Ein Geheimbericht zeigt, dass es permanent Ärger wegen Kostenlisten und mangelhafter Qualität gegeben hatte. Von der mutmaßlichen Korruption sollen die Mitarbeiter der Staatskanzlei dennoch nichts gewusst haben.
BLB-Skandal„Luxus-Laschet“ und die Ahnungslosigkeit der Staatskanzlei

Ex-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte den Umzug der Staatskanzlei initiiert: Sein Nachfolger und Parteifreund Hendrik Wüst strich einige Wünsche für den Umbau später zusammen.
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Vor allem die Beleuchtung des Kabinettsaals scheint beim Umbau der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei von staatstragender Bedeutung gewesen zu sein. Jedenfalls so wichtig, dass Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) höchstselbst im Mai 2020 die Entscheidung treffen sollte, ob die Lampe über dem Tisch „höhenverstellbar ausgeführt“ wird. Dessen Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski, der heute als Minister für Medien sowie Bundes- und Europaangelegenheiten der NRW-Landesregierung angehört, hatte zumindest schon einmal „gebilligt“, eben jene Lichtquelle als „fahrbare Leuchte“ anzuschaffen.
Bescheidene 90.000 Euro wurden für das extravagante Lämpchen veranschlagt, das in seiner Gestaltung die „Tropfenform“ des historischen Tisches „aufnehmen“ sollte. Neben der „Formensprache“ sei noch wichtig, dass die Lampe von allen Plätzen aus einen „uneingeschränkten Blick“ auf den Bildschirm sowie das Kunstwerk „Rhein II“ des Starfotografen Andreas Gursky an der gegenüberliegenden Wand freigebe. So heißt es im geheimen Revisionsbericht der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.
Bei den Lampen soll betrogen worden sein
Die Beleuchtung der gesamten Staatskanzlei steht im Mittelpunkt von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wuppertal. Potenzial für Mauscheleien jedenfalls gab es genug. Insgesamt 1221 Lampen wurden beim Umbau demontiert und 1417 neue Leuchten montiert. Jede einzelne der 420 Flurlampen beispielsweise kostete 640 Euro. Sogar in einer Abstellkammer leuchtet eine 1000 Euro teure Designerlampe.
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Laut dem nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt sollen dabei teilweise völlig überhöhte Rechnungen gestellt worden sein, die der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) anstandslos durchwinkte. Das Unternehmen ist Eigentümer der meisten Grundstücke und Gebäude des Landes NRW und fungiert beim Umbau der Staatskanzlei als Bauherr. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sieben Beschuldigte, unter anderem wegen des Verdachts des Betruges, der Untreue, der Bestechung und Bestechlichkeit. Vier Verdächtige sind beim BLB beschäftigt, zwei stammen aus dem Architekturbüro, das die Umbauarbeiten koordinieren sollte, einer ist Chef eines bevorzugten Lampenunternehmens.
90.000 Euro für eine Pendelleuchte im Kabinettsaal
Allein in einem Fall soll es um gut 2,3 Millionen Euro gegangen sein. Das ergaunerte Geld hätten sich die Beschuldigten geteilt, vermuten die Ermittler. Gegen Mitarbeitende aus der Staatskanzlei werde nicht ermittelt, heißt es.
So vermitteln die Verantwortlichen der Regierungszentrale seit Wochen den Eindruck, mit der Affäre rein gar nichts zu tun zu haben. Schließlich sei man nur ahnungsloser Mieter gewesen. So in etwa sehen das auch die Autoren des als Verschlusssache („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) eingestuften Revisionsberichtes. Ausschließlich der BLB habe Aufträge für den Umbau des Gebäudes vergeben. „Unterlagen oder Aufzeichnungen bzw. sonstige Informationen über Vergabeverfahren sind der Staatskanzlei nicht übermittelt worden bzw. für die Staatskanzlei nicht einsehbar“, heißt es im Geheimbericht.
Mangelhafte Bauarbeiten und katastrophale Koordination
Dass die Prüfer ihre Kollegen derart „freisprechen“, überrascht jedoch. Denn die hatten zumindest mitbekommen, dass es beim BLB drunter und drüber ging. Von „unzureichend gepflegten Kostenlisten“, „mangelnder Auskunftsqualität und -quantität“, fehlender „aktiver Rolle“ oder „Beratungsfunktion“, häufig nicht eingehaltenen Fristen, einer „irritierenden“ Sorglosigkeit sowie einer „geringen Kompetenz im Bereich des Kostencontrollings“ beim Staatsbetrieb ist in den Akten die Rede: „Der BLB kommt seiner Funktion als Kostensteuerer damit nicht nach.“
Auch die Qualität der Bauarbeiten falle „häufig mangelhaft aus“, konstatierten die Verantwortlichen der Staatskanzlei laut Prüfbericht schon früh: „Oftmals muss auf der Baustelle nachgebessert werden.“ Die fehlende Koordinierung habe zeitweise zu chaotischen Zuständen geführt. Etwa als das nur mit wenigen Mitarbeitern angerückte Sanitärunternehmen seine Angestellten wieder abzog, weil diese von anderen Arbeiten behindert worden seien. Der Bau in den Waschräumen habe daraufhin „schlicht stillgestanden“.
300 Baustopps bei der Staatskanzlei
Von der Staatskanzlei seien insgesamt „rund 300 dokumentierte Baustopps veranlasst“ worden, die „nicht selten dazu führten, dass die Handwerker die Baustelle verließen“, heißt es in den internen Papieren. Aufgrund der dadurch entstandenen Verzögerungen wurde das Fiasko zwangsläufig immer größer. Denn bei den anschließenden Gewerken hätte die „Fristentreue“ wegen des vorherigen Pfuschs oftmals noch nicht einmal „rechtsverbindlich eingefordert werden“ können.
Anstatt die Bauplanung in andere Hände zu legen, folgte ein Krisengespräch dem nächsten. Damit das Projekt nicht völlig aus dem Ruder läuft, wurden vom BLB diverse Kostenlisten eingefordert. Am Ende gab es laut Innenrevision sogar sechs „Besprechungsformate“, in denen nahezu permanent Informationen zum Umbau ausgetauscht werden sollten. In fünf davon trafen sich die Mitarbeiter der Staatskanzlei mit BLB-Vertretern und den von diesen beauftragten bauleitenden Firmen.

Das Gebäude der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, gesehen von der dem Rhein zugewandten Seite. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA) ermitteln wegen mutmaßlicher Korruption mit einem Schaden in Millionenhöhe.
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„Auf Referatsleiterebene“ beispielsweise habe es alle zwei Wochen eine „Bauherrenbesprechung“ gegeben, heißt es im Bericht: „Dort wurden operative Aspekte des Vorhabens erörtert.“ Ebenfalls vierzehntägig fand ab Herbst 2022 ein „Schnittstellen-Jour-Fix“ statt. Dieser Termin habe dazu gedient, „Sachstände anzufragen und Zeitpläne zu koordinieren“. Als das alles nichts nutzte, sei dann auf Initiative der Staatskanzlei auch noch ein monatlicher „Kosten-Jour-Fix“ mit dem BLB und der Bauleitung angesetzt worden.
Zahlreiche Besprechungen, trotzdem keine Ahnung
Trotz aller Bemühungen um Kostenkontrolle hätten die Mitarbeitenden nichts vom mutmaßlichen Betrug wissen können, meint die Innenrevision. Denn der „Erkenntnisgewinn“ der Informationen sei für die Regierungszentrale „mangels Einsichtnahme in die Gesamtvorgänge“ nur „beschränkt“ gewesen, so die überraschende Erkenntnis der Prüfer. Lauter Listen und Besprechungen, dennoch sollen alle vollkommen ungeeignet gewesen sein, einen mutmaßlichen Betrug in Millionenhöhe erkennen zu können? So viel Beschränktheit oder unmotiviertes Nachfragen möchte man den Beamten der Staatskanzlei eigentlich gar nicht zutrauen.
Die Entscheidung, den Regierungssitz vom gläsernen Stadttor in das alte Landeshaus am Horionsplatz in der Düsseldorfer City zu verlegen, hatte Armin Laschet 2017 kurz nach seiner Wahl zum NRW-Ministerpräsidenten getroffen. Hier hatte der CDU-Politiker bereits als Integrationsminister amtiert, und von hier aus wollte er das bevölkerungsreichste Bundesland regieren.
„Ein Gebäude ohne Protz“ – angeblich
Um das Projekt umzusetzen, machte der damalige Regierungschef seine langjährige Vertraute Maria Huesmann-Kaiser zur Sonderbeauftragten. Es werde „ein Gebäude ohne Protz“, betonte die leitende Ministeriale seinerzeit in einem Interview und fügte bodenständig hinterher: „Hier wird mit Stahl und Beton gebaut, nicht mit Marmor.“
Billig jedoch wurde es trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Inzwischen sollen die Sanierungskosten um 30 Prozent auf mindestens 55 Millionen Euro gestiegen sein. Weshalb der ehemalige Ministerpräsident selbst von Christdemokraten im Landtag schon „Luxus-Laschet“ genannt wird. Aus einem Bericht an den Haupt- und Finanzausschuss geht hervor, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst vor zwei Jahren zahlreiche „Nutzerwünsche“ gestrichen hat. So wollte sein Vorgänger etwa eine Bronzetafel am Eingang installieren lassen. Kostenpunkt: 28.000 Euro. Wüst verfügte, die üblichen Standardschilder aus Stahl zu verwenden, um 20.000 Euro einzusparen.
Lampe im Kabinettsaal wurde von Metallbauer individuell angefertigt
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ließ der derzeitige Ministerpräsident in etwa 80 Fällen die Kosten senken oder verlangte Einsparpotenziale zu realisieren. Was die Lampe im Kabinettsaal betrifft, musste diese übrigens individuell angefertigt werden. Auf eine Ausschreibung hatte sich kein Anbieter gemeldet. Daraufhin wurden Metallbauer im Umkreis von Düsseldorf angerufen, wovon sich einer die „Pendelleuchte“ zutraute – sogar zum Schnäppchenpreis von 43.000 Euro.
Ex-MP Laschet wollte sich auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht zum damaligen Geschehen äußern. Auch dazu nicht, ob und warum er das Architekturbüro empfohlen hat, das jetzt eine zentrale Rolle bei den Korruptionsermittlungen spielt. In einem vertraulichen Vermerk vom 1. Februar 2018 heißt es, der BLB habe das Unternehmen „auf Wunsch des Ministerpräsidenten“ mit der „Koordination und Planung“ der gesamten Umbauten beauftragt. Aber nein, kontern die Kontrolleure der Innenrevision jetzt im Abschlussbericht. Die Staatskanzlei habe die Beauftragung keinesfalls „als ausdrücklichen Wunsch“ formuliert. Es habe sich lediglich „um einen Vorschlag zur Kontaktaufnahme“ mit dem Architekten gehandelt.
Dies verdeutliche auch die handschriftliche Notiz einer BLB-Mitarbeiterin. Man müsse jetzt noch „2 - 3 andere“ Firmen auffordern, ein Angebot für die Projektleitung abzugeben, heißt es in dem Papier vom 15. Februar 2018. Um den Auftrag dann ohne Ausschreibung einfach „freihändig“ zu vergeben. Der Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Auftragsvergabe so manipuliert wurde, dass nur der durch Laschet empfohlene Architekt den Zuschlag erhalten konnte.