung, dass er sie am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Vorständen von Bayer und Curevac, Stefan Oelrich und Franz-Werner Haas, und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verkündet – noch vor dem Impfgipfel mit den Pharmaunternehmen.
Kapazitäten erhöhen, Fertigung ausbauen
„Wir haben viele Gespräche auch mit der Bundesregierung geführt“, sagt Bayer-Pharmavorstand Stefan Oelrich. „Wir müssen die Verfügbarkeit erhöhen, die Kapazitäten und die Fertigungskompetenzen in Deutschland ausbauen.“ Bis Ende 2021 werde Bayer sein „gesamtes globales Netzwerk aktivieren“, in dessen Mittelpunkt der Standort in Wuppertal stehen werde. „Dort haben wir die Kompetenz und Voraussetzungen für die Endproduktion“, so Oelrich.
Curevac hatte erst Anfang Januar eine Kooperation mit Bayer geschlossen, um das Fachwissen und die globale Infrastruktur der Leverkusener zu nutzen. Das Unternehmen mit rund 500 Angestellten wurde im Jahr 2000 aus der Universität Tübingen heraus gegründet und beschäftigt sich seitdem mit dem Einsatz von mRNA für medizinische Zwecke, etwa bei Krebstherapien und der Behandlung seltener Krankheiten.
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Bei mRNA-Impfstoffen werden keine Krankheitserreger oder deren Bestandteile benötigt wie bei herkömmlichen Impfstoffen. Vielmehr werden einigen wenigen Körperzellen mit dem Impfstoff Teile der Erbinformation des Virus als RNA mitgegeben - geliefert wird so der Bauplan für einzelne Virusproteine, die auch als Antigene bezeichnet werden.
Hauptanteilseigner bei Curevac ist der SAP-Mitgründer und Milliardär Dietmar Hopp. Im Juni dieses Jahres stieg außerdem der Bund über die staatliche Förderbank KfW bei Curevac ein. Für 300 Millionen Euro sicherte sich der deutsche Staat rund 23 Prozent der Anteile.
Curevac hofft auf Zulassung in wenigen Monaten
Curevac hat nach Angaben des Firmenchefs Franz-Werner Haas bereits ein Produktionsnetzwerk aufgebaut, das nach erfolgreicher Zulassung bis zum Jahresende rund 300 Millionen Impfdosen zur Verfügung stellen könne. Die Zusammenarbeit mit Bayer werde zusätzliche Kapazitäten schaffen. Die Produktion in Wuppertal könne aber nicht sofort beginnen, weil zunächst noch die entsprechende Technik aufgebaut werden müsse. „Der Aufbau einer Produktion mit einer neuen Technologe ist ein eigenständiger Prozess, der auch regulatorisch zugelassen werden muss“, sagt Haas. Auch bei der Lieferung der entsprechenden Technik gebe es derzeit Engpässe auf dem Weltmarkt.
„Wir werden Impfstoffe auch über den Sommer hinaus brauchen“, sagt Bundesgesundheitsminister Spahn. „Es liegt im Interesse der Unternehmen, zusammenzuarbeiten. Aber es liegt auch im Interesse von Deutschland und Europa, dass wir Produktions- und Entwicklungskapazitäten haben.“ Das sei schon deshalb wichtig, weil „wir Impfstoffe auch über den Sommer hinaus benötigen werden“, so Spahn, auch wenn bis dahin alle Bundesbürger ein Impfangebot erhalten haben. Es sei noch unklar, ob die Covid-19-Impfung irgendwann einmal aufgefrischt werden müsse. Mit der mRNA-Technologie sei man überdies in der Lage, Impfstoffe relativ zügig auf mögliche Mutationen anzupassen.
Spahn garantiert Bestellungen für 2022
Spahn sichert zu, „national auch 2022 Bestellungen vorzunehmen und zu sichern“. Deutschland solle darüber hinaus weltweit der führende Standort für mRNA-Technologie werden. „Sie bietet wahnsinnig viele Potenziale für die Krebsforschung, für viele andere Bereiche und Medikamente. Alles, was wir jetzt aufbauen, ist eine Rieseninvestition über die Pandemie hinaus in ein mRNA-Cluster, das in Deutschland entsteht“, sagt der Bundesgesundheitsminister.
Laut NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sollen die Genehmigungsverfahren für die Produktion in Wuppertal sehr schnell erledigt werden. Durch Beschlüsse der Landesregierung im Entfesselungspaket 3 sei es möglich, den Zeitraum zu. „Da werden alle Behörden jetzt mithelfen.“
Anlage an chinesischen Konzern verkauft
Bayer hatte noch im Dezember am Standort in Wuppertal eine Anlage für biologische Substanzen an ein deutsches Tochterunternehmen des chinesischen Konzerns WuXi Biologics verkauft. Der Käufer wolle die Anlage nutzen, um Wirkstoffe für Covid-19-Impfstoffe unter anderem für das inzwischen zugelassene Astrazeneca sowie andere Biologika herzustellen, hieß es damals.
Das sei kein Widerspruch zum Einstieg in die Produktion des Curevac-Impfstoffs, sagt eine Unternehmenssprecherin am Montag auf Anfrage. Für die verschiedenen Impfstoffe würden sehr unterschiedliche Technologien eingesetzt. Diese hätten spezifische Anforderungen an die Anlagen und die Ausrüstung. „Unsere Wuppertaler Anlage, die wir an WuXi verkauft haben, ist für die Herstellung von Proteinen aus Zellkulturen konzipiert.“ Für den mRNA-Impfstoff von Curavec werden man „nun andere Anlagen modifizieren“.