Nicht ausnutzen lassenMit diesen vier Schritten setzen Sie Kollegen Grenzen
Wenn der Kollege zum kranken Kind nach Hause muss, ist es selbstverständlich, eine halbe Stunde länger im Büro zu bleiben. Kollegialität und gegenseitige Unterstützung gehört für viele zum guten Ton am Arbeitsplatz. Doch wann wird es zu viel des Guten? Häufig ist das gar nicht so leicht zu erkennen. „Probleme entwickeln sich meistens schleichend, so dass ein Gewöhnungseffekt einsetzt“, sagt Alexandra Götze, Businesscoach aus Wiesbaden.
Irgendwann ist im Kollegenkreis bekannt, dass Mitarbeiterin X immer für alles Verständnis hat. Ähnlich ist es mit der Tatsache, dass Kollege Y für Schichten am Wochenende am ehesten zur Verfügung steht, weil er sowieso nicht Nein sagen kann. Gut für die Nutznießer, dumm für diejenigen, die immer nachgeben.
Denn irgendwann leidet die eigene Arbeit und im schlimmsten Fall sogar das Privatleben unter der Dauerverfügbarkeit. Spätestens dann muss man sehen, wo die Ursachen liegen. Für viele schwer zu akzeptieren: „Meistens leistet man selbst einen nicht unerheblichen Beitrag dazu, dass die Grenzen immer mehr verschwimmen“, sagt Kerstin Hof, Unternehmensberaterin aus Hamburg.
• Eine Erklärung dafür: Man kann bestimmte Dinge einfach gut. Ob es darum geht, ein Problem am Computer zu beheben oder mit einem wütenden Kunden umzugehen: Wer für bestimmte Tätigkeiten immer wieder nachgefragt wird, scheint dafür ein Talent zu haben. „Vielleicht ist man sogar froh, eine Abwechslung zum normalen Arbeitsalltag zu haben und nimmt diese Aufgaben gerne an, weil man dafür Anerkennung bekommt“, erklärt Hof.
• Möglichkeit zwei: Angst vor Ablehnung. „Besonders Frauen wollen es gerne allen recht machen“, sagt Hof. Doch „Everybody's Darling“ sei selten „Everybody's Friend“. „So wird man vielleicht zum Mädchen für alles, wird aber nicht mehr in seinen Kernkompetenzen erkannt.“
Wer für alles und jeden zur Verfügung steht, verliert Zeit für seine eigentlichen Aufgaben. „Irgendwann hilft man allen anderen dabei, einen guten Job zu machen, bleibt mit den eigenen Leistungen aber auf der Strecke.“ Höchste Zeit, sich wieder besser zu positionieren.
Schritt 1: Die eigenen Bedürfnisse analysieren
Wer Grenzen setzen möchte, muss erst mal wissen, wo sie liegen. Das herauszufinden, erfordert Selbsterforschung. „Finden Sie die Situationen heraus, in denen Sie zwar Ja sagen, aber eigentlich Nein meinen“, rät Susanne Gehring, Job-Coach aus Münster. Passiert dieses Verhalten nur bei bestimmten Personen? Und wenn ja, warum? Welche Befürchtungen bestehen?
Gleichzeitig gilt es, den Blick auf das eigene Pensum zu richten: Wie ist es am besten zu bewältigen? Welche Kompromisse mit Kollegen sind möglich? Welche sorgen immer wieder für Stress? „Versuchen Sie auf dieser Metaebene herauszufinden, wie die perfekte Job-Passung für Sie aussieht“, rät Hof. Wie muss der Arbeitsalltag und der Umgang mit den Kollegen sein, damit Sie zufrieden sind?
Welche weiteren Schritte Sie unternehmen können, erfahren Sie auf der nächsten Seite.
Schritt 2: Das Gespräch mit Kollegen suchen
Wer auf diese Weise herausgefunden hat, wo die Probleme liegen, sollte im nächsten Schritt die Kollegen ansprechen, die gerne Arbeit abwälzen. Dafür macht man am besten einen Gesprächstermin, damit der andere Zeit und Ruhe hat. „Gut ist, schon eine Lösung anbieten zu können, das macht die Sache konstruktiver“, rät Hof. Gibt es keine Lösung, bleibt nur, klare Ansagen zu machen: „Sagen Sie, dass Sie gerne helfen, wenn Not am Mann ist, aber auch sehen müssen, dass Ihre eigene Arbeit fertig wird und dass Sie zukünftig nicht immer einspringen können.“
Schritt 3: Mit dem Vorgesetzten sprechen
Nicht immer sind Gespräche mit Kollegen fruchtbar. Dann bleibt nur die Unterhaltung mit dem Vorgesetzten. „Sagen Sie, dass die Abläufe im Team Sie in Ihrer Arbeit behindern und bitten Sie um Klärung“, rät Götze. Keine Lösung ist das natürlich, wenn Mitarbeiter gegenüber dem Chef Grenzen setzen müssen. In diesem Fall hilft es, klar zu signalisieren, dass man grundsätzlich alles gerne machen würde, dann aber die Qualität leidet und Aufgaben liegenbleiben.
Solche Konsequenzen aufzuzeigen, liefert eine gute Grundlage für Veränderungen. Bei schwierigen Situationen kann es sinnvoll sein, sich im Vorfeld mit anderen Kollegen oder sogar dem Betriebsrat auszutauschen.
Schritt 4: Konsequent bleiben
Was in der Theorie besprochen wurde, gilt es, im Alltag praktisch umzusetzen. Das bedeutet im Zweifel Nein zu sagen, auch wenn es sehr schwerfällt. Susanne Gehring empfiehlt freundliche, aber klare Worte. „Beobachten Sie die Reaktion Ihres Gegenübers.“ Oft sei diese nämlich gänzlich anders als erwartet – besser meistens.
„Sollte wider Erwarten eine heftige Reaktion folgen, nehmen Sie diese auf keinen Fall persönlich.“ Sie empfiehlt Nachsicht: „Sie wären schließlich auch frustriert, wenn Sie etwas nicht bekommen, was Sie gerne haben möchten.“ (dpa)