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Korruption bei Staatskanzlei
Auch Auftragsvergabe an Architekturbüro soll manipuliert worden sein

Lesezeit 6 Minuten
Das Gebäude der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen, gesehen von der dem Rhein zugewandten Seite. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA) ermitteln wegen mutmaßlicher Korruption mit einem Schaden in Millionenhöhe bei der Sanierung des Gebäudes.

Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA) ermitteln wegen mutmaßlicher Korruption mit einem Schaden in Millionenhöhe bei der Sanierung der Staatskanzlei.

Laut einem Bericht weitet sich die Korruptionsaffäre um den Umbau und die Sanierung der NRW-Staatskanzlei immer weiter aus.

Die Korruptionsaffäre um den Umbau des ehemaligen Landeshauses zur neuen NRW-Staatskanzlei weitet sich aus. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Justizkreisen erfuhr, soll bereits 2018 die Auftragsvergabe an ein Düsseldorfer Architekturbüro manipuliert worden sein. Dies geht aus dem Bericht der Internen Revision des zuständigen landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) hervor. In der vergangene Woche hatte der Fall zu einer Razzia des Landeskriminalamts (LKA) und der für den Fall zuständigen Staatsanwaltschaft Wuppertal geführt. Es wurden 40 Durchsuchungsbeschlüssen vollstreckt.

Einmal im Geschäft sollen dem Düsseldorfer Architekturbüro noch weitere Aufträge im Zusammenhang mit der Staatskanzlei zugeschustert worden sein. Etwa die Verantwortung für die Instandhaltung, die Fassadendämmung sowie den Bereich „Nutzerwünsche“ – jedes Mal, ohne Konkurrenzangebote eingeholt zu haben. In diesen Fällen hätte es laut den BLB-Fahndern eine großangelegte Ausschreibung geben müssen. Hier könnten die strafrechtlichen Nachforschungen weitere finanzielle Unregelmäßigkeiten und politische Verantwortlichkeiten zu Tage fördern, urteilen die Experten in ihrem Bericht.

Mutmaßliche Schiebereien in Millionenhöhe

Auslöser der Ermittlungen auch der Staatsanwaltschaft waren mutmaßliche Schiebereien bei der Installation der Beleuchtungsanlagen in Millionenhöhe im Sitz des Ministerpräsidenten. Laut Landeskriminalamt sollen völlig überhöhte Rechnungen gestellt worden sein, die der BLB scheinbar ohne längere Prüfung durchwinkte. So soll es allein in einem Fall um gut 2,3 Millionen Euro gegangen sein. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb ist Eigentümer der meisten Grundstücke und Gebäude des Landes NRW.

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Sieben Beschuldigte listen die Ermittler auf, darunter vier BLB-Bedienstete sowie zwei aus dem Architekturbüro und einen Firmenchef, die von den mutmaßlichen Kungeleien um die millionenschwere Installation von Beleuchtungsanlagen profitiert haben sollen. Gegen Mitarbeiter aus der Staatskanzlei werde nicht ermittelt, hieß es.

Bereits im März 2018 soll manipuliert worden sein

Doch das könnte sich ändern. Bereits im März 2018 könnte die Vergabe so manipuliert worden sein, dass nur ein Gewinner daraus hervorgehen konnte: das Düsseldorfer Architekturbüro. So legt es der BLB-Report nahe. Dabei ging man den Angaben zufolge sehr geschickt vor. Zum Bieterverfahren seien nur solche Büros eingeladen worden, die eigentlich keine Chance hatten, dieses Großprojekt zu stemmen. Dazu sollen auch die Düsseldorfer Architekten gehört haben.

Bis heute fehle es an schlüssigen Erklärungen, warum ausgerechnet diese Firma den Zuschlag erhalten hat, so der Befund der Innenrevision. Schließlich sei das Unternehmen damals gerade erst gegründet worden, sodass etwa Referenzen gänzlich fehlten. Die BLB-Fahnder gehen davon aus, dass das Projekt bewusst diesem Unternehmen zugeschustert wurde.

Laschet hatte seinen Regierungsitz 2017 ins ehemalige Landeshaus verlegt

Die Entscheidung, den Regierungssitz vom gläsernen Stadttor in das alte Landeshaus am Horionsplatz in der Düsseldorfer City zu verlegen, hatte im Jahr 2017 Armin Laschet kurz nach seiner Wahl zum NRW-Ministerpräsidenten getroffen. Hier hatte der CDU-Politiker bereits als Integrationsminister amtiert, und von hier aus wollte er das bevölkerungsreichste Bundesland regieren.

Und das sollte den Steuerzahler auch etwas kosten. Um das Projekt umzusetzen, machte der damalige Regierungschef seine langjährige Vertraute Maria Huesmann-Kaiser zur Sonderbeauftragten. Es werde „ein Gebäude ohne Protz“, betonte die leitende Ministeriale seinerzeit in einem Interview und fügte bodenständig hinterher: „Hier wird mit Stahl und Beton gebaut, nicht mit Marmor.“

Die Sanierungskosten sollen auf mindestens 55 Millionen Euro gestiegen sein

Billig jedoch wurde es trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Inzwischen sollen die Sanierungskosten um 30 Prozent auf mindestens 55 Millionen Euro gestiegen sein. Sparsames Wirtschaften jedenfalls sieht anders aus. Wer aber hat denn in der Staatskanzlei, der zentralen Regierungsstelle in NRW, das Sanierungsvorhaben kontrolliert? Wer hat sein Plazet zur Vergabe an das Düsseldorfer Architekturbüro gegeben? War es Laschet oder dessen Vertraute Huesmann, war es der damalige Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski? Oder kann es tatsächlich so gewesen sein, dass einfache BLB-Mitarbeiter, die jetzt infrage stehenden Aspekte bei einem derart wichtigen Bauprojekt des Landes alleine entscheiden durften?

Danach befragt, hat der ehemalige Ministerpräsident Laschet sich nicht geäußert und an die nordrhein-westfälische Staatskanzlei verwiesen. Ein Sprecher der Behörde teilte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit: „Das Vergabeverfahren zu der Beauftragung lag in den Händen des BLB NRW. Da es sich um den Dienstsitz des Ministerpräsidenten handelte, war die Staatskanzlei als Mieterin und Nutzerin des Gebäudes in der Frühphase des in Aussicht genommenen Projekts vorbereitend eingebunden.“

Drei Beschuldigte beim landeseigenen Immobilienverwalter

In der neuen Staatskanzlei seien „unterschiedliche Beleuchtungen auf der Grundlage diverser Vergabeverfahren eingebaut“ worden. Dazu habe es vorab „Bemusterungstermine“ gegeben, „an denen auch Vertreterinnen und Vertreter der Staatskanzlei teilnahmen“. Hier seien „Einschätzungen und Präferenzen unter anderem mit Blick auf die Gestaltung, Materialität aber insbesondere auch zur Frage der Wirtschaftlichkeit geäußert“ worden, so der Sprecher.

„Einzelheiten zu Vergaben, Rechnungslegungen und vertraglichen Anforderungen“ indes seien dabei nicht besprochen worden. „Die Vergabeverfahren führte der Eigentümer, der BLB NRW, in eigener Zuständigkeit durch“, ergänzte der Sprecher. Die Zuständigkeit für das Bauprojekt habe in der Staatskanzlei zunächst in der Abteilung I („Politische Planung, Personal und Innere Dienste“) und „ab dem Jahr 2022 nach der Regierungsneubildung in der neu gegründeten Abteilung Z“ gelegen.

Lampen wurden überteuert abgerechnet

Einige Monate vor der Gründung des neuen Ressorts hatte das Düsseldorfer Architekturbüro laut BLB-Innenrevision auch den Millionenauftrag für die Leuchtanlagen erhalten. Wieder könne man sich nicht erklären, wie es dazu kommen konnte. Denn besagte Firma habe auch nicht über das nötige Knowhow für solche Arbeiten verfügt. Auf schriftliche Angebote des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ihre Sicht der Geschichte zu erzählen, hat die Firma nicht reagiert.

Die mutmaßlichen Mauscheleien beim Lampengeschäft sollen laut den BLB-Kontrolleuren folgendermaßen gelaufen sein: Bei den Aufträgen für Elektroanlagen wurden nur jene Firmen bedacht, die einen ganz bestimmten Lampenhersteller aus Düsseldorf bevorzugten. Dessen Produkte waren zwar sowieso schon viel teurer als Konkurrenzangebote, wurden dann aber zudem noch überteuert abgerechnet.

Um den Schwindel zu verschleiern, sollen Unterlagen und Computereinträge gefälscht worden sein

Das so erbeutete Geld sollen mehrere Akteure aus dem mutmaßlichen Korruptionszirkel unter sich aufgeteilt haben, vermutet die Staatsanwaltschaft Wuppertal: Der Lampenproduzent, das Architekturbüro und die BLB-Mitarbeitenden, die sämtliche Nachforderungen für die angeblich so teure Beleuchtung genehmigt haben. Um den Schwindel zu verschleiern, sollen die entsprechenden Vorgänge im hauseigenen Softwaresystem des Landesbetriebs gefälscht worden sein.

Beim nordrhein-westfälischen Bau- und Liegenschaftsbetrieb ist angesichts des zu befürchtenden eigenen Komplettversagens beim mutmaßlichen Betrug keine Spur von Demut zu entdecken. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ verwies Sprecher Nick Beckmann lieber darauf, dass der BLB „die zuständigen Behörden im Rahmen seiner Möglichkeiten bereits umfassend und transparent bei ihren Ermittlungen unterstützt“ habe. Und noch mehr: „Im Rahmen eines umfassenden Compliance Management Systems“ verfüge der Landesbetrieb „über zahlreiche Kontrollmechanismen zur Prävention und Bekämpfung von Korruption“. Ein „interner Korruptionsbeauftragter“ beispielsweise stehe den „Beschäftigten bei Fragen zum Umgang mit korruptionsverdächtigen Sachverhalten zur Verfügung“.

Das Komplettversagen des Landesbetriebes

All diese „Kontrollmechanismen“ aber scheinen nichts genutzt zu haben, die mutmaßlichen Schwindeleien blieben unbemerkt. Das Verfahren kam nach Informationen unserer Zeitung erst in Gang, als sich ein nicht zum Zuge gekommener Mitbewerber der mutmaßlichen Betrügerfirmen meldete und als Kronzeuge auch für die BLB-Innenrevision zur Verfügung stellte. Der entscheidende Zeuge aber habe sich doch beim „externen Korruptionsbeauftragten“ seines Arbeitgebers gemeldet, teilte BLB-Sprecher Beckmann mit. Es klingt, als ob es eine Errungenschaft und keine Selbstverständlichkeit wäre, dass es in seinem staatlichen Multi-Unternehmen jemanden gibt, der Betrugshinweise annimmt.

Zumindest dem nordrhein-westfälischen Finanzministerium, dem Dienstherrn des BLB, scheint die Problemlage bewusst zu sein. Das hat jetzt eine umfassende Überprüfung „aller internen Kontrollmechanismen und Compliance-Systeme“ des Landesbetriebes durch eine unabhängige Wirtschaftskanzlei angekündigt. Da nach den Razzien das Ermittlungsverfahren zur Sanierung der Staatskanzlei nicht länger verdeckt laufe, will das Ministerium nun auch untersuchen lassen, ob es bei anderen BLB-Projekten zu ähnlich gelagerten Fällen gekommen sein könnte. Außerdem wurden „spezielle Schulungen“ für alle BLB-Führungskräfte angeordnet. „Ein besonderes Augenmerk“ solle dabei „auf der Erkennung von betrügerischen und missbräuchlichen Handlungen in Vergabeprozessen liegen, insbesondere auch im Umgang mit externen Auftragnehmern“, heißt es in einem Papier des Finanzministeriums, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.